Kabellose Küche: Drei Männer und kein Strom

Romantisch. Hannes Müller, Josef Floh, Andreas Döllerer –  neun Hauben und 35 Kerzen.
Romantisch. Hannes Müller, Josef Floh, Andreas Döllerer – neun Hauben und 35 Kerzen.(c) Ferdinand Neumüller
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Brennholz, Hütte, Kerzenschein: Die Tücken und Chancen einer kabellosen Küche, erlebt von Andreas Döllerer, Josef Floh und Hannes Müller.

Über Kohlen. Der Lauch wird über der Glut gegart, bis er schwarz ist. Das Innere wird verwendet.
Über Kohlen. Der Lauch wird über der Glut gegart, bis er schwarz ist. Das Innere wird verwendet. (c) Ferdinand Neumüller
Kohlenzitat. Milchkalbsbackerl, über Glut gegarter Lauch und „Holzkohle“ – schwarzes Gebäck – von Döllerer.
Kohlenzitat. Milchkalbsbackerl, über Glut gegarter Lauch und „Holzkohle“ – schwarzes Gebäck – von Döllerer. (c) Ferdinand Neumüller

Was die ganze Zeit so ganz anders ist als sonst, fällt Hannes Müller erst relativ spät auf: „Burschen, schaut’s  einmal, wie leise es ist, so ohne Elektrizität.“ Die beiden weiteren Herren in der Küche der Naggleralm hoch über dem Weißensee, Josef Floh und Andreas Döllerer, schauen und horchen: tatsächlich Stille. Es dröhnt kein Pacojet, kein Thermomix. Romantische Seelen würden jetzt vielleicht das Feuer im Holzofen knistern und die Kerzen flackern hören, aber die drei Männer sind dafür wohl zu abgebrüht. Obwohl Sätze fallen wie: „Du, Schatzi, brennt das eh net an?“

Hannes Müller hatte (für einen guten Zweck) zu einem Experiment auf die Slow-Food-affine Naggleralm von Wirtin Almut Knaller gebeten – unter dem Motto „Chefs unplugged“: Es galt, vier Gänge ohne Strom und Gas zu kochen, aber dennoch nicht banaler, als es die Gäste der drei Köche gewohnt sind. „Welche Gerichte sind möglich, wenn wir uns so einschränken?“, formuliert Müller die Forschungsfrage. 

Gefühl entwickeln. Einschränkung – mit dem Wort hätten wohl einige Köche ein Problem, in Zeiten, in denen in hochprämierten Küchen ganz bewusst eine offene Feuerstelle eingerichtet wird, zuletzt im Taubenkobel. Aber Hannes Müller hat schon recht, denn man ist mehr gefordert, als man glaubt, wenn man versucht, ganz ohne Strom zu kochen. Die drei Köche mussten nämlich auch in der Vorbereitung umdenken: ohne Strom Schnee schlagen für 60 Gäste? Nein, danke. Das Garen selbst scheint da fast die geringere Herausforderung. Dafür muss man sich „nur“ umgewöhnen, ein Gefühl für Temperaturen und sonstige Eigenschaften eines Holzfeuers entwickeln. Wenn der Strom fehlt, kann man sich eben nicht auf die gleichmäßige Temperatur des Sousvide-Beckens verlassen, nicht dem Konvektomat vertrauen.

Nicht nur Andreas Döllerer wird hier auf der Alm bewusst, wie sehr man sich als Koch an die Annehmlichkeiten einer heutigen Profiküche gewöhnt hat. „Mit strombetriebener Technik geht alles so viel effizienter, und wir Köche stehen alle unter Zeitdruck. Der Geschmack wird mit dem Holzherd aber besser. Wir haben seit dem Umbau einen Holzkohlengrill.“ Aber meist kocht Döllerer eben doch mit Strom.

Und man nützt wie viele andere auch in der Vorbereitung strombetriebene Geräte: Der Pacojet etwa ermöglicht es, aus einem gefrorenen Block Fruchtpüree in Sekunden ein Sorbet zu schaben. Der Pürierstab ist stets griffbereit – Hannes Müller muss hingegen die gute alte Flotte Lotte herauskramen, um ein Linsenpüree zum Saibling von Fischer Martin Müller machen zu können. „Ein Eis würden wir aber auch so schaffen“, meint er angesichts der noch immer meterhohen schneeweißen Naturkühlräume rund um die Hütte.

Kerzenschein. Vor der Nagglerhütte hat das Team von Wirtin Almut die Feuerstelle von den Rekordschneemassen befreit – man musste einen Stiegenabgang in die Masse schlagen, um für die Köche den Weg zum Rost zu ebnen. Und drinnen ist der alte Holzherd bereit für Scheit um Scheit.

Solange es hell ist, stellen die Gastköche Stumpenkerzen als Arbeitsbeleuchtung auf alle möglichen Ablageflächen in der Küche. Zunächst sind es dreißig, mit der Zeit kommen noch ein paar dazu. Josef Floh, der Sellerieknollen in der Folie schmort und das Innere später als „Herzstück“ mit Kraut und Elsbeeren serviert, läuft ständig Gefahr, die Feder seines Markenzeichenstrohhuts an einer Kerze zu versengen; Hannes Müller, der den Herd mit Brennholz füttert, flucht derweil über die enorme Hitze. „Ich hab fast keine Haare mehr auf dem Unterarm.“ Draußen grillt inzwischen Döllerer seinen Lauch, bis dieser schwarz wird. „Andi, dein Lauch verbrennt!“ – die Hüttenwirtin kann sich noch nicht vorstellen, wie daraus etwas Gutes werden soll. Döllerer entsorgt die völlig verkohlten äußeren Schichten, verwendet nur das Innere: als Beilage zu Kalbsbackerln und sepiagefärbten Krapfen als Holzkohlezitat. Und Fredi Ploder-Rosenberg, der an diesem Abend seine biodynamischen und teilweise amphorengelagerten Weine beisteuert, serviert in der nur mit ein paar Kerzen beleuchteten Gaststube einen orangefarbenen Wein: „Den sieht man gut.“

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