Francis Kurkdjian: Guter Riecher

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Francis Kurkdjian gilt als das Wunderkind der Parfumerie und nimmt sich kein Blatt vor den Mund, wenn er von seiner Branche spricht.

Vor zwanzig Jahren – da war er selbst erst zarte 25 – kreierte Francis Kurkdjian mit „Le Mâle“ für Jean Paul Gaultier einen Klassiker und Kassenschlager. Seitdem gilt er als eine Nachwuchshoffnung in der traditionellen französischen Parfumerie. Dass er Parfumeur werden wollte, stand für Kurkdjian übrigens schon fest, als er Teenager war – entsprechend konsequent hat er seitdem seinen Weg verfolgt.

Man hat Sie schon das Wunderkind der Parfumerie genannt: Schmeichelt Ihnen so etwas?
Um ehrlich zu sein, lese ich eher die kritischen Artikel als die allzu schmeichelhaften. Am meisten ärgert es mich ohnehin, wenn in den Medien falsche Informationen auftauchen.

Ihr Name ist in der Branche bekannt: Hat das Auswirkungen auf Ihre Arbeit?
Aus diesem Bekanntheitsgrad ergeben sich Rechte und Pflichten, würde ich sagen. Was es an zusätzlichen Rechten gibt, oder meinetwegen an Vorteilen, wird dadurch aufgewogen, dass ich verpflichtet bin, sehr genau aufzupassen, mit wem ich zusammenarbeite und wie diese Zusammenarbeit verläuft. Außerdem muss ich mich, sobald ich in einem Interview als zu kritisch zitiert werde, gegenüber etwaigen Auftraggebern rechtfertigen.

Es scheint so, als habe sich die Rolle des Parfumeurs in den vergangenen Jahren verändert: Gibt es mehr Aufmerksamkeit, größeres Interesse der Öffentlichkeit?
Ich würde sogar sagen, dass ich großen Anteil an der oft beschworenen Emanzipation der neuen Parfumeursgeneration hatte. In der Mode sind es die Designer, in der Gastronomie die Köche – und in meiner Branche eben die Parfumeure, denen die Neugier der Konsumenten gilt und die von ihrer Arbeit berichten sollen. Das ist schon deshalb logisch, weil ja wir die Parfums zusammenstellen und darum viel mehr über sie erzählen können als die Marketingabteilungen, die sich irgendetwas zusammenreimen. Wie gesagt, meiner Meinung nach habe ich gemeinsam mit anderen eine nicht unwichtige Rolle gespielt: Weil ich einer jüngeren Generation angehöre, und weil ich etwas zu sagen habe.

(c) Beigestellt

Reüssieren heute eher Parfumeure, die auch gut auftreten und gut sprechen können?
Wie in allen Berufen gilt: Wer es schafft, klar und eingängig in Worte zu fassen, worin seine Tätigkeit besteht, wird sich leichter hervortun. Ich unterrichte außerdem seit zehn Jahren an der berühmten Isipca in Versailles: Allein das hat es für mich notwendig gemacht, mich im Verbalisieren der Duftkomposition zu üben.

Und die „Fragrance Revolution“, die angeblich von dem Buchautor Luca Turin ausgelöste Revolutionierung der Art, über Parfums zu sprechen, hat diese Ihrer Meinung nach wirklich stattgefunden? Auf jeden Fall ist es so, dass durch Luca Turin etwas ausgelöst wurde. Allerdings hat er auch einfach das Glück gehabt, eine bestimmte Position in unserer Branche besetzen zu können, die es zuvor nicht gegeben hat. Heute ist er nicht mehr der Einzige, dessen Stimme zählt. Und auch wenn er sich ein bisschen mit Parfums auskennt, würde ich keineswegs sagen, dass er ein großer Parfumerie-Experte ist. Auf jeden Fall niemand, dessen Stimme für uns Parfumeure besonderes Gewicht hat. Die am lauteten schreien, haben nicht unbedingt automatisch recht.

Wie verhält es sich mit dem Rhythmus der Neulancierungen: Werden mehr Düfte auf den Markt gebracht als früher, rentiert sich das für die Marken?
Natürlich rentiert sich das, sonst würden sie sich ja nicht an dieser Entwicklung beteiligen. Das ist ein bisschen wie im Fußball: Ein Spielerwechsel kostet ein Heidengeld, unter dem Strich bringt er den Klubs, die sich neue Talente einkaufen, aber offenbar noch mehr an Einnahmen. Wenn ununterbrochen neue Parfums auf den Markt kommen, ist es dasselbe.

Das ist also kein neues Phänomen?
Keineswegs. Die meisten haben nur einfach kein Erinnerungsvermögen. Auch ein so traditionsreiches Haus wie Guerlain hat schon immer mehrere neue Düfte pro Jahr auf den Markt gebracht. Und wenn nur eines davon sich etablieren konnte, war das viel. Das ist heute nicht anders. Schade finde ich einzig, wie wenig man von den Möglickkeiten Gebrauch machen kann, die theoretisch zur Verfügung stehen. Es gibt um ein Vielfaches mehr Inhaltsstoffe als früher, aber die meisten kommen nicht zum Einsatz. Hier würde ein wenig mehr Mut nicht schaden.

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