Die Testerinnen: Gerstner Café-Restaurant

(c) Stanislav Jenis
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Aug in Aug mit der Staatsoper.

Aus dem gescheiterten Luxusleben einer Testesserin: Man geht in ein neues Lokal. Wo man dann erfährt, dass die „größere“ Speisekarte leider, leider noch nicht zur Verfügung steht, erst Ende des Monats. Und der Koch hat gerade heute leider, leider Geburtstag und ist nicht da. Ratloser Blick auf die elegante Begleitung. Zerknirschter Blick nach innen, wo eine kleine, boshafte Ruth Reichel lauert. Na klar, die legendäre New Yorker Restaurantkritikerin, die wäre aufgestanden. Und Ende des Monats wiedergekommen. Dann hätte sie Perücke und Begleitung gewechselt und wäre noch einmal gekommen. Um zu einem graziösen, superprofessionellen Urteil zu gelangen. Das Biest. Ich bin nicht so. No way! Ich will einfach nur mittagessen. Schön mittagessen. Und ja, urteilen: Das zumindest kann man in der endlich der Laufkundschaft geöffneten Beletage vom Gerstner-Hauptsitz in der Kärntner Straße. Auch wenn der englische Koch, der einst Souschef schräg vis-à-vis im Sacher war – Happy Birthday! –, grad nicht da ist. Die Staatsoper gegenüber ist es immer, von keinem anderen

(c) Stanislav Jenis

Restaurant hat man ein derart intimes Tête-à-Tête mit ihr. Wer weiß, wie die ÖVP heute ästhetisch aufgestellt wäre, hätte sie diese Räume 1993 nicht aufgegeben als Parteizentrale. Das Palais Todesco, von den Nazis arisiert, ist eines der schönsten der Ringstraßenepoche. In den Tanzsaal im zweiten Stock, mit Stuckmarmor, Vertäfelungen, Deckengemälden, kam man bisher nur bei geschlossenen Veranstaltungen. Jetzt kann hier untertags zumindest jeder Schinkenfleckerln oder Rindsbackerlgulasch essen, zu leistbaren Preisen um die 10 Euro. Auch für ein russisches Ei mit Forellenkaviar, was zwar übertrieben ist, der köstlich zitronige Mayonnaisesalat dazu macht’s aber wieder gut. Sehr klassisch wienerisch, Gerstner eben, alles, sogar die Riesenportion Rindsrouladen (21,90) in sehr intensiver Senfsauce, ist zu trocken. Die extra softe gefüllte Maishendlbrust mit Trüffelpolenta (17,90) lässt aber eine Ahnung zu, wohin es mit den Mittagsmenüs gehen könnte, die man demnächst einzuführen gedenkt. Wahrscheinlich komme ich also doch wieder mit meiner kleinen Ruth Reichl im Gepäck. Zumindest für eine Schoko-Erdbeere mit Staatsopernblick.

Info

Gerstner Cafe-Restaurant, Kärntner Straße 51/2, Etage, 1010 Wien. T.: 01/526 13 61, täglich, 11–17 Uhr.

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