Beautycon-Festival: Schminken statt Fußball

(c) Simone Steenberg
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Wie Millennials in Beauty-Angelegenheiten ticken, lässt sich auf dem Beautycon-Festival gut beobachten. Veranstalterin Moj Mahdara sieht Fankultur als Schlüssel zum Erfolg.

Anti-Aging-Produkte sucht man hier eher vergeblich. Dafür bieten die Aussteller auf der Beautycon-Publikumsmesse nach Erdbeeren duftenden Gelnagellack feil, lockenentwirrende Shampoos und ganz, ganz viel „Glitter“ für das Gesicht. Zielgruppe dieser Shopping-Entertainment-Veranstaltung sind die von der Luxus- und Lifestyle-Industrie derzeit so heiß umworbenen Millennials bzw. gar die noch jüngere Nachfolgegeneration, die bis auf Weiteres als „Generation Z“ firmieren darf. Überhaupt glitzert es in der London-Olympia-Veranstaltungshalle vielerorts, wie auch in gefühlt jedem zweiten Ausstellerlogo zumindest ein Einhorn (das Fabelwesen der Stunde) prominent zu finden ist. Die Beautycon, ersonnen in Los Angeles, expandierte mit ihrem „Mach dich schön, fühl dich wohl“-Konzept zunächst nach New York. Mittlerweile gibt es auch Termine in London und Dubai. Weitere Länder und Metropolen sollen folgen, doch dazu später mehr.

Ratlose Elternteile. Wer sich eine Eintrittskarte kauft und diesem Kosmetik-Entertainment-Hybrid einen Besuch abstattet – oft von einem verwunderten bis leidenden Elternteil begleitet (besonders schwer haben es die Väter, wenn man nicht nur Geschlechterklischees, sondern den beobachtbaren Gesichtsausdrücken glauben darf) –, bekommt Einkaufsgutscheine, die bei den Ausstellern gegen Warenproben eingetauscht werden können. Das führt zu unverdrossen durch die Olympia-Halle mäandernden und genau getakteten Warteschlangen. Im Idealfall bleibt jemand an einem Stand hängen und lässt sich in die Welt eines Anbieters einführen.

„Schaut euch unsere Insta-Storys an, um he­rauszufinden, wie ihr an Gratiszeug kommt“, steht auf an die Wände geklebten Zetteln. Die Beautycon-Community ist also auch auf Schnäppchenjagd in die Veranstaltungshalle gekommen. Die grausamste Trennlinie unterscheidet jedoch zwischen denen, die sich ein einfaches Ticket gekauft, und denen, die tiefer in ihre Taschengeldlade gegriffen haben, um sich mit einer teureren Karte Zutritt zur Social-­Media-Lounge zu verschaffen.

Dort nämlich, in einem mit blauen Bändern halbherzig von der restlichen Ausstellungsfläche abgetrennten Bereich, pulsiert das Herz der Millennial-Beautykultur. Aufgeregte junge Mädchen stehen Schlange, um in die erste Reihe bei einem Influencer-Meetup zu kommen und so auch in den Genuss des ultimativ erstrebenswerten Fotos: Ein Selfie mit einem der Youtube- oder Insta­gram-Stars, die miteinander einige Millionen Fans für sich verbuchen können, muss es sein. Darum ist es auch egal, dass die Lounge keinen Sichtschutz hat und jeder zusehen kann, wer mit wem vor der glitzernden Fotowand im Hintergrund posiert. Ein aus der Beobachterposition geschossenes Foto ist wertlos. Das einzig wirklich kostbare Souvenir – um vieles kostbarer als duftender Nagellack oder glitzernde Make-up-Artikel – ist ein Porträtfoto mit dem am meisten bewunderten Vlogger.

Daran ändert naturgemäß die Tatsache wenig, dass unbedarfte Elternteile einander vor der Social-Media-Lounge oder unweit der Fotowand für VIPs zuraunen: „Kennst du irgendjemanden von all diesen Leuten?“ Was zählt, sind nämlich die Pläne schmiedenden Stimmen von gerade einmal ins Teenie-Alter hineinragenden Besucherinnen, die kein Ticket mit Selfie-Option bekommen haben und sich überlegen, wie sie ihre Lieb­lingsinfluencerin dennoch für ein Foto gewinnen können: „Wir müssen es schaffen, mit ihr zu reden.“ Wenn die Beatles vor ihr Publikum traten, war die Begeisterung wohl auch nicht viel größer. Entsprechend verwundert zeigen sich Beautycon-Mitarbeiter über das geringe Aufgebot an Securitys: „In Los Angeles brauchen die bekanntesten Beauty-Influencer längst eigene Bodyguards, wenn sie auf die Straße gehen.“

„Männer haben Sport“. Diese Art von Fankultur als Destillat des berauschenden Shopping-Erlebnisses ist das Herz des Beautycon-Messe­formats, wie es dessen Leiterin Moj Mahdara sieht. Die Amerikanerin mit iranischen Wurzeln und „begeisterte Unternehmerin“ stieß nach Erfahrungen in anderen Branchen zur Kosmetik, weil ihre Recherchen über vielversprechende Wirtschaftszweige sie auf das große Interesse für Beautythemen in digitalen und Social-Media-Kanälen stießen ließen. „Ich interessiere mich für alles, was die Begeisterung von Menschen hervorrufen kann. Männer haben Sport, Frauen sollen Beauty als Domäne ihrer Fankultur haben.“

Mahdara, die selbst keine Kundin der auf ihrer Beautycon-Messe ausstellenden Marken ist, sieht einen Unterschied zwischen dem Heute und dem Gestern der Beautybranche. Früher sei es, sagt sie, in erster Linie um das Hervorheben und Wettmachen von Makeln gegangen. „Heute geht es um Macht und Selbstbestimmtheit von Frauen – auch mit Make-up.“ Rihanna und Beyoncé haben zu diesem Wandel beigetragen, ist sie überzeugt. Um das Festivalformat weiterzuentwickeln („heute ist unser Thema Beauty, morgen könnte es Gesundheit und Wellness sein“) ist Mahdara in Kontakt mit Interessenten aus neuen Märkten getreten. „Wir sind derzeit in Gesprächen mit potenziellen Partnern in Paris und Berlin. Außerdem gibt es Angebote, die Beautycon nach Malaysia und Südkorea zu bringen.“ Was allerdings passiert, wenn dieser glitzernde Starrummel im kosmetikversessenen Seoul aufschlägt, kann man sich nicht einmal in den kühnsten Beautyträumen ausmalen.

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