„Poison“: Neuerzählung einer Legende

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Die Duftfamilie von Diors „Poison“ wächst. Die ursrpüngliche Parfumgeschichte wird über Umwege fortgeschrieben.

Die gute Nachricht zuerst – oder die schlechte? Wobei das in diesem Fall gar nicht so einfach ist, denn, wie heißt es so schön: „Des einen Freud’, des anderen Leid.“ Anna Wintour, die Chefin der amerikanischen „Vogue“, wird zum Beispiel nicht besonders „amused“ über die Tatsache sein, dass der neue Damenduft von Dior, „Poison Girl“, das Verwandtschaftsverhältnis zu seinem legendären Vorgänger „Poison“ nur auf der Ebene der Äußerlichkeiten auslebt. Frau Wintour bezeichnet nämlich die Tuberose als ihre Lieblingsblume (was nun wieder Rückschlüsse auf ihren Charakter zuließe), und „Poison“ ist, in seiner 1985 lancierten Variante, der wahrscheinlich berühmteste und am weitesten verbreitete Tuberosenduft.

Verbotene Frucht. So sah man „Poison“ in den Achtzigern. Und es roch entsprechend opulent.
Verbotene Frucht. So sah man „Poison“ in den Achtzigern. Und es roch entsprechend opulent.(c) Beigestellt

Diese weiße Blume, hierzulande kein klassischer Vasenaufputz, verbreitet einen sehr intensiven Duft. Für Parfumkritiker Luca Turin gehört darum „Poison“ auch zu den markantesten Kompositionen der Achtzigerjahre. Sein Urteil: „Jeder Parfumsammler sollte ,Poison‘ besitzen; tragen Sie es aber bitte niemals bei einer Dinner-Einladung.“ Tatsächlich möchte man sich nicht ausmalen, wie ein – in den Achtzigern nicht unplausibles – olfaktorisches Death-Match aus, sagen wir, „Opium“- und „Poison“-Schwaden ablaufen könnte.

Blondes Gift. Im TV-Spot gibt sich Model Camille Rowe kämpferisch und aufmüpfig.
Blondes Gift. Im TV-Spot gibt sich Model Camille Rowe kämpferisch und aufmüpfig.(c) Beigestellt
Pink. Tonkabohnen, Vanille und Rosen in „Poison Girl“.
Pink. Tonkabohnen, Vanille und Rosen in „Poison Girl“. (c) Beigestellt

Ade, Tuberose! Auch die Hausnase von Dior Parfums, François Demachy, hatte offenbar wenig Interesse daran, die Tuberose für die Gegenwart zu aktualisieren: Seine neu lancierte Variante, das knallpinke „Poison Girl“, steckt zwar in einer ähnlichen Hülle, damit hat die Angelegenheit sich aber auch weitgehend erledigt. Heute darf die Tuberose nicht einmal unter den Nebendarstellern auftauchen (wobei man Demachy Recht geben muss: Eine untergeordnete Rolle kann diese Blume ohnehin nicht spielen), und „Poison Girl“ ist laut Hersteller eine bittersüße Kombination. Das Herbe von sizilianischen Bitterorangen ist allerdings nur bei genauem Hinriechen zu erkennen, sonst dominieren von Anfang an Gourmand-Noten – etwa Tonka und Vanille – im Dialog mit Mairosen aus Grasse und Damaszener-Rosen. Doch auch das ist ein Statement, und eines, das gar nicht falsch ist: Was die Tuberose den Achtzigerjahren war, ist der Gegenwart ein floraler Gourmandduft.

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