Christine Nagel: „Wie ein Trapezkünstler“

(c) Philippe Jarrigeon
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Hermès hat eine neue Hausparfumeurin: Christine Nagel feiert ihre Premiere mit einem knalligen Rhabarber-Cologne.

Es gibt sie in jeder Branche: die Traumjobs, die jeder ergattern möchte — weil die Arbeitsbedingungen besonders gut sind, das Renommee außerordentlich groß ist und womöglich auch das Salär. Ohne freilich den Lohnzettel von Christine Nagel vorgelegt zu bekommen kann sich das Gegenüber der neuen Hausparfumeurin von Hermès ihres großen Respekts gegenüber dieser neuen Aufgabe gewiss sein. Vor bald zwei Jahren wurde sie von dem Maison mit Stammsitz an der Rue du Faubourg Saint-Honoré nämlich als gleichberechtigte Kollegin und, dereinst, Nachfolgerin von Jean-Claude Ellena auserkoren. Und während Ellena zu jenem kleinen Kreis von Parfumeuren gehört, die seit den Achtzigerjahren diesem Kunsthandwerk neue Sichtbarkeit verleihen konnten, wird es nun an Christine Nagel sein, an diese Errungenschaften anzuknüpfen und ihre eigenständige Position zu entwickeln.

Stilübung. Christine Nagel wird künftig die Hausparfumeurin von Hermès sein.
Stilübung. Christine Nagel wird künftig die Hausparfumeurin von Hermès sein.(c) Benoit Teillet

Ein Wunsch wird wahr. Die gebürtige Schweizerin mit Wohnsitz in Paris wurde aber natürlich nicht aus dem Nichts auf diesen Posten berufen, vielmehr errang sie in den vergangenen zwanzig Jahren die Anerkennung ihrer Kollegen. Mit Jean-Claude Ellena, der bis auf Weiteres noch an Christine Nagels Seite arbeiten wird, hatte sie zwar kein gemeinsames Projekt umgesetzt – es gab aber Berührungspunkte: „Kurz nach meiner Ankunft in Paris habe ich die Ausschreibung für ,Eau de Cartier‘ gewonnen. Jean-Claude, der zuvor ,Déclaration de Cartier‘ kreiert hatte und ebenfalls an der Ausschreibung beteiligt war, nahm mir das richtiggehend übel, lobte mich aber für meinen Duft. Das war unser erster persönlicher Berührungspunkt.“
Dass sie eines Tages der Ruf von Hermès erreichen würde, war, so Christine Nagel, einer ihrer größten Wünsche. „Irgendwann fragte ich mich, was passieren müsste, damit ich in meinem Beruf noch glücklicher sein könnte. Und die Antwort war einfach: die Hausparfumeurin eines Maisons zu werden – und zwar nicht irgendeiner Marke, sondern von Hermès.“

Dass dieser Traumberuf näherrücken könnte, begann Christine Nagel nach einem Treffen mit der damaligen Präsidentin der Parfumsparte von Hermès zu ahnen: „Sie sagte, ich sollte vorerst keine anderen Verpflichtungen eingehen – das war eine erste Vorahnung für mich.“ Diese verdichtete sich, als sie in das südfranzösische Cabris eingeladen wurde, wo Ellena werkt und wirkt. „Ich kann mich noch ganz genau erinnern, wie das war: Er hat sich zu mir gebeugt und mich leise gefragt: ,Wie würde es dir gefallen, hier an meiner Seite zu arbeiten?‘ Sie können sich gar nicht vorstellen, wie schnell mein Herz zu schlagen begann!“

Untypisch. „Eau de Rhubarbe Écarlate“ heißt Christine Nagels erstes Cologne für Hermès (100 ml um 92 Euro).
Untypisch. „Eau de Rhubarbe Écarlate“ heißt Christine Nagels erstes Cologne für Hermès (100 ml um 92 Euro).(c) Philippe Jarrigeon

Surprise! Das war Ende 2013, und vor Kurzem wurde das erste Duftdoppel, das Christine Nagel und Jean-Claude Ellena parallel kreierten, vorgestellt. Es handelt sich um zwei Eau de Colognes – ein Genre, das Christine Nagel nach jahrelanger Tätigkeit für Jo Malone überaus vertraut ist und mit dem sie spielerisch umgeht. Eine Stilübung nennt sie die Komposition eines Colognes, wobei es in die experimentelle Richtung geht, wenn das Cologne von der klassischen Zitrusstruktur abweicht: „Es ist wie bei einem Trapezkünstler im Zirkus, wissen Sie? Je leichter und müheloser etwas aussieht, desto perfekter muss die Technik beherrscht werden. Bei einem Eau de Cologne ist es nicht anders.“

Während Jean-Claude Ellenas parallel lanciertes „Eau de Néroli Doré“ sehr klassisch und reduziert ist – herbes Neroli, kombiniert mit einer Idee von Safran –, hat Christine Nagel die Zitrusfamilie völlig unangetastet gelassen und sich für scharlachroten Rhabarber („Rhubarbe Écarlate“) entschieden. „Als man mich zu Hermès holte, erwartete man sich von mir etwas Bestimmtes – und ich glaube, das war unter anderem die Fähigkeit, andere zu überraschen“, konstatiert Christine Nagel. Und in der Tat ist dieses neue Hermès-Cologne nicht nur überraschend, sondern auf eine humorvolle Weise auch prickelnd.

Die passionierte Gärtnerin Nagel ließ sich von konkreten Sinneseindrücken leiten: „Es war der Moment, in dem man den Rhabarber bricht, das Fruchtfleisch plötzlich aufplatzt und sich der Geruch entfaltet. Darum habe ich an Duft und Textur zu arbeiten versucht.“ Mit diesem Ansinnen ist ihr in der Tat eine Überraschung gelungen, und wenn diese „Rhubarbe Écarlate“ ein Vorgeschmack auf künftige Hermès-Düfte ist, darf man ihnen mit Vorfreude entgegenblicken – oder besser – -schnüffeln.

Eine Reise zur Duftpräsentation in Paris erfolgte auf Einladung von Hermès.

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