Schönheitsoperationen als Seelentröster

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Einer Langzeitstudiezufolge zeigen Patienten nach Schönheitsoperationen oft mehr Lebensfreude, Zufriedenheit und Selbstwertgefühl.

Eine junge Frau ist mit ihrer Nase nicht glücklich. Sie hält sie für zu groß und unförmig. Diese Unzufriedenheit geht so weit, dass sie der Meinung ist, jeder starre auf ihre Nase. Wenn sie beispielsweise in der U-Bahn Leute flüstern hört, geht sie automatisch davon aus, dass sie sich gerade über ihre Nase unterhalten.

Ist ein solches Verhalten schon pathologisch? Braucht diese Frau vielleicht sogar eine Therapie, um sich von der Fixierung auf ihre Nase zu lösen? „Nein“, sagt Walther Jungwirth, plastischer Chirurg in Salzburg und Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Plastische, Ästhetische und Rekonstruktive Chirurgie (ÖGPÄRC). „Menschen wie sie leiden und gehören behandelt, aber sie sind in der Regel nicht psychisch krank – wenngleich sich ihre Unzufriedenheit in Minderwertigkeitsgefühlen und depressiven Stimmungsbildern ausdrücken kann.“

Eigentlich ziemlich hübsch

Besagte Frau ist im Übrigen eine Patientin von Dr. Jungwirth und wurde von ihm operiert. Das ist schon einige Jahre her. „Sie war nicht grundsätzlich unzufrieden mit ihrem Aussehen. Im Gegenteil, sie fand sich eigentlich ziemlich hübsch. Lediglich ihre Nase empfand sie als einen Makel, und diesen wollte sie korrigiert haben“, erzählt der Mediziner. „Nach der Operation war sie wie ausgewechselt. Sie hatte plötzlich viel mehr Selbstbewusstsein und fühlt sich seither wieder wohl in ihrem Körper. Ihr Alltag wird nicht mehr von den Gedanken rund um ihre Nase dominiert.“

Erfahrungen wie diese habe er in seinen 24 Dienstjahren schon oft gemacht. „Manchmal melden sich Patienten Jahre nach einem Eingriff und erzählen mir, wie sehr sich ihr Leben seither verändert hat und wie glücklich sie geworden sind – und zwar nicht kurzfristig aufgrund der Euphorie über die geglückte Operation, sondern nachhaltig. Diese persönliche Beobachtung von mir wurde auch schon durch eine repräsentative Langzeitstudie bestätigt.“

Gemeint ist eine Studie der Ruhr-Universität Bochum (RUB), die gemeinsam mit Kollegen von der Universität Basel in der Schweiz die psychologischen Effekte von Schönheitsoperationen bei rund 550 Patienten untersucht hat. Das Ergebnis: Patienten zeigen nach Schönheitsoperationen tatsächlich mehr Lebensfreude, Zufriedenheit und Selbstbewusstsein. Die Psychologen testeten die Patienten vor der Operation sowie drei, sechs und zwölf Monate danach.

Im Durchschnitt gaben die Befragten an, das gewünschte Ziel erreicht zu haben und mit dem Ergebnis lange Zeit zufrieden zu sein. Im Vergleich zu denjenigen, die sich gegen eine Schönheitsoperation entschieden hatten, fühlten sich die Patienten gesünder, waren weniger ängstlich, entwickelten ein stärkeres Selbstwertgefühl und fanden ihren Körper allgemein attraktiver. Negative Effekte stellten die Forscher nicht fest. Die Wissenschaftler verglichen die 550 erstmals operierten Patienten mit rund 260 Personen, die sich früher eine Schönheitsoperation gewünscht und sich dann doch dagegen entschieden hatten, sowie mit rund 1000 Menschen, die sich nie für eine solche Operation interessiert hatten. Die Ergebnisse der Studie wurden in der Zeitschrift „Clinical Psychological Science“ veröffentlicht.

Langfristige Hilfe

„Ich kann Ihnen viele Beispiele nennen. Von Frauen etwa, die sich wegen ihrer asymmetrischen oder sehr kleinen Brüste nicht trauten, sich vor ihrem Freund auszuziehen. Deren Beziehungen sogar gefährdet waren, weil sie solche Komplexe hatten“, sagt Jungwirth. „Oder von Männern, die aufgrund ihres müden Aussehens unter einem geringen Selbstwertgefühl litten und ihr berufliches Vorankommen infrage stellten. Ihnen allen konnten wir langfristig helfen – das sind Erfolge, über die medial kaum berichtet wird.“

Natürlich gebe es auch Patienten, die nach einem chirurgischen Eingriff immer wieder neue Makel finden bzw. sich einbilden würden, die sie korrigiert haben wollten, und dauerhaft unzufrieden seien. „Die die Kontrolle über ihren Körper verlieren und ein Suchtverhalten entwickeln“, so Jungwirth. „Diese Menschen haben tatsächlich eine psychische Problemstellung. Body Dysmorphic Disorder nennt sich diese Krankheit. Hier sind wir als Ärzte gefragt und müssen Eingriffe auch einmal ablehnen, wenn das gewünschte Ergebnis ohnehin nicht erreicht werden kann oder die aufzuwendenden Mittel zu groß sind.“

Das Hauptproblem dabei seien oft die falschen Erwartungshaltungen. Zu diesen und zum bis heute teilweise negativen Image der plastischen Chirurgie hätten laut Jungwirth auch „überoperierte Prominente“ wie beispielsweise die Schauspielerin Renée Zellweger (ihr sei durch die Entfernung der Schlupflider ihr Erkennungsmerkmal genommen worden) und das Model Amanda Lepore oder das pathologische Nacheifern unrealistischer Vorbilder („Barbie-Syndrom“) geführt. „Barbies Füße sind zu klein, um aufrecht gehen zu können, ihre Maße lassen zudem nur Platz für ein paar Zentimeter Darm und eine halbe Leber.“ Auch Reality-TV-Shows würden oft Hoffnungen wecken, „die wir beim besten Willen nicht erfüllen können und die unseren Beruf in ein falsches Licht rücken.“

Facelift kein Statussymbol mehr

Generell gehe der Trend in der ästhetischen Chirurgie weg vom gestrafft wirkenden „Windkanal“-Gesicht hin zu natürlichem Aussehen. „Die meisten Patienten legen Wert darauf, dass den Eingriff niemand bemerkt – was wir mittlerweile auch erzielen“, so Jungwirth. Facelifting als Statussymbol stehe schon lange nicht mehr zur Diskussion – anders als etwa in den Vereinigten Staaten, der Türkei, in vielen arabischen Ländern und in China. Dort würden Patienten gern zeigen, dass sie Geld für eine Schönheitsoperation ausgeben können. Dabei stehen bei Asiaten vor allem – nur mit radikalen Eingriffen formbare – europäische Gesichtszüge hoch im Kurs.

Hoch im Kurs sind auch Schönheitsoperationen als Weihnachtsgeschenk. Was in den USA seit vielen Jahren ein großer Trend ist, wird auch in Österreich von Jahr zu Jahr – allerdings auf niedrigerem Niveau – beliebter. Auch Minderjährige finden unter dem Christbaum immer öfter einen Gutschein für einen ästhetischen Eingriff. Allerdings dürfen Operationen zwischen 16 und 18 Jahren nur nach psychologischer Beratung und mit Zustimmung der Eltern durchgeführt werden. Die Hitliste führt bei Frauen nach wie vor die Brustvergrößerung an, bei Männern die Fettabsaugung.

Männeranteil steigt

Jungwirths älteste Patientin ist im Übrigen 82 und berufstätig – sie ließ sich vor Kurzem das Gesicht straffen und lässt sich regelmäßig Botox spritzen. Erst im vergangenen Jahr ließ sein 65-jähriger Lehrer aus den USA, der Starchirurg Juris Bunkis, ein Hals- und Facelift bei ihm machen.

„Auch immer mehr ältere Menschen entscheiden sich für ästhetische Eingriffe“, sagt Jungwirth. „Die Skepsis ist weniger geworden, die Lebenserwartung und Lebensqualität in hohem Alter nimmt zu, zudem steigt der Männeranteil. Aber ob jung, alt, männlich oder weiblich – bei allen geht es um dasselbe: Nämlich darum, das aktive Innere mit dem Äußeren in Einklang zu bringen.“

Natürlich schön

Positive Effekte nach Operation.
Die Ruhr-Universität Bochum untersuchte die psychologischen Effekte von Schönheitsoperationen bei rund 550 Patienten. Das Ergebnis: Patienten zeigen nach Schönheitsoperationen nachhaltig mehr Lebensfreude, Zufriedenheit und Selbstbewusstsein.

Kein „Windkanal“-Gesicht.
Wer sich in Österreich einer Schönheitsoperation unterzieht, will danach vor allem ein natürliches Aussehen. Der Trend geht weg vom gestrafft wirkenden „Windkanal“-Gesicht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.12.2014)

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