Geschmacksfrage: China Bar

System- statt Lokalkritik: Wie ich in der neuen China Bar irgendwie scheitere.

(c) Julia Stix

TIPP

Für den lokal streng kosmopolitisch lebenden Wiener Städter, der die Unterschiede zwischen Berlin, Prenzlauer Berg, und Wien, Karmelitermarktviertel, klavierspielen kann und so individualistisch lebt, dass er die Bezeichnung „Bobo“ scharf von sich weist, war es eine wahre Sensation: On übernimmt Una. Simon Xie Hong, Betreiber des On mit seiner guten China-Beisl-Küche und schweigender TV-Koch („Silent Cooking“), richtet in dem kleinen Restaurant in der Burggasse, in dem bisher Una Abraham ihre unkomplizierte Küche führte, die China Bar ein. Um die Bedeutung dessen zu zeigen: Das ist etwa so, wie wenn Alexander Van der Bellen im Hinterzimmer des Skopik & Lohn ein Tabakseminar anböte oder „Datum“- und „Falter“-Autoren am Brunnenmarkt zu einer öffentlichen Blattkritik des jeweils anderen Mediums antreten würden. Und dazu servierte Maria Vassilakou Mezzes aus dem nahen Kent. Entsprechend hymnisch fielen die ersten Kritiken des winzigen Lokals aus, der Beifall will kein Ende nehmen. Allabendlich warten Dutzende Gäste an der kleinen Bar, um Teil der Erfolgsgeschichte zu werden.

Daher macht es auch nicht so viel, wenn der reservierte Tisch gerade nicht frei ist. Am Stammtisch findet sich noch ein Platz, die Bekannten, die dort auf ihr Essen warten, sind großzügig. Sich zu unterhalten fällt wegen der Lautstärke und der Rauchschwaden nicht leicht, aber da muss man durch. Die Küche liefert in unregelmäßigen Abständen Gerichte, für die Simon Xie Hong bekannt wurde: einen Salat mit kalten Kutteln, schön scharf-säuerlich. Danach wird es winterlich: Der Eintopf aus butterweichem Tintenfisch, Schweinebauch und Gemüse hat viel Zimt, Sternanis und Co. abbekommen, da spart man sich das Dessert. Die geschmorte Chorizo auf Gemüse schmeckt klarer und frischer. Die Lammkeule in gelbem Curry zerfällt beim Anschauen, schmeckt mollig, gut und wieder süßlich … ein bisschen wie die ganze Stimmung hier, ich bekomme zarte Kopfschmerzen. Der Streifen „Falling Down“ könnte ähnlich beginnen. Der Wirt tätschelt mir die Schultern, ich ihm reflexartig auch. Eine Restaurantkritik wird das einfach nicht mehr, mehr eine Systemkritik. Oder wir gehen in ein paar Wochen hin, wenn alles ruhiger ist. Und was macht eigentlich Una Abraham?

China Bar, Wien 7, Burggasse 76, Tel.: 01/522 08 31, Mo-Fr 12-24 Uhr

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