Weniger Schnitte, weniger Spuren

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Schönheitsoperationen werden zunehmend durch Spritzen, Ultraschall- und Laserbehandlungen abgelöst. Die Eingriffe sollen nicht sichtbar sein.

Es gibt da diese Szene in dem Film „Meine erfundene Frau“ mit Adam Sandler in der Hauptrolle. Er spielt darin einen höchst erfolgreichen plastischen Chirurgen und bittet seine Freundin auf einer Party zu raten, wer von den Gästen zu seinen Kunden zählen könnte. Sie sieht sich um und erblickt nur attraktive Menschen, die keinerlei Spuren eines ästhetischen Eingriffes aufweisen. Bis auf einen Mann, dessen Gesicht ganz offensichtlich so sehr gestrafft wurde, dass er weder seinen Mund schließen noch wirklich lächeln kann. Also deutet sie auf ihn – und stellt ihn implizit auch als abschreckendes Beispiel für Schönheitsoperationen dar.

Es stellt sich aber heraus, dass dieser Mann möglicherweise als Einziger kein Kunde von Adam Sandler ist. Natürlich ist auch er operiert und hat es zweifelsohne übertrieben, aber die eigentliche Aussage dieser Szene ist zu zeigen, dass mittlerweile viel mehr Leute ästhetische Eingriffe an sich vornehmen lassen, als man vermuten würde. Ins Auge stechen einem aber zumeist die missglückten Versuche. Und diese behält man dann auch in Erinnerung. Nun sollte die Symbolik einer Adam-Sandler-Komödie nicht allzu ernst genommen werden. Tatsächlich spiegelt sie aber in diesem Fall die Realität wider – auch in Europa. Denn während die Zahl der „klassischen“ operativen Eingriffe wie Brustvergrößerungen, Fettabsaugungen und Nasenkorrekturen stagnieren oder teilweise sogar rückläufig sind, boomen sogenannte minimal invasive Eingriffe wie etwa Behandlungen mit Botulinumtoxin (Botox), Hyaluronsäure, Ultraschall, Peeling und Laser. Eingriffe also, bei denen ambulant durch kleinste Verletzungen ein positiver Effekt erzielt werden kann.

„Die Leute wollen zwar eine Verbesserung, aber keine Veränderung ihrer Individualität“, fasst Elke Janig die Wünsche ihrer Patienten zusammen. Sie ist seit vier Jahren Dermatologin im Kuzbari-Zentrum für ästhetische Medizin in Wien. Zuvor arbeitete sie unter anderem im AKH und ließ sich von Spezialisten für ästhetische Medizin in Kliniken in Deutschland, Israel, Italien und den USA ausbilden. „Die meisten meiner Patienten wollen keinesfalls ein glatt gebügeltes Hollywood-Gesicht, sie wollen einfach nur frisch und jung aussehen“, erzählt Janig. „Die Behandlungen sollen natürlich einen Effekt haben, aber keine sofort sichtbare Veränderung herbeiführen. Das Umfeld soll also nicht erkennen, dass eine ästhetische Behandlung vorgenommen wurde.“

Die beliebteste Behandlung – vor allem in der oberen Gesichtshälfte – ist nach wie vor die Botox-Spritze, um mimische Falten zu entfernen. Falten also, die durch Muskelaktivität entstehen. Gegen Falten in der unteren Gesichtshälfte hingegen wird zumeist Hyaluronsäure gespritzt – sie sorgt im Gegensatz zu Botox für mehr Volumen. Hoch im Kurs steht auch das Peeling – also das Abtragen älterer Hautschichten, um die körpereigene Regeneration anzuregen, was einen verjüngenden Effekt hat. Bereits Cleopatra soll für ihr Milchsäurepeeling in Ziegenmilch gebadet haben. Ganz ähnlich funktionieren Laserbehandlungen, die in den vergangenen zehn bis 15 Jahren perfektioniert wurden und immer öfter zur Anwendung kommen. Auch hier werden alte Hautschichten entfernt, um eine Hauterneuerung anzuregen. Die Anwendungsgebiete sind neben dem Gesicht hauptsächlich der Hals, das Dekolleté, die Hände und Unterarme.

Adern und Pigmentflecken

Etabliert hat sich auch das „Blitzlicht“ – eine Methode, um rote Äderchen und Pigmentflecken zu entfernen. Befragungen zufolge sind es nämlich abgesehen von Falten vor allem Pigmentflecken im Gesicht und auf den Handrücken, die jemanden älter aussehen lassen. „Die Menschen werden bekanntermaßen nicht nur immer älter, sie leben auch immer länger in bester Gesundheit“, betont Janig. „Sie arbeiten länger, genießen ihre Freizeit bis ins hohe Alter und nehmen auch viel länger am gesellschaftlichen Leben teil, gehen auf Konzerte und Bälle. Dabei wollen sie bis zum Schluss fit sein und gut aussehen.“ Das Aussehen der gefühlten Jugendlichkeit und Energie anzugleichen sei für Frauen ebenso wie für Männer das meistgenannte Motiv, um ästhetische Eingriffe vornehmen zu lassen. Janig: „Eine Patientin brachte dieses Lebensgefühl wunderbar auf den Punkt, als sie sagte: ,Danke, Frau Doktor. Jetzt sehe ich so aus, wie ich mich fühle.‘“

Dieser Satz könnte auch von der 45-jährigen Psychologin aus Wien sein, die sich seit sieben Jahren in der Praxis von Elke Janig regelmäßig Botox-, Laser- und Ultraschallbehandlungen unterzieht, darüber aber namentlich nicht in der Zeitung lesen will. „Denn es gibt immer noch Vorurteile gegenüber ästhetischer Medizin. Ich möchte mich in erster Linie über meinen Beruf definieren bzw. definieren lassen und nicht über Schönheitsbehandlungen“, sagt sie. „Natürlich bekommt jede Frau gern Komplimente, freut sich darüber, wenn man ihr sagt, dass sie gut aussieht. Aber es könnte auch passieren, dass ich in meinem Beruf nicht mehr ernst genommen werde.“ Zudem wolle sie sich selbst aussuchen, mit wem sie über ihre Eingriffe redet und mit wem nicht. „Mein enger Freundeskreis weiß es natürlich, und wir tauschen uns darüber auch aus, weil die meisten von ihnen ebenfalls solche Eingriffe an sich vornehmen lassen“, erzählt die Wienerin. „Aber wenn in meinem beruflichen Umfeld jeder Bescheid wüsste und mich so ohne Weiteres im Internet darauf ansprechen könnte, wäre mir das schon unangenehm. Dieser Öffentlichkeit will ich mich nicht aussetzen.“

Dosis wird erhöht

Begonnen hat bei ihr alles vor sieben Jahren, als sie gesehen habe, dass die vielen Cremen nicht mehr halten können, was sie versprechen. Es folgten erste Botox-Spritzen, um Falten rund um die Augen und auf der Stirn zu glätten. Anfangs genügte eine Behandlung einmal im Jahr, mittlerweile musste die Dosis erhöht werden und das Nervengift wird ihr alle sechs Monate verabreicht. Rund 500 Euro bezahlt sie pro Sitzung. „Wir leben in einer optisch orientierten Welt und werden sehr stark nach unserem Äußeren bewertet, das ist nicht zu leugnen“, sagt die 45-Jährige. „Ich will nicht Vorträge halten und dabei älter aussehen, als ich bin. Zudem ist es eine Frage des Selbstwertgefühls. Es ist schön, das Altern zu verlangsamen.“

Schönheitsoperationen kommen für sie aber nicht infrage: „Das würde ich selbst im hohen Alter nicht machen. So, wie ich mich auch nie für eine Hautstraffung unters Messer gelegt hätte“, betont die Selbstständige. Die Behandlungen, die sie jetzt machen lässt, sehe sie als erweiterte Kosmetikbehandlung, die man bis ins hohe Alter machen lassen könne. „Irgendwann, wenn ich merke, dass sie nicht mehr den gewünschten Effekt bringen, kann ich ja gleich aufhören. Damit habe ich kein Problem.“ Bis es aber so weit ist, habe die Schönheitsindustrie bestimmt nicht invasive Methoden für die Altersgruppe 65 plus gefunden. „Und bis dahin fühle ich mich besser, wenn ich für jünger gehalten werde, als ich bin. Also warum soll ich darauf verzichten?“

Kurze „down time“

Als weiteren Hauptgrund, warum minimal invasive Eingriffe immer beliebter werden, nennt Elke Janig auch die sehr kurze „down time“ – also die Zeit, die vergeht, bis die Patienten wieder in ihren Alltag zurückkehren können. Die klassische Fettabsaugung beispielsweise wird immer öfter von der Kryolipolyse abgelöst. Dabei können durch die lokale Anwendung von Kälte Fettzellen um bis 25 Prozent reduziert werden. „Ohne Operation, ohne Krankenhausaufenthalt und Rekonvaleszenz“, sagt Janig. „Dadurch sind diese Behandlungen im Gegensatz zu den Eingriffen früher auch deutlich günstiger. Dazu tragen auch die steigende Anzahl der Patienten und die größer werdende Konkurrenz bei.“ Was der Grund dafür sei, dass mittlerweile rund ein Drittel ihrer Patienten aus dem Mittelstand komme und über ein durchschnittliches Einkommen verfüge. Dass Leute sie mit unrealistischen Wünschen aufsuchen, komme eher selten vor. „Die meisten erkundigen sich bereits im Vorfeld und sind erstaunlich gut informiert“, meint Janig. „Falls wir aber merken, dass die gewünschten Ergebnisse illusorisch sind, raten wir von den Behandlungen ab und klären die Patienten über die medizinischen Gründe dafür auf. Die allermeisten reagieren erfahrungsgemäß vernünftig.“

Fremde Länder, fremde Wünsche

Nicht nur die Zahl einheimischer, auch die der Patienten aus dem Ausland stieg in den vergangenen Jahren deutlich an. Patienten aus Russland etwa, dem arabischen Raum und den USA, wo die österreichische ästhetische Medizin einen sehr guten Ruf hat. Wenngleich ihre Wünsche andere sind als die der Europäer. „In diesen Ländern gelten ästhetische Eingriffe als Statussymbol. Die Menschen wollen öfter, dass man ihnen die Behandlungen ansieht“, sagt Janig. „In Russland beispielsweise gelten eher runde Gesichter als Schönheitsideal. In den USA sind es hochgezogene Augenbrauen.“

Einen regelrechten Boom erleben Schönheitsoperationen derzeit in Brasilien. Dort wird laut der brasilianischen Vereinigung der plastischen Chirurgen (SBCP) mittlerweile alle zwei Minuten eine kosmetische Operation an einem Mann vorgenommen. Binnen fünf Jahren vervierfachte sich die Zahl der Eingriffe, von 72.000 Operationen im Jahr 2009 auf 276.000 im vergangenen Jahr. Als Hauptgründe gelten ein kultureller Wandel und das Schwinden von Vorurteilen gegenüber ästhetischer Medizin. Brasilien liegt bei Schönheitsoperationen weltweit auf dem zweiten Platz hinter den USA. Im vergangenen Jahr unterzogen sich fast 713.000 Frauen und Männer einem solchen Eingriff. Am häufigsten verlangen die Männer nach einer Verkleinerung der Brüste. Auch Fettabsaugungen und die Straffung der Augenlider stehen bei den Brasilianern hoch im Kurs.

Die meisten Patienten sind nach Angaben der SBCP zwischen 20 und 50 Jahre alt. Aber auch ältere Männer seien wegen des Erfolgsdrucks im Job immer öfter dazu bereit, einen Schönheitschirurgen aufzusuchen. Diesen Trend zeigt auch eine aktuelle Untersuchung der Deutschen Gesellschaft für Ästhetisch-Plastische Chirurgie (DGÄPC). Der Altersdurchschnitt ist demnach seit 2010 um rund vier Jahre gestiegen. Wer heute eine solche Operation vornehmen lässt, ist durchschnittlich 42,6 Jahre alt. Rund ein Viertel der befragten Patienten ist zwischen 18 und 30 Jahre alt. Ihr Anteil sank im Vergleich zu einer Vorjahresbefragung von 27,8 Prozent auf 24,5 Prozent. Am niedrigsten ist das Durchschnittsalter mit 31,7 Jahren bei Brustvergrößerungen. Zugelegt haben die Altersgruppen jenseits des 40. Lebensjahres. Der Anteil der Männer, die heute eine Schönheitsoperation vornehmen lassen, ist im Vergleich zu den beiden Vorjahren allerdings gesunken. Er liegt nun bei 13,5 Prozent. Von einem Männertrend könne man also nicht mehr sprechen. Während Männer vor allem straffe Lider und eine Fettabsaugung wünschen, ist bei den Frauen nach wie vor die Brustvergrößerung der beliebteste Eingriff.

Auf einen Blick

Botox und Ultraschall sehr beliebt. Minimal invasive Behandlungen. Die beliebteste Behandlung – vor allem in der oberen Gesichtshälfte – ist bei Männern wie Frauen nach wie vor die Botox-Behandlung, um sogenannte mimische Falten zu entfernen. Falten also, die durch Muskelaktivität entstehen. Gegen Falten in der unteren Gesichtshälfte hingegen wird zumeist Hyaluronsäure gespritzt – sie sorgt im Gegensatz zu Botox für mehr Volumen. Hoch im Kurs steht auch das Peeling – also das Abtragen älterer Hautschichten, um die körpereigene Regeneration anzuregen, was einen verjüngenden Effekt hat.

Laser, Blitzlicht und Kälte. Ähnlich funktionieren Laserbehandlungen, die in den vergangenen zehn bis 15 Jahren perfektioniert wurden. Auch hier werden alte Hautschichten entfernt, um eine Hauterneuerung anzuregen. Die Anwendungsgebiete sind neben dem Gesicht der Hals und das Dekolleté. Etabliert hat sich auch das „Blitzlicht“ – eine Methode, um rote Äderchen und Pigmentflecken zu entfernen. Die klassische Fettabsaugung wird immer öfter von der Kryolipolyse abgelöst. Dabei werden durch die Anwendung von Kälte Fettzellen um bis 25 Prozent reduziert.

In Zahlen

50tausend Eingriffe werden in Österreich jährlich durchgeführt – darunter vor allem Lidkorrekturen, Brustvergrößerungen, Fettabsaugungen und Haartransplantationen.

2500 Brustvergrößerungen zählt die Österreichische Gesellschaft für Plastische, Ästhetische und rekonstruktive Chirurgie pro Jahr allein durch ihre Mitglieder. Die tatsächliche Zahl ist höher.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.01.2016)

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