Proenza Schouler: „Wir folgen unseren eigenen Regeln“

Tête-à-Tête. Lazaro Hernandez (l.) und Jack McCollough lancierten ihr Label 2002.
Tête-à-Tête. Lazaro Hernandez (l.) und Jack McCollough lancierten ihr Label 2002.(c) Peter Lindbergh
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Ihr Label Proenza Schouler genießt Kultstatus: ein Gespräch mit Lazaro Hernandez und Jack McCollough über Pariser Couture, kreative Prozesse und die Wüste von Arizona.

Mit ihrer neuen Vorstellung eines jugendlich-amerikanischen Looks, der dem Zeitgeist der frühen Nullerjahre entsprach, konnten sich Lazaro Hernandez und Jack McCollough, zwei Absolventen der Parsons School of Design in New York, relativ rasch in der schnelllebigen Modebranche der USA Gehör verschaffen. Dass der Tochter von US-„Vogue“-Chefin Anna Wintour, Bee Shaffer, ihre Entwürfe gefielen, war wohl ebenfalls kein Nachteil. 2002 gründeten Hernandez und McCollough ihre eigene Marke, die sie nach den Geburtsnamen ihrer Mütter benannten (und die man am besten von einem der beiden ausgesprochen hören sollte). Seit Kurzem verzichten die beiden auf das Entwerfen von Zwischenkollektionen und sind mit ihrem Defilee aus New York nach Paris übersiedelt. Das „Schaufenster“ traf die Designer in London, wo sie ihr erstes Parfum präsentierten.

Als Sie 2002 begannen, als Proenza Schouler Mode zu machen, gab es ein kleines Vakuum in der amerikanischen Mode: Die coolen Marken der Eighties waren zu Giganten geworden, der Nachwuchs fehlte. Sind Sie mittlerweile aufgerückt und selbst Teil des Establishments geworden?
Lazaro Hernandez: Das kann man wahrscheinlich so sagen, denn das ist das unabwendbare Ergebnis eines Prozesses, der unweigerlich abläuft. Genauso, wie man sich als Individuum weiterentwickelt und mit Mitte, Ende 30 kein Anfänger mehr in seinem Job ist, sondern ein Mid-Career-Level erreicht hat. Wenn wir uns in New York umschauen, dann gibt es heute auf jeden Fall wieder neuen Nachwuchs, der uns nachgefolgt ist. Für uns ist es hingegen an der Zeit, uns zu überlegen, was wir noch erreichen wollen. Der Schritt mit unserer Kollektionspräsentation nach Paris gehört dazu. Und die Zusammenarbeit mit L’Oréal für die Lancierung unseres ersten Parfums ist ein anderer Puzzlestein in dieser Phase unserer Entwicklung gewesen.

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Was hat den Schritt motiviert, die Kollektion nicht in New York, sondern in Paris und während der Haute-Couture-­Woche zu zeigen? War das ein politisches Statement?
Jack McCollough: Man kann das wohl auf unterschiedliche Arten deuten. Ich glaube, für uns war es einfach an der Zeit, über Veränderung nachzudenken. Wenn man einmal 15 Jahre lang dem gleichen Rhythmus unterworfen war und immer am selben Ort gezeigt hat, bekommt man Lust, ein bisschen auszubrechen. Es geht darum, nicht zu bequem zu werden. Und der Schritt nach Paris war eine neue Herausforderung für uns. In der Mode ist Paris ohnehin ein fast legendärer Ort, und dann die Haute-­Couture-Woche: Sie steht noch immer dafür, dass Paris sich die Welthauptstadt der Mode schimpfen darf. Als die Chambre syndicale de la haute couture mit ihrer Einladung auf uns zugekommen ist, haben wir die Gelegenheit ergriffen, etwas in der Funktionsweise unseres Labels zu verändern.
Hernandez: Wir hatten uns immer wieder darüber unterhalten, wie wichtig die Zwischenkollektionen, also Pre-Fall und Cruise sind, und wie gut sie sich im Vergleich zur Hauptkollektion verkaufen. Auf der anderen Seite hatten wir keine Lust mehr da­rauf, uns dem Zwang zu beugen, unbedingt vier Kollektionen pro Jahr machen zu müssen. Also war das Zeitfenster der Haute Couture eine gute Gelegenheit, und wir haben uns dazu durchgerungen, diesen Schritt zu machen, das Regelwerk der Mode über den Haufen zu werfen und unsere eigenen Regeln aufzustellen. Darum legten wir die Zwischen- und die Hauptkollektion zu einer größeren Kollektion zusammen und zeigen diese vor allen Ready-to-wear-Modewochen im Zeitfenster der Couture.


Ist die handwerkliche Qualität der in Paris gezeigten Kollektion zugleich eine Verneigung vor der Welt der Haute Couture?
McCollough: Das könnte man vielleicht so sehen, aber ich denke, da handelt es sich auch um eine natürliche Weiterentwicklung dessen, wofür wir stehen und stehen wollen. Die Zeiten, als man sagen konnte: Das ist ein amerikanischer Designer, und seine Ästhetik ist so und so, das hingegen ist ein Pariser Designer, denn seine Ästhetik ist anders – diese Zeiten sind vorbei, und wir leben in einer Phase mit größerer Fluidität. Die Grenzen verschwimmen und Neues wird möglich, wenn man sich traut.


Bedeutet die Lancierung ihres ersten Parfums den Beginn eines neuen Kapitels in der Firmengeschichte?
Hernandez: Auf jeden Fall. Wir haben von Anfang an kontinuierlich an der Weiterentwicklung unserer Marke gearbeitet, zuerst auf unsere Kollektionen fokussiert, in einem nächsten Schritt auf die Accessoires. Mit dem Parfum folgt jetzt eine weitere Etappe, die uns nochmal einen breiteren Auftritt erlaubt und die Marke für einen größeren Kundenkreis zugänglich macht. Den Spagat zu schaffen zwischen einem nischigen Auftritt der Modelinie und der größeren Verfügbarkeit einer Brand, die auch Kosmetik anbietet, ist eine interessante Herausforderung für uns.
McCollough: Wir sind uns natürlich dessen bewusst, dass unser Bekanntheitsgrad außerhalb der USA, unseres Heimatmarktes, weniger groß ist. Aber gerade deshalb finden wir das Projekt spannend und sehen darin eine wichtige Möglichkeit für die Marke, weiter zu wachsen.


Klinken Sie beide sich für den kreativen Prozess noch immer aus dem Alltag in New York aus und ziehen sich zurück, um Ideen zu sammeln?
Hernandez: Dadurch, dass wir keine Zwischenkollektionen mehr machen, ist auch das wieder leichter möglich geworden.
McCollough: Unsere Art zusammenzuarbeiten ist mehr oder weniger unverändert geblieben. Wir versuchen weiterhin, vom ersten bis zum letzten Schritt alles gemeinsam zu besprechen und zu entwerfen. Und dafür ziehen wir uns zurück, meistens in unser Haus am Land, und reden und skizzieren und entwerfen. Über diese Vorstellung der Zusammenarbeit haben wir auch zueinandergefunden, und eine große Rolle in diesem Kontext spielt eben die Vorstellung des Rückzugs.

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Auch das Konzept für das Parfum ist so entstanden?
McCollough: Unsere Kollektionen entstehen sehr im Jetzt, sind einem ganz bestimmten Augenblick geschuldet. Sechs Monate später kommt dann schon wieder etwas ganz anderes, das das Vorherige überlagert. Mit dem Parfum ist das anders, weil wir etwas Zeitloses schaffen wollten, und auch etwas Universelleres, das sich an ein breiteres Publikum wenden kann.
Hernandez: Um uns darüber klarzuwerden, was wir machen wollen, sind wir nach Arizona gefahren und haben uns den Freiraum genommen, uns aus allem auszuklinken, einfach nur in uns hineinzuschauen und zu denken. So einfach das klingen mag, so schwierig ist es, heute etwas Derartiges zu erreichen. In diesem Verzicht liegt doch der größte Luxus. Steine, die wir in der Wüste gesammelt haben, dienten später als Inspiration für die Form des Flakons.


Man hört immer wieder davon, dass die Mode an ihr Ende gekommen sei. Was halten Sie von derlei Prognosen?
Hernandez: Mode ist zwangsläufig etwas, das sich ständig weiterentwickelt. Ich finde, das darf man nicht aus den Augen verlieren. Wenn man Teil des Systems sein will, dann muss man diese Entwicklungen eben mitmachen, damit man nicht den Anschluss verliert. Vieles davon hat mit der Perspektive zu tun, die man einnehmen möchte. Man muss sich nur andere Branchen anschauen, etwa die Musikindustrie oder die Kommunikationstechnologie: Da ist es in den vergangenen Jahren zu grundlegenden Veränderungen gekommen, und wer überleben wollte, musste seine eigene Strategie finden, um mit den veränderten Bedingungen schrittzuhalten. Dasselbe sehen wir heute in der Mode. Das System ist dabei, sich aus der Vergangenheit, der es in manchen Aspekten verhaftet blieb, in die Gegenwart zu bewegen. Ähnliche Entwicklungen, bezüglich derer manche Beobachter vom „Ende der Mode“ gesprochen haben, gab es in der Vergangenheit bereits mehrmals: Zum Beispiel, als die Luxuskonfektion, das Prêt-à-Porter aufgetaucht ist und der Haute Couture den Rang abzulaufen begann. Oder in den 1990er-Jahren, als Streetwear und Highstreet-Mode in Umlauf kamen. Und heute stehen wir eben wieder an so einem Wendepunkt, an dem die Mode in einen anderen Gang umschaltet. Das sollte aber doch ein Ansporn sein, sich für neue Herausforderungen zu wappnen.

Der Autor wurde von L‘Oréal zum Interview in London eingeladen.

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In Stein gemeißelt

Zwei Designer, die ihr erstes Parfum lancieren, und zwei Parfumeure, die ihnen dabei helfen, ihre Vorstellungen zum Duft werden zu lassen: Unter diesen Voraussetzungen entstand „Arizona“ von Proenza Schouler, und es waren die beiden Meisterparfumeure Carlos Benaïm und Loc Dong, die mit Lazaro Hernandez und Jack McCollough an der olfaktorischen Umsetzung ihrer Wüstenfantasien arbeiteten. „Wir haben uns von ihnen sehr gut verstanden gefühlt, und unsere visuellen Impulse wurden nahtlos in etwas übersetzt, das später als Parfum erfahrbar wurde“, sagt etwa McCollough über die Zusammenarbeit. Die größte Herausforderung bestand darin, einen Geruch zu finden – die dominierende Note in „Arizona“ –, der dem einer geruchlosen Kaktusblüte entsprach. Das Ergebnis soll trocken-mineralisch und unaufdringlich-floral sein: eine gelungene Mischung.

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