Mascaras: Nichts zu vertuschen

(c) APA (MODELSHOT CLINIQUE HERBSTLOOK 20)
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Länger, dichter, schöner geschwungen: Das alles sollen Wimpern sein. Entsprechend viele Stückchen spielen aktuelle Mascaras.

Ohne Wimperntusche außer Haus gehen? Glaubt man einschlägigen Umfragen, erscheint diese Vorstellung den meisten Frauen ungefähr so angenehm wie ein Oben-ohne-Besuch im Diskontsupermarkt. Mascara zählt zweifellos zu den beliebtesten Kosmetikprodukten überhaupt. Entsprechend groß – und umkämpft – ist der Markt. Umsatzzahlen hütet die Industrie freilich wie den eigenen Augapfel, vage Angaben über Verkaufszahlen (der Klassiker „Great Lashes“ von Maybelline etwa soll schon im Jahr 2000 gut dreißig Millionen Mal verkauft worden sein) lassen aber doch verständlich erscheinen, dass die Hersteller stets auf der Suche nach bahnbrechenden, sprich: verkaufsträchtigen Innovationen sind.



Dabei liegt das Augenmerk nicht unbedingt auf einer vollständigen Neuformulierung des Produkts; tatsächlich hat sich die Zusammensetzung der beliebten Tusche in den vergangenen 50 Jahren nur minimal verändert. Wichtigster Grundinhaltsstoff bleibt Wasser (mit rund 60 Prozent), dazu kommen üblicherweise Filmbildner, die die Form fixieren, Wachse für Geschmeidigkeit, färbende Pigmente sowie Konservierungsstoffe und Alkohol. Eines der hartnäckigsten Gerüchte besagt, dass das in Wimperntusche für den Glanz eingesetzte Guanin aus Fledermauskot hergestellt werde. Klingt gut, stimmt aber nicht.

In Wirklichkeit setzen Kosmetiklabels auf Hightech. So verwendet Calvin Klein etwa für seine „CK one color Volumizing Mascara“ eine innovative Lycratechnologie, die die Wimpern stark verdichten soll. Yves Saint Laurent setzt mit „Mascara Volumen Effet Faux Cils“ auf Nylonpartikel und einen pflegenden Conditioner-Film mit Ölen und Provitamin-5-Komplex. Auch hier wurde die seit 15 Jahren erfolgreiche Originalrezeptur des Klassikers kaum verändert: „Wir haben die ursprüngliche Formel nicht angetastet, sondern ihr lediglich ein pflegendes Element hinzugefügt“, erklärt Caroline Nègre, Leiterin Wissenschaftliche Kommunikation YSL Beauté.

Liebes Lid. Bei Givenchys „Noir Couture Volume“ wiederum soll Keratin, das mit Silizium-Mikrokügelchen gefüllt ist, für viel Volumen sorgen und die Wimpern gleichzeitig schützen und stärken. Und auch bei Clinique gibt es Neuigkeiten aus dem Labor: Dank einer neuen Zuckertechnologie, die ähnliche Eigenschaften wie Honig aufweist, sollen die Wimpern beim Einsatz von „Lash Power Feathering Mascara“ regelrecht in die Länge gezogen werden. Die Technologie wurde ursprünglich für den asiatischen Markt entwickelt, wo Frauen vor allem mit hoher Luftfeuchtigkeit, aber auch mit ihren sehr geraden Wimpern zu kämpfen haben.

„Be Long Mascara“ von Clarins wiederum vereint die Vorteile einer Wimperntusche mit denen eines Pflegeserums. Ein spezieller Wirkstoffkomplex soll das natürliche Wachstum der Wimpern unterstützen und anregen. In Zahlen: Nach vierwöchiger Anwendung sollen die Wimpern um 1,1 Millimeter länger geworden sein, was bei durchschnittlicher Wimpernlänge einer Wachstumsrate von stolzen zehn Prozent entspricht.

Die wahren, echten Innovationstreiber im Wimperntuschenbereich sitzen aber nicht im Labor, sondern im Designbüro, genauer: in der Bürstengestaltungsabteilung. Hier sind echte Neuerungen durchaus möglich, der spektakulärste Wurf der vergangenen Monate ist dabei wohl Lancôme gelungen. Die Marke hat für ihre neue Mascara „Grandiôse“ den Schwanenhals™-Applikator erfunden, der sich mit einer Neigung von 25 Grad den Gesichtskonturen anpassen soll, ohne beim Tuschen an den Wangenknochen, der Nase oder dem Brauenbogen hängen zu bleiben.

Nathalie Berger-Duquêne, Directrice Marketing International Make-up Lancôme, erklärt: „Das Auge ist das multidimensionalste Element des Gesichts, und aufgrund seiner Rundungen sind einige seiner Zonen schwer zu erreichen. Diese Komplexität wurde von den Lancôme-Augenexperten studiert, indem sie bei Make-up-Workshops Mascara-Verwenderinnen beobachtet haben, um so ganz präzise zu eruieren, wo ihre Schwierigkeiten liegen, und dafür völlig neue Lösungen anzubieten.“

Benutzerinnen, die sich in Wimpernangelegenheiten nicht zwischen Volumen und Länge entscheiden mögen, bietet Calvin Klein seine „CK one color Signature Mascara“ an. Durch eine Drehung an der Verschlusskappe verändert sich die Beschaffenheit der Bürste und somit das Tuschergebnis. Der patentierte Hightech-Applikator von Sisleys „Mascara So Intense“ hingegen ist gleich gar nicht mehr Bürste, sondern eine Art Kamm, der die Tusche – mit vitaminangereichertem Peptid – auf die Wimpern zieht und sie somit deutlich separieren soll.

Auch der „Studio Sculpt Lash“ von Mac Cosmetics verzichtet auf Borsten und schminkt mit einem Bürstchen, das mit nur zwei Kammreihen aus stabilem Kunststoff jede Wimper einzeln mit schwarzcremiger Textur umhüllen soll. Ein Hybrid aus beidem ist der neue Applikator von Helena Rubinsteins Klassiker „Lash Queen Mystic Blacks“: Eine Bürstenseite soll Volumen am Wimpernansatz erzeugen, eine zweite die Längen trennen. Und Maybelline arbeitet beim neuen Produkt „Lash Sensational“ mit einer Wimpernentfalterbürste: Eine Kombination aus sechs verschieden langen Borsten soll für einen dichten Wimpernfächer sorgen.

Augen auf bei der Farbe. Das mysteriöse Vantablack, das britische Wissenschaftler kürzlich aus Kohlenstoff-Nanoröhrchen entwickelt haben und das als dunkelster Farbton der Welt gilt, soll zwar leider nur zu militärischen Zwecken und in der Raumfahrt zum Einsatz kommen, aber die Mascara-Industrie hinkt der Raketentechnik zum Glück nicht weit hinterher. Ständig tüftelt sie an Technologien, die Schwarz noch schwärzer und – vor allem – intensiver machen sollen.

Dior etwa konzipierte für seine „Addict It-Lash“-Mascara eine Formel aus Wachsen und einer Gelbasis mit besonders intensiver Pigmentierung. Das Produkt gibt es übrigens nicht nur in It-Black, sondern auch in entsprechend intensivem Pink, Violett und Blau (unvergessen: Prinzessin Dianas Wimperntuschen-Lashes in Ultramarin!). Estée Lauders „Little Black Primer“ färbt dagegen nur ganz dezent und ist als Primer oder Topcoat – aufgetragen unter oder über der normalen Wimperntusche – zu verstehen.

Eine Warnung zum Schluss: Wunder können selbst die famosesten Formeln und brillantesten Bürsten nicht garantieren; manches bleibt auch in der Wimpernwissenschaft Science-Fiction. Nicht einmal die trendigsten Hightech-Mascaras können jedem x-beliebigen Auge Hollywood-Wimpern in XXL garantieren. Ein dunkles Geheimnis deckte diesbezüglich etwa der amerikanische Werberat auf: Er beschwerte sich vor Kurzem über Werbemotive, auf denen Models wie Freja Beha Erichsen, die Sängerin Taylor Swift oder die Schauspielerin Natalie Portman für Mascaras werben – und dabei künstliche Wimpern tragen.

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