Flusskrebse: Von der Schere bis zum Schwanz

(c) Kochcampus/Helge Kirchberger
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Flusskrebse aus burgenländischer Zucht: eine heimische Alternative zu Hummer und Co.

Naturnah. Für Haigls Krebse gibt es keine Chemie.
Naturnah. Für Haigls Krebse gibt es keine Chemie. (c) Kochcampus/Helge Kirchberger

Tipp

Früher galten Flusskrebse als Arme-Leute-Essen. Die kleinen Krebserln waren mühsam zu fangen, hatten oft einen schlammigen Geschmack und boten wenig nahrhafte Ausbeute. So schaffte man es nicht auf die Teller der feinen Gesellschaft.

Doch die Zeiten haben sich geändert. Krustentiere haben sich zu begehrten Delikatessen gemausert. Hummer ist für viele Menschen überhaupt der Inbegriff von kulinarischem Luxus. Doch seit ein paar Jahren verzichten immer mehr heimische Köche darauf, importierte Meerestiere zu verwenden und kochen lieber mit Fischen aus heimischen Gewässern. Nur bei den Krustentieren gestaltete sich das eher mühsam. Und das, obwohl sich Flusskrebse in vielen Gewässern unseres Landes zu einer richtigen Plage entwickelt haben.

In den 1960er-Jahren wurden aus Amerika Signalkrebse nach Österreich gebracht, weil diese größer und widerstandsfähiger waren als ihre heimischen Verwandten. Mit ihnen wurde auch die Krebspest eingeschleppt, die die ursprüngliche Population in vielen Gewässern vernichtete. Dafür vermehren sich die Signalkrebse fast ungebremst und gefährden vielerorts auch den Fischbestand. Die Krebse verstecken sich im schlammigen Grund von Flüssen und Bächen und ernähren sich von Schnecken, Würmern, Pflanzen und Fischlaich. Sie mit Reusen zu fangen, ist im Sommer zwar keine große Schwierigkeit, doch schmecken sie manchmal modrig und schlammig.

Säckeweise. In der südlichen Steiermark hat sich Richard Rauch vom Steira-Wirt in Trautmannsdorf schon vor Jahren dem Flusskrebs-Thema zugewandt. In heißen Sommern, wenn die Krebse besonders aktiv sind, haben ihm die Fischer an guten Tagen gleich säckeweise Flusskrebse vorbeigebracht. Das Problem war nur, dass die Krebse unterschiedlich groß waren und nicht immer gleich schmeckten. „Wir haben damals nur die Schwänze und die Scheren verwendet und daraus ein Tatar gemacht. Für einen Koch eigentlich eine Schande, aber wenn man unangekündigt große Mengen bekommt und dann tagelang wieder nichts, kann man keine arbeitsintensiven Gerichte auf die Karte nehmen. Außerdem schmeckten die restlichen Teile nicht immer einwandfrei. Mich hat das immer gestört, weil ich am liebsten das ganze Tier verwerte“, erklärt Rauch.

Doch im vergangenen Herbst lernte er den Fisch- und Krebszüchter Gernot Heigl aus Stegersbach kennen und war von seinen Krebsen auf Anhieb begeistert. Der ehemalige Journalist Heigl hatte vor fünf Jahren eine neue berufliche Aufgabe gesucht und ist dabei über das Thema Fisch- und Krebszucht gestolpert. Heigl war zwar begeisterter Fischer, von der Fischzucht hatte er jedoch keine Ahnung. „Mir war nur klar, dass ich so naturnah wie möglich arbeiten will. Keine Chemie, keine Futter­zusätze, keine Antibiotika oder sonstige Hilfsmittel zur Ertragsteigerung“, umschreibt Heigl seine Philosophie. Wegen dieser ist er auch für die heurige Trophée Gourmet nominiert.

Das Wasser in den 25 Tanks, in denen sich heute unzählige Saiblinge, Forellen und Flusskrebse tummeln, hat Trinkwasserqualität, was Heigl gerne dadurch unterstreicht, dass er es vor Besuchern trinkt. Dass er ohne Chemie und Medikamente auskommt, hat mit der hohen Wasserqualität, der geringen Besatzdichte und einer speziellen UV-Bestrahlung, die Bakterien und Keime im Wasser abtötet, zu tun. Außerdem befinden sich alle Tanks in einer penibel geputzten Halle, um externe Verunreinigungen auszuschließen. „Meine Fische und Krebse muss man nicht hältern. Die kann man aus dem Becken holen und essen. Wer will, sogar roh“, sagt Heigl.

Guten Gewissens. Die Begegnung mit Heigl hatte für Richard Rauch Folgen. So wie seine Kollegen Jürgen Csencsits und Harald Irka hat der Steira-Wirt-Koch eine langfristige Liefervereinbarung mit Heigl geschlossen, die ihm das ganze Jahr über Flusskrebse sichert. Noch wichtiger als die ganzjährige Verfügbarkeit ist Rauch jedoch, dass die Krebse geschmacklich perfekt und hygienisch absolut unbedenklich sind. Den nur dann kann man guten Gewissens das ganze Tier verarbeiten.

Beim zweiten Kochcampus – einem regelmäßig stattfindenden Treffen der besten Köche Österreichs, bei dem es um einen offenen, kollegialen Austausch geht – präsentierte Rauch zwei Krebsgerichte, für die er tatsächlich das ganze Tier verwertete: einen Frühlingssalat mit Krebsschwanz und den ausgelösten Füßchen – eine penible Feinarbeit, bei der man zur Pinzette greifen muss, und eine gebackene Schere mit einer Mayonnaise-artigen Innereien-Creme, dazu einen Rosengeranien-Schaum in der Krebsschale. Neo-Züchter Heigl freut sich zwar über (angemeldete) private Besucher – auch einen Ab-Hof-Verkauf gibt es –, doch wer sich jetzt schon überlegt, wie er die Krebserln  am besten zubereitet, hat sich zu früh gefreut: Die Anzahl der Krebse ist limitiert. Und weil es knapp vier Jahre dauert, bis ein Krebs mit 70 Gramm ausgewachsen ist, lässt sich das Angebot nicht beliebig erweitern. Wer trotzdem die Heigl-Krebse kosten will: Seit Anfang Mai wird im Steira-Wirt das ganze Tier in zwei Gängen serviert.

Flusskrebse besuchen: Gernot Heigl, Grabenstraße 55, Stegersbach, www.fischundkrebs.at
Flusskrebse essen: etwa beim Steira-Wirt Richard Rauch, 8343 Trautmannsdorf 6.
Videos vom Kochcampus:kochcampus.at

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