Marc Jacobs: Spezialwunsch Hundekoffer

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Louis-Vuitton-Designer Marc Jacobs über Einzelkämpfer, die Rolle der Kunst in der Mode und das neue Geschenk für seine Hunde.

Stellen Sie sich vor, der Urururenkel Patrick-
Louis Vuitton ruft an und erzählt, er habe sich gerade einen Malkasten machen lassen, und nun hätten Sie einen Wunsch frei für eine Maßanfertigung. Was würden Sie bestellen? Eine feine Reisebibliothek to go? Oder doch eher einen Trunk für High Heels? Kein Kopfzerbrechen. Vorerst läutet das Telefon bei ganz anderen Leuten.
Bei Molekularküchenchef Ferran Adrià zum Beispiel. Er entscheidet sich für einen Reisekoffer mit Besteckfach. Künstler Damien Hirst schwärmt von einem Medizinschrank(koffer) mit Totenkopf, Annie Leibovitz vom individualisierten Fotorucksack, Komponist Gustavo Santaolalla vom Gitarrenkoffer.

Und Olivier Brault, der Chef des französischen Roten Kreuzes, findet zum 150. Jubiläum einen Erste-Hilfe-Koffer passend (alle Objekte werden zugunsten des Roten Kreuzes versteigert). Fehlt noch einer auf der prominenten Anruferliste: Hausdesigner Marc Jacobs, bekannt für extravagante Ideen und ungewöhnliches Styling. Was er sich wünscht? Einen Koffer für seine zwei Hunde Daisy und Alfred. Manchmal wollen es eben auch Kreativbündel einfach nur praktisch.

Der gute Mann samt Entourage ist schließlich viel unterwegs. Einmal New York, wo er sein eigenes Label hat, dann wieder Paris, wo er als Kreativchef für Louis Vuitton tätig ist. Dazwischen gibt es noch Termine für Journalistenfragen. Wie unsere. Und weil wir gerade beim Reisen sind: Welche drei Teile hat ein Vielflieger wie er also immer dabei? „Einen Anzug, Jeans, meinen Schottenrock und Pullis.“ Maßhalten war scheinbar noch nie sein Ding. Aber wer Erbsen zählt, wird eben nie so weit kommen wie Marc Jacobs.

Auch die Krise blendet er weg. Er sagt, er denke lieber an neue Materialien, neue Ideen und Qualität als an die Sorgen des täglichen Geschäfts. „Ich bin Designer. Mit meinem Team tragen wir ausschließlich Verantwortung dafür, dass die Dinge den Kunden gefallen.“ LVMH-Boss Bernhard Arnault lässt sich von so viel Unbekümmertheit nicht irritieren. Realitätsverweigerung, Verspätungen, Alkohol, Drogen, Entzug – egal, was Jacobs macht, er stärkt ihm den Rücken. Und fährt damit gut. Denn nicht zuletzt ist es der kreativen Kompromisslosigkeit von Marc Jacobs zu verdanken, dass aus der traditionsreichen Ledermarke das wertvollste Lifestylehaus der Welt wurde.

Meister der Gegensätze.
Es war Mitte der 90er, als Arnault den damaligen New Yorker Nerd mit Hang zum Grungelook zum Schöpfer der
Modelinie von Louis Vuitton gemacht hat. Marc Jacobs erzählt, er sei schon als kleiner Bub sehr pedantisch darin gewesen, welche Farben zusammenpassen. „Ich lernte handarbeiten, um meine Jeans und Jacken umzustylen. Ich wollte meine Kleider individualisieren.“ Als Teenager habe er dann begonnen, Modemagazine zu absorbieren und spätestens seit ihn Plätze wie das Studio 54 und „die Freiheit, wie sich die Leute da anzogen“ inspirierten, träumte er von einer Modekarriere. Heute zählt er zu den stilprägendsten Designern der Welt. Und er sagt nur: „Ich bin eben jemand, der seine Träume nie aufgibt.“

Marc Jacobs wird eine Gabe nachgesagt: Er kann verschiedene Welten miteinander verbinden. Den Glamour mit der Straße, die Kunst mit dem Laufsteg, die Taschen mit Mode. Und während man bei anderen Marken vermutlich fragen würde, wie wichtig Accessoires sind, muss die Frage bei
Louis Vuitton lauten: Wie wichtig ist die Modelinie? Marc Jacobs antwortet diplomatisch: „Es ist eine große Freundschaft zwischen den traditionellen Produkten und der Kollektion entstanden.“ Das ist leicht untertrieben. Die Modelinie ist längst nicht mehr wegzudenken. Und Marc Jacobs hat sie „erfunden“. Auch wenn er das selbst anders formuliert: „Ich habe die Idee der Kunst des Einpackens für die Reise mit der Ready-to-wear vervollständigt.“

Jacobs ist ein wahrer Meister der Gegensätze. Einerseits klingt er fast ein bisschen arrogant, wenn er seine Arbeitsweise schildert: „Ich erkläre meinem Team die Inspiration, die Materialien, die Details der Konstruktion, die ja das Herz einer Kollektion darstellen. Dann lasse ich die Silhouetten so lange verändern, bis meine Idee realisiert ist.“ Andererseits hört er sich zugänglich an, wenn er beteuert, sich nie als Einzelkämpfer zu sehen. „Die Idee des Designers in seinem Elfenbeinturm ist lächerlich. Teamwork ist es, was Dinge ermöglich und die Langeweile bekämpft.“

Jacobs Kunstwelt. Marc Jacobs sammelt mit großer Leidenschaft moderne Kunst. „Das ist ein großer Teil meines kreativen Prozesses.“ Er findet es auch total romantisch, an Zeiten zurückzudenken, als kreative Menschen wie Elsa Schiaparelli und
Coco Chanel sich von Jean Cocteau, Pablo Picasso und Salvador Dalí beeinflussen ließen. „Nachdem ich selbst viele Künstler bewundere und mit einigen schon zusammengearbeitet habe, weiß ich, wie viel weiter diese Verbindung zwischen Kunst und Mode gehen kann.“ Und so entpuppten sich Kombinationen, die oft im Vorhinein als absurd abgetan wurden, im Nachhinein als Kassenschlager.

Der Krankenschwesterninput von Richard Prince etwa. Oder das Manga-Experiment mit Takashi Murakami, der Taschen mit lächelnden Kirschen versüßte. Oder die Verknüpfung von Couture und der Graffitikunst des Stephen Sprouse. Bei Sprouse war Jacobs „wirklich aufgeregt, bevor ich ihn endlich gefragt habe, ob er mit mir an einer Kollektion arbeiten möchte“. Er habe profunden Respekt vor diesem „magischen Typ“ gehabt, ihn als Künstler und für seine bejahende Vision von Mode bewundert. Davon ist heute ohnehin mehr denn je nötig.

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