Hier isst das Ohr mit

Weinaffin. Hinter Vocedivino steckt der Pianist und Musikprofessor Chia Chou.
Weinaffin. Hinter Vocedivino steckt der Pianist und Musikprofessor Chia Chou. Beigestellt
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Wenn ein Wein plötzlich katastrophal schmeckt, ist unser Gehör beteiligt: Die Veranstaltungsreihe Vocedivino paart Musik mit Wein.

„Der Wein, der gerade noch herrlich rund geschmeckt hat, ist plötzlich ungenießbar. Wenn man die falsche Musik dazu hört“, sagt Chia Chou. „Das glaubt uns keiner, es ist aber so.“ Der klassische Pianist, Professor für Kammermusik in Graz und Weinliebhaber, veranstaltet Konzerte mit Weinbegleitung. Demnächst im Wiener Odeon, gemeinsam mit dem Weinhandel Trinkreif und dem Sommelier René Kollegger. Begonnen hat alles, weil Chia Chou „diese berühmte Urlaubsweingeschichte“ nicht aus dem Kopf ging. „Sie kennen das, Sie sitzen im Urlaub am Meer, in Spanien oder Griechenland, der Wein schmeckt herrlich, Sie nehmen eine Flasche mit nach Hause.“ Um dort festzustellen, dass man einen völlig anderen Wein vor sich hat. „Manche Freunde meinten, das hängt mit der Lagerung zusammen. Aber ich bin überzeugt, dass wir unsere Sinneswahrnehmungen stärker als bisher bekannt verknüpfen. Mittlerweile ist das ja dank einer Studie aus Oxford wissenschaftlich untermauert.“ Chia Chou spielt auf Charles Spence an, der kürzlich das Buch „Gastrophysics: The New Science of Eating“ veröffentlicht hat und zu multisensorischer Wahrnehmung forscht.

Emotionales Mittel. Der gebürtige Taiwanese Chia Chou hat das Label Vocedivino im Jahr 2013 gegründet. „Ich habe mich gefragt, kann man mit Musik den Geschmack von Wein beeinflussen?“ (Charles Spence nennt dies übrigens „sonic seasoning“). „Eines der bedeutendsten emotionalen Mittel, die unsere Kultur kennt, ist die Musik“, sagt Chia Chou. „Und eine Kombination, die für uns so selbstverständlich ist, dass wir sie gar nicht mehr bewusst wahrnehmen, ist die Filmmusik.“ Sie verbindet optische Reize mit akustischen, also unterschiedliche Rezeptoren. „Nehmen Sie bei einem Action- oder einem Liebesfilm die Musik weg – das Erlebnis ist nur halb so intensiv.“ Und andersherum, meint der Pianist, glaube man nicht, „was bei einem Besuch eines tollen Restaurants alles kaputtgehen kann, wenn die falsche Musik gespielt wird!“
Die Vocedivino-Konzerte sind stets in drei Teile gegliedert. Wenn der Wein eingeschenkt ist, sagen sowohl Chia Chou, dem die Musikauswahl obliegt, als auch der kooperierende Sommelier ein paar Worte. „Was wir im Glas haben und warum. Ich vergleiche das gern mit der Inszenierung einer Oper durch einen Regisseur. Ein anderer Sommelier hätte einen anderen Wein zu einem Stück ausgesucht – es gibt ja viele denkbare Kombinationen –, aber beide haben ihre Berechtigung.“ Alexander Koblinger etwa, österreichischer Master Sommelier, schenkte bei einem Vocedivino-Konzert zu einem Klaviertrio von Édouard Lalo einen Riesling Spätlese aus: „Er sagte dem Publikum, für ihn verkörpere dieses Stück Melancholie“, erinnert sich Chou. „Und gegen Traurigkeit brauche er immer etwas Süßes. Es hat fantastisch gepasst.“

Gereifte Weine. Auch der ehemalige Tantris-Sommelier Rakhshan Zhouleh war schon Teil des Vocedivino-Teams. Für die Weinauswahl des nächsten Konzerts ist René Kollegger zuständig: Er fährt im Drei-Hauben-Pfarrhof von Tom Riederer in St. Andrä im Sausal eine dezidiert klassische Linie, die von Katarina Riederer mit Trouvaillen aus dem Naturweinbereich ergänzt wird. Im Wiener Odeon wird René Kollegger nun aus dem Reservoir an gereiften Weinen von Weinhändler Clemens Riedl (Trinkreif) schöpfen. „Wir haben zum Beispiel die ,Ungarischen Tänze‘ von Brahms im Programm“, berichtet Kollegger. „Da war sofort klar, da kann es für mich nur eine Rebsorte dazu geben.“ Und zwar den Grünen Veltliner. „Die ,Ungarischen Tänze‘, das heißt Feuer und Lebensfreude, Veltliner heißt Würze, Pfeffer, Kräutertöne.“ Auch ans Gulasch habe er denken müssen, als er sich Brahms’ Stück einverleibt hat: „Dass man in Ungarn vorm Gulaschkessel tanzt und dazu ein Glas Veltliner trinkt – das ist doch großartig. Wenn man sich das im Kopf durchspielt, fängt man zu träumen an.“ Weiters im Repertoire des kommenden Konzerts: Musik der kanadischen Komponistin Kelly-Marie Murphy. „Total schräg, psychedelic, zwischendurch klingt die Geige wie im Film ,Psycho‘. Da kann man nichts Normales ausschenken.“ Kollegger hat hierfür den Sauvignon Blanc Grassnitzberg Reserve 2007 vom Weingut Tement gewählt. „Irgendwann kommt eine Passage, wo die Geige schräg wird. Wenn man da grad einen Schluck nimmt, muss man fast ausspucken. Der Wein wird in Kombination mit der Musik plötzlich katastrophal.“

Tipp

Vocedivino veranstaltet Konzerte mit Weinbegleitung, Chia Chou wählt die Musik aus, wechselnde renommierte Sommeliers suchen die passenden Weine. Infos auf www.voce-divino.com.

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