Pflegerseren: Edle Tropfen

(c) Ryann Cooley (Ryann Cooley)
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Jetzt bitte Konzentration: Die neue Generation der wirkstoffstarken Seren pflegt mit Köpfchen.

Nun gut, besonders sexy klingt das ja wirklich nicht: Serum. Das hört sich doch eher nach Krankenhaus an als nach Schönheitsfarm. Kein Wunder also, dass diesen kleinen Beauty-Boostern auch gerne kreative Pseudonyme verpasst werden. „Nährstoffkonzentrat“, zum Beispiel, oder auch: „Essenz“. Das Prinzip bleibt dasselbe: eine hohe Konzentration an Inhaltsstoffen, dazu eine feinmolekulare Textur. Schließlich sollte ein Serum von der Haut schnell und intensiv aufgenommen werden können, um seine eigentliche Aufgabe erfüllen zu können, nämlich die Wirksamkeit der anschließend aufgetragenen Emulsion oder Creme zu maximieren. Ein Serum ist ein Teamplayer. Und was für einer!

Jahre der Forschung. Am besten veranschaulicht das ein Blick ins Labor. Martina Trauner, Produkt-Managerin von Dior, erzählt von 20 Jahren Forschungsarbeit, die in das neue „One Essential Serum“ eingeflossen seien. Das Ergebnis: Ein Extrakt aus der Hibiskus-Blüte sorge im Zellinneren für die Befreiung von Toxinen und eine intensive Energieversorgung. „Die Hibiskus-Pflanze wird in unserem Dior-Garten in Burkina Faso gezüchtet und mit höchster Sorgfalt von Hand geerntet, um die empfindlichen Blüten nicht zu beschädigen. Das Hand-Verlesen der Blüten und das besondere Extraktionsverfahren sind eine große Herausforderung. Doch nur so kann der kraftvolle Wirkstoff der Pflanze gewonnen werden.“


Auch Tom Mammone, wissenschaftlicher Leiter der Clinique Laboratories International, hat eindrucksvolle Fakten vorzuweisen. Für das „Smart Custom-Repair-Serum“ wurde fünf Jahre lang mit rund 100 internationalen Wissenschaftlern geforscht, entwickelt und getestet. Herausgekommen ist ein Produkt, das Mammone „mit Stolz einen wissenschaftlichen Durchbruch“ nennt: Ein Serum, das sich seine Aufgaben quasi selbst sucht, also auf zu reparierende Zellschäden, fehlende Feuchtigkeit oder die Ankurbelung von Elastin- und Kollagen-Produktion flexibel ansprechen soll. „Die Wirkstoffe in Smart Serum reagieren auf diese Signale in unterschiedlicher Weise. Man könnte es mit dem Schlüssel-Schloss-Prinzip vergleichen. Der Schlüssel ist das Molekül, das eine spezielle Form hat und nur ein spezielles Schloss erkennt. Die Inhaltsstoffe, die wir in das Serum integriert haben, bilden ein Reservoir, das erst dann aktiviert wird, wenn die jeweiligen Signale von der Haut ausgesendet werden.“


Ganze 23 Jahre dauerte es gar, bis Shiseido sein „Ultimune“ auf den Markt brachte. In Kooperation mit der Harvard University und der Massachusetts University erforschte der japanische Kosmetikkonzern die Langerhans-Zellen in der Epidermis, die nicht nur schädigende Faktoren in der Haut erkennen und diese Information an das Immunsystem weitergeben, sondern auch selbst bei deren Bekämpfung aktiv werden. „Allerdings behalten die Langerhans-Zellen mit der Zeit nicht immer ihre volle Aktivität. Was lag also näher, als eine Lösung zur Stärkung dieser Zellen und folglich für die Hautimmunität zu suchen?“, erzählt Brigitte Wüstenfeld, Trainerin bei Shiseido. Das Resultat sei aber kein klassisches Serum, sondern vielmehr ein sogenanntes Pre-Serum, das den Idealzustand des hauteigenen Immunsystems wieder herstelle – anzuwenden nach der Reinigung, vor dem Serum.


Yves Saint Lauren Beauté konzentriert sich in der Serums-Frage derweil auf eine bestimmte Körperpartie. Das „Concentré Y-SHAPE“ dient ausschließlich der Behandlung der Y-Zone – also der unteren Gesichtspartie bis hin zum Brustansatz. Dabei bedient sich das französische Unternehmen jüngster Erkenntnisse der Glykobiologie, die die biochemischen Effekte des Zuckerstoffwechsels erforscht. „Hals und Dekolleté haben die gleichen Alterungsprobleme wie das Gesicht, werden bei der Pflege aber oft vergessen“, erklärt Caroline Nègre, die bei Saint Laurent für die wissenschaftliche Kommunikation zuständig ist. Die größte Herausforderung bei der Entwicklung habe darin bestanden, die Wirkung der Aktivstoffe zu maximieren, ohne dabei die Textur zu beeinträchtigen.


Apropos Textur: Wurden Seren früher durchwegs ölfrei gehalten, bauen Unternehmen wie Clarins inzwischen auf einen Mix aus lipiden und wässrigen Bestandteilen. Ihr natürliches Vorbild fanden die Forscher im Säureschutzmantel der Haut, der Fett und Feuchtigkeit auf komplexe Art ausbalanciert. „So können wir wasserlösliche und fettlösliche Aktivstoffe in einem Produkt kombinieren,“ erklärt Eric Gooris, Leiter des Clarins Forschungslabors, die Besonderheit des „Double Serum“.

Steigende Beliebtheit. Auch bei Lancaster wird neuerdings Öl ins Serum gegossen. 1976 verwendete das Unternehmen als erste Beautymarke Retinol in der Kosmetik, und natürlich darf der hochwirksame Anti-Aging-Stoff auch im neuesten Lancaster-Produkt, „Retinol-in-Oil“, nicht fehlen. „Die Formulierung ist so leicht, dass sogar Mischhaut das Produkt mögen könnte. Außerdem spricht die große Menge an Retinol Frauen an, die vielleicht schon mit Falten oder Spannungsverlust zu kämpfen haben“, meint Olivier Doucet, Vize-Präsident und Leiter der Abteilung Forschung & Entwicklung bei Lancaster. Die Beautymarke Payot hat für verschiedene Hautzustände gleich vier Seren aus der Linie „Les Elixirs“ im Angebot. Als Starter bietet sich das „Elixir Jeunesse“ an, das Unternehmen nennt es sportlich einen „Coach“ der Jugend, der mit Immortelle-Extrakten der Hautalterung entgegen wirken soll.


Dass es sich bei Seren tendenziell um eher hochpreisige Produkte handelt, ist aus ökonomischer Sicht übrigens gar nicht übermäßig tragisch. Schon zwei bis drei Tröpfchen morgens und abends sorgen für einen hübschen Teint und dafür, dass man mit dem Schönheitselixier viele Monate lang auskommt. Produkte wie etwa „Ultimate – The Concentrate“ von Sensai, das immerhin rund 500 Euro kostet, sind hochwirksame Pflegekonzentrate. „Die Energieversorgung wird gesteigert, der Zellerneuerungsprozess und die Widerstandkraft werden optimiert. Diese Essenz ist also ein exklusiver Hightech-Booster für besonders schnell sichtbare Resultate,“ so Barbara Engel, Manager Customer Service bei Sensai. Für etwas schmälere Geldbeutel gibt es die „Re-Contouring Lift Essence“. Schließlich sollte das Budget auch für die anschließende Pflege reichen: „Ein Serum ist das Pflege-Tüpfelchen. Da es die Wirkung der Folgeprodukte stark intensiviert, empfehlen wir es auch als Standardpflege.“ Aber zählen die flüssigen Zaubermittel denn wirklich schon zum Pflege-Fixprogramm?


„Der Seren-Verkauf hat sich in den vergangenen zwei Jahren mehr als verdoppelt. Seren machen ungefähr 12 Prozent unserer Gesamtumsatzes im Pflegebereich aus“, sagt Martina Trauner von Dior. Ähnliches berichtet Sophie Martin-Teillard von Lancaster: „2012 wurden in Deutschland 50,7 Millionen Euro mit Seren umgesetzt. Das Segment entwickelt sich schnell: Das durchschnittliche Wachstum betrug zwischen 2007 und 2012 10 Prozent – pro Jahr!“ Es scheint fast, als sei die Kosmetik-Kundschaft tröpfchenweise auf den Geschmack gekommen.

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