Rainer Nowak testet Christian Kerns Pizzeria

Christine Pichler
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"Presse"-Chefredakteur Rainer Nowak verdankt es der "Pizzaboten-Aktion" des Bundeskanzlers, wieder eine Restaurantkritik schreiben zu dürfen.

Christian Kern ist nicht nur ein lustiger Bundeskanzler, er ist auch sehr hilfreich. Ihm verdanke ich, dass ich endlich wieder für das „Schaufenster“ eine Restaurantkritik schreiben darf. Dem Hipster-Parteichef gefiel es bekanntlich, einen Pizzaboten zu spielen, um so ein Video drehen zu können und dadurch seine Verbundenheit mit und sein Interesse an der Mittelschicht und deren Problemen unter Beweis zu stellen. Er heuerte unentgeltlich und ohne sonst eingeforderte Notwendigkeit eines Anstellungsverhältnisses in der Pizzeria That’s amore an. Die ist zufällig zwei Blocks von der „Presse“-Redaktion entfernt und daher oft frequentiertes beziehungsweise angerufenes Ziel.

Zum Glück blieb allen Beteiligten der Zufall erspart, dass der Kanzler mit leicht angewidertem Blick ein Dutzend Pizze Marinara mit extra Knoblauch an den Newsdesk liefern musste, wo ihm ein gestresster Chef vom Dienst als seine zentrale Sorge das Ausbleiben von Texten der Kollegen schildert. Nein, der Kanzler, Entschuldigung: der SPÖ-Chef, ging zu kameratauglichen Menschen. Einer freute sich besonders überrascht, sein eigener Chef, der Sozialminister, besucht ihn nie zu Hause!

Jedenfalls bin ich Kern unendlich dankbar. Denn ich mag das Lokal in dem Viertel, in dem angeblich mehr gebürtige Italiener leben als sonst wo in Wien. Oben sitzt man nett und nüchtern, unten ist es ein wenig kellerig, aber auch nicht unnett. Die Kellner sind entspannt, die Gäste auch. Die Pizzen entsprechen fast dem neapolitanischen Standard, was nicht alle Wiener mögen, die sich lieber an die dicke, fette US-Pizzateig-Variante halten: Süditalienische Pizza heißt, dass es innen im Kreis ziemlich flüssig sein muss.

In unserer Amore gibt es aber nicht nur das Anti-Slimfit-Gericht, das Kern sonst sicher meidet, sondern eine aktuelle Tagesauswahl, die klarmacht, warum die Pizzeria die ideale Wahl für den SPÖ-Kanzler war. Hier findet man sozial kulinarische Gerechtigkeit: Fünf dicke, kurz gegrillte, exzellente knackige Spargel mit einem ordentlichen Haufen Prosciutto um elf Euro müssen unternehmerische Selbstausbeutung bedeuten. Oder: Eine geschmacklich dichte, mit viel Fisch – leider trockener Thunfisch! – und Garnelen-Getier ausgestattete Meeressuppe um 14 Euro bringt ein bisschen Adria-Urlaub, von dem der Mittelstand einst träumte. Um es in den Worten der Generation Instagram zu formulieren, die Kern so mag: So schmeckt Umverteilung. Und die Internationale.

Tipp

That’s Amore, Messenhausergasse 13, 1030 Wien, Tel: 01/343 95 18, täglich 11.30–15, 17.30–23 Uhr.

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