Saisonale Barkarten: Winter auf Eis

(c) AP (Eric Risberg)
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Saisonale Barkarten sind im Kommen. Und führen Holunderblüten im Herbstcocktail an. Von einem nicht ganz ausgereiften Trend, und was heimische Spirituosen damit
zu tun haben.

Eines der Wörter der Stunde – nein, nicht Regionalität, sondern Saisonalität – ist auf Speisekarten scheinbar leicht nachzuverfolgen: Sind da im Herbst und Winter Kürbis, Maroni und Rotkraut angeführt, ist alles in Ordnung, das Lokal ist brav und bekommt einen grünen Orden. (Absurderweise sind freilich die Leute, die Saisonalität fordern, dieselben, die sich beschweren, wenn im Frühling tatsächlich auf jeder Karte Bärlauch und Spargel und im Herbst überall Kürbis und Rotkraut zu finden sind.) Wann aber darf man korrekterweise eingelegten Kürbis essen, der vielleicht monatelang zieht? Im Frühling, wenn er fertig gezogen ist, oder erst im nächsten Herbst, weil da Kürbiszeit ist? Und wann haben schwarze Nüsse eigentlich Saison – ein halbes Jahr nach der Ernte, also jetzt, wenn sie im Glas schwarz geworden sind, oder im nächsten Juni, wenn die Nusskollegen auf den Bäumen wieder grün sind? So manch beflissener Saisonalstreber mag da von Zweifeln zerrissen sein.

Herbstblüte. Besonders schwierig scheinen es Barkeeper zu haben, die saisonale Cocktailkarten erstellen – was stark im Kommen ist, freilich ein Trend mit ziemlicher Verzögerung. Da tauchen etwa in der Bar Omar im achten Wiener Bezirk Cocktails mit Holunder- und Hibiskusblüten auf der neuen saisonalen Karte auf – im Herbstkapitel. „Ja, das mit dem Herbst ist gar nicht so einfach – wir haben die Blüten natürlich im Sommer geerntet, aber vom Extrakt zehren wir bis in den Herbst hinein!“, sagt die Omar-Chefin. Ein anderer Drink aus der dortigen Herbstkollektion enthält Cherrytomaten und Basilikum. Ist das die neue Bar-Saisonalität? Das Ansinnen, Barkarten mit saisonal wechselnden Drinks interessanter zu machen – abseits von Mojito im Sommer und Irish Coffee im Winter –, ist zu honorieren, das Potenzial scheint allerdings noch nicht ausgereizt.

Cuisine Style. Selbst angesetzte Infusions und Essenzen aus Gemüse, Obst oder Kräutern sind in jeder guten Bar mittlerweile Standard, ein Aspekt des sogenannten Cuisine Style. Da zieht Sternanis in Cognac, Earl Grey gibt sein Aroma an Gin ab, aus rotem Paprika oder Sellerie werden Extrakte für Cocktails hergestellt. Hier lässt sich mit saisonalen Zutaten sehr viel bewirken: Schlehen in Wodka einzulegen, wie es in Schweden gang und gäbe ist, ist keine Kunst. Das Ergebnis ist eine äußerst aromatische Flüssigkeit, hier hat man als Barkeeper Köchen etwas voraus – man muss sich nur die Mühe machen, Schlehen zu finden. Auch andere Herbst-Winter-Wildfrüchte wie Hagebutten oder Sanddorn eignen sich für die Verwendung in Cocktails für die zweite Jahreshälfte besser als Tomaten und Basilikum.

Dabei ist eben die Ausgangsfrage, die über dem Trend der Saisoncocktails schwebt: Was heißt denn nun saisonal? Bei heimischen Früchten und Blüten ist das zunächst einfach zu beantworten: Man nimmt, was gerade reif ist. Siehe also Holunderblüten im Herbst? Also doch nicht; alles, was angesetzt werden muss – und das ist in Bars vieles – ist zu einem anderen Zeitpunkt „reif“ für den Einsatz, als die Zutat selbst geerntet wird.

Vanillekipferl-Erinnerungen
. Auf der Suche nach dem Einsatz mit saisonaler Richtigkeit, geht man wohl am ehesten nach dem Image der Zutat, wie auch bei Gewürzen wie Vanille, Nelken und Zimt: Sie sind zwar das ganze Jahr verfügbar, müssen aber in Bars deshalb als winterlich gelten dürfen, weil man sie aus Weihnachtsgebäck und Glühwein kennt. Und gute Cocktails spielen oft mit Traditionen, Vanillekipferl-Erinnerungen bei einem Drink mit Vanille-Rum sind also durchaus erwünscht und wichtiger Teil der Cocktail-Psychologie.

Nächste Frage: Wenn es bei der Cocktail-Saisonalität auch um Regionalität geht – und das ist ja der Reiz an der Sache, exotische Früchte sind fast immer verfügbar und keiner Jahreszeit mehr zuzuordnen –, sind dann nicht heimische Bar-Spirituosen die logische Wahl? Also etwa der unlängst prämierte Wodka von Farthofer oder der Dinkel-Wodka Wanessa, der Blue Gin von Reisetbauer oder der Gin Alpin vom Guglhof (der heißt übrigens erst seit einem lächerlichen David-gegen-Goliath-Namensstreit, ausgehend von der multinationalen Virgin-Gruppe, so, vorher nannt er sich Vir-Gin), der Whisky aus der Dachstein-Destillerie oder jener aus dem Waldviertel? Ganz abgesehen davon, dass „made in GSA“ (Germany, Switzerland, Austria) gerade ein weiterer Trend in Bars ist... 

TIPP

Winter im Glas: Saisonale Cocktailrezepte auf Schaufenster.DiePresse.com

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