Parfums: Duftende Dramen

(c) Christine Pichler
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Parfums, die Bände sprechen – von Gift, Neid und gar dem Teufel.

Manche mögen die floralen, andere wieder die orientalischen Kompositionen lieber. Wieder andere verzichten ganz auf sie. Im Normalfall hält sich das Streitbarkeitspotenzial von Parfums aber in Grenzen. Einen Skandal, wie ihn der 1977 lancierte Duft „Opium“ von Yves Saint Laurent auslöste, hat es jedoch kein zweites Mal gegeben. Freilich war nicht die olfaktorische Komposition selbst (diese sollte in der Folge übrigens stilbildend werden) die Ursache der großen Aufregung, die sich besonders in den USA breitmachte. Nein, bloß der Name – verbotenes Rauschgift, kombiniert mit der ostasiatischen Aufmachung des Flakons – löste einen Aufschrei der Empörung aus. Besonders eine Gruppe von in Amerika lebenden Chinesen protestierte gegen die vermeintliche Verharmlosung von Drogensucht und Gleichgültigkeit gegenüber historischen Tatsachen wie den Opiumkriegen. Die Proteste verklangen, der Rest ist Parfumgeschichte.

Dass bei der Parfumtaufe über derlei Skandalträchtiges hinaus eine mitunter geradezu poetische Ader nicht zu kurz kommt, liegt wohl in der Natur der edlen Sache. Und die Namensfindung war spätestens ab Beginn der modernen Parfumerie wichtig: Das erste „Chypre“ von François Coty etwa wurde wie auch die „Fougère Royale“ von Houbigant zum Paten einer Duftkategorie. Paul Poiret benannte seine „Parfums de Rosine“ nach seiner Tochter, und „Shocking“ von Elsa Schiaparelli (Liebhaber hoffen, dass es im Zuge der Wiederbelebung des Couture-Hauses auch zu einer Neuauflage der Düfte kommen wird) war in puncto Schockwirkung wohl ein früher Vorläufer von Saint Laurents „Opium“.

Die Schöngeistigkeit von Jacques Guerlain lässt sich wiederum daraus ablesen, dass er dem Romancier Antoine de Saint-Exupéry einen Duft widmete und ihn zugleich nach dessen Roman „Vol de Nuit“ nannte. Fast literarischen Charakter nehmen auch die Beschreibungen an, die der Duftzauberer Serge Lutens für seine Kompositionen vorlegt. Der ungewöhnliche Name des neuesten Lutens-Duftes, „Laine de Verre“, unterstreicht den Charakter dieser metallischen, frischen Kreation im klassischen Art-déco-Flakon. Auf den Erfolg von „Opium“, das, wie man oft hört, in den späten Siebzigerjahren fast erstickend präsent war, antworteten in den Achtzigern ähnlich kühne Duftkonzepte. Eines von ihnen ist der Tuberosenklassiker „Poison“ von Dior, der in den späten Neunzigern als „Hypnotic Poison“ aktualisiert wurde (seit diesem Jahr gibt es ein von François Demachy kreiertes Eau de Parfum). Auch der Gucci-Duft „Envy“, der Ende der Neunziger die Gefühlslage der damals von Tom Ford geleiteten Luxusmodemarke einfing, spielt wie „Opium“ und „Poison“ mit ambivalenten Gefühlen.

Gemischte Gefühle.
Auf seinen ob völliger Neuartigkeit für viele Parfumliebhaber verstörenden (und eben gar nicht engelhaft wirkenden) ersten Duft „Angel“ ließ Thierry Mugler später das Parfum „Alien“ folgen: So fremdartig, wie der Name nahelegte, war dieses extraterrestrische Geschöpf aber gar nicht.

Gefallen und doch auffallen: Besonders für Anbieter, die sich im sogenannten Nischensegment positionieren und mit einer außergewöhnlichen Produktpalette locken wollen, ist das „olfaktorische Narrativ“ bedeutsam. Auch hier wird gern mit dem Feuer gespielt, offenbar erhofft man sich von Anspielungen auf Verbotenes einen gesteigerten Faszionationsgrad. Stellvertretend für andere könnte man in diesem Zusammenhang die an und für sich recht liebliche erste Kreation des belgischen Parfumeurs Louison Libertin, „Indiscrète“, nennen. Auch „The Infidels“ der schwedischen Nischenmarke Agonist führt eine nicht in allen Belangen beispielhafte Truppe von Namenspatronen vor. Was Kilian Hennessy für die Benutzung seiner offenbar sündigen Kreation „Play With the Devil“ vorschwebt, muss nicht weiter kommentiert werden. Herausfordernd gibt sich wieder die Wienerin Nana de Bary mit „I Dare You“ aus ihrer Liaison-de-Parfum-Kollektion. Sollte man es nach all diesen Aufforderungen zu irrigem Tun zu weit getrieben haben, kann als ausgleichender Abschluss bloß noch auf eines gehofft werden − dass Milde walten möge. Oder, um es mit dem deutschen Duftduo Humiecki & Graef zu sagen, „Clemency“.

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