Siebenmal Sommer: Ein Platz an der Sonne

Die Wahrheit ist: Es gibt nur drei Gartenstühle. Alles andere ist Abklatsch, mehr oder weniger gelungen.

Natürlich kommen jedes Jahr Dutzende neue Gartenstühle auf den Markt. Doch letztlich sind sie alle – mehr oder weniger  – nur Variationen von drei Urstühlen. Erstens gibt es da den klassischen Biergartenstuhl: Eisengestell, Holzlatten, gerne in Grün. Er steht vornehmlich im Kies und gehört zu Bayern wie die Weißwurst zur Maß. Der Biergartenstuhl hat seinen festen Platz in der Kunstgeschichte – der Berliner Impressionist Max Uth hat ihn um 1910 in seinem Gemälde „Der Biergarten“ festgehalten –, und wir dürfen davon ausgehen, dass er auch im ersten Biergarten Münchens schon stand, 1812
im Augustiner-Keller. Der wurde übrigens eröffnet, weil damals im Sommer kein Bier gebraut werden konnte und zur zusätzlichen Kühlung der nicht allzu tiefen Keller (München hat einen hohen Grundwasserspiegel) schattenspendende Kastanien im Hof der Brauerei gepflanzt wurden. Die Menschen kauften Bier, wollten selbiges in mitgebrachten Maßkrügen nach Hause tragen, aber, mein Gott, die Sommer waren auch damals heiß, und so wurde die Maß eben schon vor Ort geleert. Sitzend auf Biergartenstühlen. Der Rest ist Geschichte. 

Vom Gartencenter ins Museum

Zweitens haben wir den sogenannten Monobloc: das (meist) weiße Plastiktrumm aus dem Gartencenter. Abwaschbar, stapelbar und unersetzlich. Kein Schrebergarten, kein Freibad, keine Imbissstube kommen ohne ihn aus. Er schwamm auf den Wellen des Tsunamis, stand in Sadam Husseins Erdlochversteck und thront auf Mülldeponien in aller Welt. Der Monobloc mag nicht der Schönste sein, doch er wird auch dann noch herumstehen, irgendwo zwischen Maputo und Stixneusiedl, wenn die Menschheit schon ausgelöscht ist.

 Denn seit den frühen Achtzigern verlässt alle 70   Sekunden einer die Kunststoffpresse. Mittlerweile haben sich auch Künstler und Designer den Monobloc zur gefälligen Weiterverarbeitung hergenommen. Maarten Baas zum Beispiel, der Niederländer, der mit seinen verkohlten Designklassikern Furore gemacht hat, hat ihn von chinesischen Handwerkern in Ulmenholz nachschnitzen lassen.

Bleibender Eindruck


Der dritte archetypische Gartenstuhl ist der sogenannte Spaghetti-Stuhl. Ihm wollen wir hier besonders huldigen, last, but sicherlich not least. Er gehört zu den Sommern unserer Kindheit wie Vanilleschokoerdbeer und Holzspäne in der Sohle (vom Badesteg). Mit seinen Plastikschnüren (gelb, rot, hellblau, weiß oder schwarz) hinterließ er nicht nur an unseren Oberschenkeln deutliche Spuren, sondern auch in der Designgeschichte. Plastik und Stahlrohr – moderner ging es damals kaum. Schon 1947/48 hatte H. Altorfer in der Firma seines Vaters, dem Schweizer Möbelproduzenten Embru, einen Liegestuhl nach demselben Kordelprinzip entwickelt, mit Liegefläche zum Rückwärtskippen. 1949 folgte der passende Stuhl (offiziell hieß er Altorfer Stuhl 1140) und 1964 der wichtigste eidgenössische Designpreis, die von Max Bill verliehene „Gute Form“. Dann kamen die Achtziger, steigende Lohnkosten – schwierig, denn die PVC-Schnur wurde per Hand gewickelt – und fast das traurige Ende. Lange zehrte der Verkauf von einem Restposten an Stahlrohrgestellen, die auf Kundenwunsch in Einzelanfertigung bespannt wurden.

Heute wird der Altorfer Stuhl wieder in wirtschaftlichen Mengen hergestellt; dass er damit, so wie früher, Teil unserer Sommer wird, steht allerdings zu bezweifeln. 455 Euro kostet das gute Stück (z. B. bei www.designlager.de). Die sind dafür – teilweise – für einen guten Zweck. Die Handarbeit übernehmen Mitarbeiter der Stiftung Brändi, eines Vereins für die Integration von Menschen mit Behinderung, sechs Leute wickeln fleißig von April bis September. Damit der Abdruck am Oberschenkel auch das richtige Muster hat.

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