Kunsthaarprofi: Charlie Le Mindu

Kunsthaarprofi: Charlie Le Mindu
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Zwischen Haute Couture und Haute Coiffure: Charlie Le Mindu lässt aus Köpfen haarige Skulpturen werden.

Er gilt als das unerreichte Enfant terrible unter allen Haarschneidekünstlern, und ein von ihm betriebener Frisörsalon zieht die Menschen wohl auch ohne originellen Frisörsalonnamen (die es bekanntlich zuhauf gibt) in seinen Bann. Im Interview mit dem „Schaufenster“ spricht Charlie Le Mindu über Perücken als Modeaccessoires, Echthaarkleider als Pelzalternativen für Vegetarierinnen und – natürlich – das Frisieren von Rockstars.

Sie machen Kleider aus Echthaar und gelten als Perückenmagier. Gibt es auch irgendwo einen Salon, in dem Sie ganz normal frisieren und Haare schneiden?

Ich bin vor Kurzem nach Paris umgezogen, aber ich habe noch meinen eigenen Salon bei Harrods, in London. Es ist aber gut möglich, dass ich ihn in einen Perücken-Shop umwandle. Dafür eröffne ich wahrscheinlich noch vor Jahresende einen Salon in Paris, das ist aber noch nicht ganz fix.

Sie sind aus Bordeaux, nicht?

Genau, ich bin ursprünglich aus Bordeaux, wo ich im Alter von 13 Jahren eine Lehre begonnen habe. Mit 17 ging ich dann nach Berlin, wo es sich so ergeben hat, dass ich in Nachtclubs Musiker kennenlernte, und nach und nach wurde ich von einigen von ihnen für ihre Auftritte verpflichtet, allen voran Peaches.

Allerdings haben Sie es in Berlin nicht lange ausgehalten . . . ?

Nein, Berlin ist gar nicht die tolle Modestadt, die es gern wäre. Außerdem ist es für mich persönlich ein bisschen zu entspannt, das halte ich nicht lang aus. Ausgehen und Technopartys, das ist ganz in Ordnung, aber mich hat es dann doch nach London gezogen.

Und jetzt Paris. Mögen Sie die Stadt? Es heißt ja, dass Franzosen aus anderen Landesteilen oft ihre liebe Not mit der „Ville-Lumière“ haben.

Doch, doch. Paris ist in Ordnung. Es hat sich in den letzten Jahren auch ziemlich verändert, man ist jetzt offener. Aber mal sehen, wie lange ich es dort aushalte – ich bin ja eher nicht der sesshafte Typ. In jedem Fall erwarten mich ein paar spannende Projekte, zum Beispiel würde es mich wirklich reizen, eine Fernsehshow zu machen.

Welchen Inhalts?

Das Konzept steht schon, wir haben es mit einer Produktionsfirma erarbeitet: So in die Richtung „extreme make-over“ soll es gehen. Wenn das klappt, wäre es natürlich toll. Und danach, so in ein, zwei Jahren, würde ich gern nach New York weiterziehen.

Sie klappern ja wirklich alle Modestädte ab.

Natürlich, ein Großteil meiner Arbeit besteht auch darin, die Frisurenlooks für Fotoproduktionen in Modemagazinen zu produzieren. Alles, was darüber hinausgeht, meine Perückenkollektionen, die Haute Coiffure, das ist eigentlich mehr ein Steckenpferd, das ich aber sehr leidenschaftlich betreibe.

Ihre Kollektionen werden regelmäßig präsentiert?

Ja, ich bin Gastmitglied der Fédération française de la Haute Couture und darf also während der Haute-Couture-Woche meine Kreationen zeigen. Der Schwerpunkt liegt auf meinen Perücken, aber ich mache auch Kleider aus Echthaar. Damit habe ich angefangen, weil einige meiner Kundinnen Vegetarierinnen sind und meinten, sie würden gern etwas Pelzähnliches, von mir Entworfenes tragen.

Woher bekommen Sie das Echthaar?

Dafür habe ich einen Materialsponsor, sogar eine österreichische Firma: Hairdreams aus der Steiermark. In einem Echthaarkleid stecken bis zu 500 Stunden Arbeit.

Das dekontextualisierte Material Echthaar ist aufgrund historisch bedingter Konnotationen nicht unheikel. Haben Sie Kritik geerntet?

Ja, es hat diesbezüglich Vorbehalte gegeben. Manche finden auch ganz einfach das Material ekelhaft. Das kann ich verstehen. Es gibt ja auch Menschen, die absolute Pelzgegner sind, aus wieder anderen Gründen.

Lassen Sie uns über die Haute Coiffure sprechen: Wofür steht der Begriff?

Die Haute Coiffure gibt es schon seit den Neunzigerjahren, und es gibt – natürlich! – auch eine Fédération française de la Haute Coiffure. Allerdings unterscheidet sich meine Auffassung ziemlich von jener der Fédération: Ich finde, ein Haut Coiffeur sollte unheimlich viel Zeit und Arbeit in diesem Bereich aufwenden und nicht einfach nur ein Provinzfrisör sein, der einen Mitgliedsbeitrag bezahlt und deshalb zum Mitglied wird. Leider reicht der Qualitätsanspruch der Haute Coiffure aber nicht an jenen der Haute Couture heran. Ich bin also mit der Haute Couture assoziiert, habe mich aber von der offiziellen Haute Coiffure entfernt.

Wie ist das mit Ihren Rockstar-Kunden? Da gibt es ja einige sehr berühmte Namen.

Ja, wie schon erwähnt, am Anfang stand die Bekanntschaft mit Peaches. Die hat mich dann wieder den B52’s vorgestellt, in London habe ich Florence and the Machine kennengelernt. So kam eines zum anderen. Allerdings reizt es mich überhaupt nicht, wirklich mit einem Star auf Tour zu gehen und jeden Abend die Bühnenfrisur zu zaubern. Das stelle ich mir sehr anstrengend vor. Da mache ich lieber eine Perücke, die ich nach den Abmessungen des Kopfes anfertige, und schicke sie dem Team.

Manche der Perücken erinnern an Hüte, und es gibt umgekehrt Hutkreationen berühmter Modisten, die aussehen wie Perücken. Wird die Perücke zum gängigen Modeaccessoire?

Diese Entwicklung ist im Gange, abhängig von dem Land, in dem man sich befindet. In London haben zum Beispiel fast alle meiner Freundinnen mindestens eine Perücke, die es ihnen ohne großen Aufwand erlaubt, ihren Look komplett zu verändern. Und zwar durchaus auch für tagsüber, dabei geht es nicht immer um ausgefallene Frisuren und Haarskulpturen.

Sie sagten einmal, dass Sie gern eine Perücke für Cher machen würden. Haben Sie schon das neueste Video zu ihrem Song „Woman's World“ gesehen? Da verbindet sich ja Ihr Metier mit dem meinen, schließlich trägt sie eine Perücke aus Zeitungspapier.

Also ehrlich gesagt, ich weiß nicht, was ich davon halten soll. Das Video an und für sich ist natürlich schrecklich. Hingegen finde ich die Idee wieder gar nicht so unlustig. Und Cher, ja, natürlich, für einen Perückenmacher ist sie eine Traumkundin. Es heißt ja, dass sie der Star mit der größten Perückensammlung der Welt sein soll. Gefolgt von Beyoncé und Céline Dion. Und da ist mir Cher doch mit Abstand die Liebste.

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