Strahlenschutz-Beauftragte

Andreas Waldschütz
  • Drucken

UVA- und UVB-Schutz – geschenkt. In dieser Saison sind beim Thema Sonnenschutz echte Multitasker am Start.

„Nichts Schöneres unter der Sonne, als unter der Sonne zu sein“, sinnierte Ingeborg Bachmann 1956. Es ist anzunehmen, dass sich die große österreichische Schriftstellerin beim Verfassen dieser Zeile nicht allzu viele Gedanken über lichtbedingte Hautalterung gemacht hat. Vor allem, weil im selben Jahr der Strahlenphysiker Rudolf Schulze mit dem „Schutzfaktor des Lichtschutzmittels“ ja erst das eingeführt hat, was heutzutage nur kurz LSF genannt wird. Dass dieser gar nicht hoch genug sein kann, um gegen die Schäden von Sonneneinstrahlung zu wirken, ist mittlerweile unbestritten. Auch dass nicht mehr nur im Strandurlaub, sondern tagtäglich – und ja, selbst an bewölkten Tagen – zum Sonnenschutz gegriffen werden sollte, hat sich in den vergangenen sechs Jahrzehnten von Acapulco bis zum Zeller See herumgesprochen.

Zeit genug auch für die Sonnenschutz-Evolution, sich ordentlich auszutoben. Ein paar Beispiele gefällig? Heuer kommt gleich eine Vielzahl an Hybridprodukten und Suncare-Innovationen auf den Markt – Sonnencreme muss anno 2016 definitiv mehr bieten als nur einen Lichtschutzfaktor. So haben Forscher der Beautybrand Lancaster die neue Full-Light-Technologie entwickelt, die nicht nur gegen UVA- (beschleunigte Hautalterung) und UVB-Strahlen (hauptverantwortlich für Sonnenbrand) schützen soll, sondern auch gegen Infrarot und sichtbares Licht. Von Letzterem nahm man die längste Zeit an, es wäre unschädlich. „Sichtbares Licht und Infrarotstrahlen – zusammen 90 Prozent des Sonnenlichtspektrums – können jedoch ebenfalls Hautschäden verursachen, und das sogar auf DNA-Ebene. Neueste Studien haben gezeigt, dass Infrarotstrahlen und sichtbares Licht sogar für 50 Prozent der freien Radikale verantwortlich sein können, die vom Sonnenlichtspektrum auf der Haut freigesetzt werden“, erklärt Dr. Olivier Doucet, Vizepräsident für Forschung und Entwicklung bei den Lancaster Laboratorien. Zudem würde es zwischen den verschiedenen Strahlungsfrequenzen zu negativen Synergien kommen. Mit der Full-Light-Technologie habe Lancaster also nicht nur das Schattendasein von sichtbarem Licht beendet, sondern auch „den umfassendsten Sonnenschutz, den es auf dem Markt je gab“ lanciert.

Hauteigenes Protein. Auch Chanel hat Neues aus dem Labor zu vermelden. Die französische Marke setzt auf ein hauteigenes Protein, das sich perfekt den äußeren Einflüssen anpasst. Ein in die neue Formel von „UV Essentiel“ integriertes Molekül soll diesen natürlichen Schutzmechanismus nun immer dann stimulieren, wenn belastende Stresssituationen (alias: Sonnenbäder) anstehen – und der Haut damit quasi helfen, sich selbst zu helfen. Auch Clinique ist ein Coup gelungen. Inspiriert durch die medizinische Patch-Technologie hat das Unternehmen eine Möglichkeit gefunden, mineralische Filter so in den Sonnenschutz zu integrieren, dass sie sich widerstandslos mit der Haut verbinden. Der patentierte „Slow Coating Process“ erlaube es, die ursprünglich etwas zähen Titanium-Dioxide und Zinkoxide auf der Hautoberfläche nahezu unsichtbar zu machen. Womit wir auch schon bei der Sonnenmilch-Gretchenfrage gelandet wären: Chemie oder Physik? „Der beliebteste Schutz ist derzeit eine Kombination aus chemischem und physikalischem Filter. Dabei wird beim physikalischen Filter die Sonne via Mikropartikel abgewiesen. Beim chemischen Filter wird der Sonnenstrahl in Wärme umgewandelt und weitergeleitet“, erklärt Dr. Markus Dawid, Dermatologe aus Wien. Und weiter: „Das passiert in der obersten Hautschicht, in der es keine Blutversorgung gibt. Man muss also keine Angst haben, dass Bestandteile aus den Sonnencremen in den Körper absorbiert werden könnten.“ Eine Information, die besonders für Eltern wichtig ist, die immer noch vor chemischen Filtern im Kindersonnenschutz zurückschrecken.

Wasser auf der Haut verdrängen. Innovation ist auch am Strand angesagt. „Idéal Soleil ultra-leichte Gel-Milch“ von Vichy soll etwa dank der Wet-Technologie dafür sorgen, dass das Wasser auf der Haut verdrängt wird und sich die Sonnenmilch – selbst beim Schwimmen – lückenlos auf die Haut legen kann. Shiseido wiederum bietet seine „Expert Sun Protection Lotion“, die im vergangenen Jahr auf den Markt kam, heuer auch für Kinder- und sensible Haut an. Wir erinnern uns: Bei der Wet-Force-Technologie ziehen negativ geladene Ionen aus dem Sonnenschutz positiv geladene Ionen aus Wasser und Schweiß an. Zusammen gehen sie eine Verbindung ein, die stark wasserabweisend wirkt und so die UV-Filter auf der Haut hält. Und Biotherms „Fluide Solaire Wet or Dry Skin“ baut auf eine Wasserverdrängungstechnologie, die trockene wie nasse Haut gleichermaßen schützen soll. Hier soll eine Verbindung von Wirkstoffen wie Geliermitteln und Polymeren verhindern, dass die Formel zusammen mit Wasser eine Emulsion (und somit den unliebsamen weißen Film auf der Haut) bildet und die gleichmäßige Verteilung des LSF stört.

Duftstoffe unerwünscht. Nicht nur gegen Wasser, sondern auch gegen Sand schützt Garniers „Ambre Solaire Kids Anti-Sand Spray“. Das neue Kinderprodukt mit LSF 50 ist extra wasserfest und – noch besser! – soll klebrigen Sand einfach von der Haut abweisen. Dank eines praktischen Sprühkopfes ist auch das lästige Eincremen kein großes Thema mehr. Und da wir gerade bei zarter Haut sind: „Kinder-Reflexe Solaire 50+“ von Avène besteht hauptsächlich aus hautberuhigendem und entzündungshemmendem Thermalwasser, in das ein Minimum an chemischen Filtern sowie Glycerin als Feuchtigkeitsspender integriert wurde. Parabene, Silikone und Duftstoffe? Natürlich unerwünscht.

Ein schattiges Plätzchen nach dem Sonnenbad mag für Abkühlung sorgen. Eine Studie der Yale University belegt nun allerdings, dass die zellschädigende Wirkung von UV-Licht noch Stunden nach dem Sonnenbad nachweisbar ist. Was bedeutet: Selbst im Dunklen leiden Zellen noch bis zu drei Stunden lang am „Sonnen-Kater“. Abhilfe sollen die Produkte von Ateia schaffen. Das Forschungsteam der österreichischen Marke hat ein Enzym nachgebaut, das für die Reparatur kleiner Zellschäden zuständig ist, und es liposomal verpackt in den Sonnenschutz integriert. Ein Wirkstoffkomplex soll nicht nur tagsüber, sondern auch nachts die geschädigten Hautzellen reparieren und die Pigmentbildung für einen schönen Teint fördern.

Ganz besonderen Zutaten widmet auch La Biosthétique sein Augenmerk. Die Liste der Inhaltsstoffe für die neuen Produkte der Serie „Methode Soleil“ liest sich fast wie die des nächsten It-Sommer-Cocktails: Zell- und DNA-Schutz aus Reis, Zuckerrübe und Rosmarin, der Duft komponiert von Star-Parfumeur Geza Schön. Dior hingegen hat sich für die Neuzugänge seiner „Dior Bronze“-Linie ganz der Textur gewidmet. So ist diese – trotz Wasserfestigkeit und der Verwendung von feuchtigkeitsspendenden Ölen – so seidig leicht, dass man „Beautifying Protective Oil Sublime Glow“ nicht nur auf Körper und Gesicht auftragen, sondern auch das Haar mit LSF 15 vor Sonnenschäden schützen könne. Louis Widmer tritt ebenfalls in mehreren Disziplinen an: „Sun Protection Face 30“ ist Tagescreme mit integriertem Sonnenschutz und mildert gleichzeitig erste Fältchen durch den feuchtigkeitsspendenden und hautreparierenden Wirkstoff Matrixyl. Und bei Sensais „Sun Protective Compact“ haben wir es mit einem wahren Wunderprodukt zu tun, das nicht nur als Sonnenschutz fungiert, sondern auch als wasserresistentes Puder mit Anti-Aging-Wirkung und – feucht aufgetragen – mattierendes Make-up, das Pigmentflecken optisch ausgleichen soll.
Angesicht all dieser tollen Multitasker bleibt die Frage an den Fachmann, welche Wünsche in puncto Sonnenschutz eigentlich noch offen bleiben. Dr. Dawid hätte da freilich eine Idee: „Man könnte bei der Auftragetechnik ansetzen. Die meisten Menschen sind schlicht zu faul, sich oft genug einzuschmieren. Eine Tablette wäre wohl ideal.“

(c Beigestellt

Fürstliche Pflege

Das Jahresmotto der in Monaco beheimateten Marke Lancaster lautet „70 Jahre Innovation“. In der unmittelbaren Nachkriegszeit entstanden, galt Lancaster bald als eine der experimentells-ten Kosmetikmarken. Zu den ersten bekannten Produkten gehörte etwa die als Wundermittel gehandelte „Crème embryonnaire“. Als auch der monegassische Fürstenhof Gefallen am Lancaster-Produkt fand und die Marke zum Hoflieferanten wurde, begleitete man diesen Erfolg mit der Lancierung einer eigenen „Ligne princière“. Seit den Siebzigerjahren genießen die Sonnenschutzprodukte von Lancaster einen guten Ruf. Als neuestes Patent wurde die Full-Light-Technology vorgestellt: Sie soll auch gegen sichtbares Licht schützen.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.