Kosmetika: Skandinavische Spezialitäten

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Molke, Beeren, Tang und Seesalz: Diese Zutatenliste passt nicht nur in die Küchen der gefeierten „New Nordic Cuisine“, sondern auch zu Rezepturen skandinavischer Kosmetika.

Das Land ist weit am Kebnekaise, ewig könnte der Blick über die Wälder Lapplands schweifen. Vom Gipfel des höchsten Bergs in Schweden, 150 Kilometer nördlich des Polarkreises, überblickt man bei gutem Wetter fast ein Zehntel des gesamten Staatsgebietes. Andererseits: Wer will schon unbedingt den Gipfel erklimmen? Das Gute gibt es auch in tieferen Lagen: Schaumkräuter, Tannen-Teufelsklaue und Hahnenfuß sprießen aus der knorrigen Landschaft, über die Steinplatten ziehen sich Moose und Flechten, vereinzelt gurren Alpenschneehühner im Gletschereis.

Die Natur am Polarkreis ist, man muss das so deutlich sagen, schlicht atemberaubend schön. Sie kann aber auch für menschliche Schönheit sorgen. Vor allem die arktischen Beeren der Region haben es faustdick unter der Schale. „Sie sind nicht nur größer als die Beeren in Mittel- und Südschweden, auch die Elche und Rentiere, die sich von ihnen ernähren, sind hier deutlich kräftiger als im Rest des Landes“, erzählt Daniel Sand. Er gründete 2008 gemeinsam mit Louise Dufwa das Beauty-Unternehmen KEB Skincare – nach einer gemeinsamen Tour am Kebnekaise. „Wenn man sich auch nur ein wenig für die Materie interessiert, erfährt man schnell, dass die Beeren hier einen wesentlich höheren Anteil an Vitamin C und Antioxidanten haben, um die extreme Kälte von bis zu minus 50 Grad Celsius überstehen zu können.“ Sand und Dufwa entwickelten aus dieser Erkenntnis eine naturbasierte Hautpflegeserie für Frauen und Männer. Aus der Idee wurde KEB Swedish Formula, natürlich benannt nach dem Berg Kebnekaise.

Auch Johan Wiklund, Gründer des im schwedischen Jokkmokk ansässigen Unternehmens c/o Gerd (Care of Gerd), schwört auf die Beeren des Nordens: „Wir sind hier am Polarkreis, der Winter endet oft erst im Mai. Zwei Wochen später hat Mutter Erde schon ihre Blütenpracht über die Wälder verstreut. Diese Explosion vom Winter zum Sommer gibt den hiesigen Kräutern und Beeren viel mehr aktive Inhaltsstoffe als jenen in anderen Regionen.
Außerdem haben wir hier die Mitternachtssonne, die rund um die Uhr Licht spendet.“ Wiklund, der das Unternehmen zusammen mit seiner Schwester Anna-Lena Wiklund Rippert gründete, schwört etwa auf die Vitamin-E-reiche Heidelbeere oder die rare und „absolut fantastische“ Preiselbeere, die mit natürlicher Säure Akne und ölige Haut beruhigen soll. Die Moltebeere trägt aufgrund ihres hohen Vitamin-C-Gehalts sogar den Ehrentitel „Schwedisches Lappland-Gold“.

Aber nicht nur mit Beeren werden die neuen nordischen Natur-Kosmetika veredelt. Mats Johansson von der schwedischen Marke L:A Bruket verwendet für seine Badezusätze etwa Algen, die ein Seetang-Erntearbeiter aus den Tiefen des Kattegat zieht. Seit drei Generationen hat sich dessen Familie auf die potenten Wasserpflanzen spezialisiert, die nach der Ernte in Handarbeit gewaschen und getrocknet werden. Auch Salz aus der Ostsee kommt in Johanssons Produkten zum Einsatz, denn: „Wir haben hier nicht nur Beeren! Wir haben auch die raue Westküste, die die Charakteristik der schwedischen Schönheit für uns konserviert.“

Sanddorn statt Acai. Noch einen Schritt weiter in Richtung Nachhaltigkeit geht das dänische Unternehmen Unique Products. Dessen Haar- und Körperpflegeserien werden im Familienbetrieb im Städtchen Fredericia hergestellt. Saftig grüne Felder und sanft geschwungene Hügel bilden einen perfekten Rahmen für die naturnahe Firmen-Philosophie. „Warum sollten wir in Dänemark Acai aus Brasilien benutzen, wenn wir genauso gut Sanddorn aus Skandinavien verwenden können?“, fragt Hanne Rasmussen, die Unique Products vor rund zehn Jahren gemeinsam mit Jørgen Mortensen gegründet hat. Die Naturkosmetik-Hersteller arbeiten aber nicht nur mit lokaler Flora wie Hollerblüten oder Löwenzahn, sondern auch mit Molke. Rasmussen: „Bio-Molke ist reich an Proteinen, Vitaminen, Mineralien und Lipiden, die alle eine fantastische Wirkung auf Haut und Haar haben.“ Und auf die Natur obendrein: Dänemark produziert gewaltige Mengen an Bio-Käse – und bei der Produktion von jedem Kilo Käse fallen neun Kilo Molke an, mit der Unique Products nun einen großen Anteil ihres Wasserbedarfs deckt. „In Zukunft wird es nicht reichen, nur ein paar Bio-Zutaten zu verwenden. Man muss einen Schritt weiter gehen und Nachhaltigkeit in die Produktion implementieren“, fordert Hanne Rasmussen, die privat  in einer ehemaligen Molkerei wohnt – wo sonst? Übrigens: „Ich bin mir sicher, dass man in Österreich mit den Zutaten aus den Bergen ganz wunderschöne Produkte machen könnte!“

Ein Trend, der bleibt. Einen klitzekleinen Haken hat die Sache allerdings: Sollte die lokale Ernte einmal schlecht ausfallen, muss ein Plan B her. „Wir beobachten das Wachstum sehr genau. Sollte es einmal extreme Wetterveränderungen geben, müssen wir uns nach einer alternativen Versorgung umschauen“, erklärt Jenny Kärner von Luxsit Organic Care. In der Pflegeserie des schwedischen Naturkosmetikherstellers wird die nordische Pflanzenwelt mit dem Wissen traditioneller Medizin kombiniert. Dass die ultra-regionale Pflanzenklauberei in Küche und Kosmetik nur ein vorübergehender Trend sein könnte, glaubt Kärner nicht. „Eigentlich leben wir schon seit Jahrzehnten sehr naturverbunden und greifen nur selten auf Importware zurück. Das Bewusstsein über Umweltverschmutzung und Klimawandel hat die Menschen dazu gebracht, sich mehr dafür zu interessieren, was in ihrem eigenen Garten wächst. Ganz klar ein Trend – aber einer, der bleibt.“

Preislich bewegen sich die Produkte der genannten skandinavischen Marken übrigens allesamt im äußerst fairen Rahmen. „Das ist auch sehr wichtig für uns“, sagt Daniel Sand. „Erstens verstehen immer mehr Kunden, dass Kosmetika im Premium- und Super-Premium-Bereich nicht wirkungsvoller sind, sondern einfach nur teurer. Und zweitens passt Exklusivität nicht zur schwedischen Mentalität.“ Zumindest dann nicht, könnte man im Sinne der nordischen Vernunft ergänzen, wenn sie sich ausschließlich über den Verkaufspreis definiert. 

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