Die Testerinnen: Wunderkammer

(c) Stanislav Jenis
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In der Multikulti-Wunderkammer.

(c) Stanislav Jenis

Warum mögen die Wiener die Hotels in ihrer eigenen Stadt nicht? Wenn ich eine Antwort wüsste, würde mein Beratungsgeschäft ziemlich gut laufen. Fast jeder neue Hoteldirektor in Wien stellt sich diese Frage. Vor allem: Was können Hotels dagegen tun? Viele versuchen es mit mehr oder weniger netten Bars, andere mit Partykonzepten, einige mit Restaurants wie das Renaissance Hotel mit seiner Wunderkammer. Wenn die nicht wäre – das Hotel stünde sicher nicht auf meiner Liste der Häuser, die man gesehen haben muss. Und es ist auch nicht der erste Eindruck, der überzeugt. Von außen als architektonisch nicht wertvoll einzustufen, ist die Hürde über die Autozufahrt und die Lobby bis hinein doch recht groß. Lokalkritiker hat sich seit dem Opening im Mai jedenfalls keiner hierherverirrt, auch echte Wiener sind an diesem Abend rar. Das von einem britischen Lokalentwickler entworfene Restaurant ist dennoch ein Wohlfühlort und – Storyteller aufgepasst! – einer mit Geschichte. Es geht um eine Reise im Orientexpress: Paris, Wien, Konstantinopel. Von überall werden Spezialitäten für die Wunderkammer mitgenommen. Das fängt bei der Bar an. Für jede Station des berühmten Zuges wurden aktuelle Drinks entworfen. Der Schengener-Abkommen-Cocktail, der Oktoberfizz, oder, weil wir gerade in Wien sind, der ¾ Walzer (Mozart-, Marillen- und Kirschlikör, wer’s mag . . .) Der Jamdudler mit der Limo plus Grapefruit und Ringlottenmarmelade klingt vernünftiger, schmeckt auch so. Mit dem Drei-Länder-Gedeck startet das Essen mit Liptauer, Tapenade und Humus. Apropos kalt essen: Die Brettljause gibt’s als Plateau Parisien oder Tahta Üzerinde Meze. Wir starten aber lieber in Paris mit Ceasar’s Salad. Sofort zeichnet sich ab, der Koch sucht nicht bloß nach der einfachsten Lösung. Das Ei ist pochiert. Die Croutons mit Rosmarin und Thymian parfumiert. Als Hauptspeise hätten wir zu früherer Stunde die gebratene Käsekreiner mit Kartoffelschmarrn und Senfjus bestellt oder das orientalische Lammragout. Geworden ist es der knusprige Tintenfisch auf Couscous mit einer guten Säure von der Tomaten-Pinienkern-Salsa und eine feine Tartelette mit Ziegenkäse und Salathaube. So viel ist klar: In West und Ost würde das Konzept Wunderkammer bestimmt funktionieren.

Tipp

Wunderkammer, Renaissance Wien Hotel, 1150, Ullmannstr. 71, 01/891 022 70, täglich 11–22.30 Uhr

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