Hunger auf Hongkong

Teig. Eine der besten  Dim-Sum-Adressen: das Spring Moon. Die Köche beginnen hier um fünf Uhr Früh.
Teig. Eine der besten Dim-Sum-Adressen: das Spring Moon. Die Köche beginnen hier um fünf Uhr Früh.(c) Beigestellt
  • Drucken

Anlässlich der Art Basel Hongkong: ein Streifzug durch die Kulinarik der Stadt. Mit Sterne-Dim-Sum, Hühnerspießchen und Folgen der spanischen Krise.

Spanien-Snack. Ham-Cheese&Truffle-Bikini heißt dieses Sandwich aus dem hippen Catalunya.
Spanien-Snack. Ham-Cheese&Truffle-Bikini heißt dieses Sandwich aus dem hippen Catalunya.(c) Beigestellt
 Neu.  Im Bo Innovation wird die kantonesische Küche dekonstruiert. Hier: sprudelnder Sesam.
Neu. Im Bo Innovation wird die kantonesische Küche dekonstruiert. Hier: sprudelnder Sesam.(c) Beigestellt
Fusion. Richard Ekkebus im Amber verdient laut Tim Raue „ohne Wenn und Aber drei Sterne“.
Fusion. Richard Ekkebus im Amber verdient laut Tim Raue „ohne Wenn und Aber drei Sterne“.(c) Beigestellt

Hongkong ist anders. Hier essen auch Einheimische im Hotel, oder man geht als Tourist in andere Hotels zum Essen. Hongkong ist anders. Hier boomen neuerdings spanische Lokale. Hongkong ist anders. Mit den Begriffen „farm to table“, Slow Food oder Lebensmittel-Herkunftsradius kann man hier wenig anfangen. Hongkong ist anders. Die „Michelin“-Stern-Vergabe ist – gelinde gesagt – gewöhnungsbedürftig. Das ist zwar bekannt, sorgt aber dennoch mitunter für Ärger. In Onlineforen wimmelt es von Kommentaren wie „Waren die Tester betrunken, stockbetrunken oder schon bewusstlos?“
In Hongkong können auch Dim-Sum-Lokale, deren Ambiente einem in die Jahre gekommenen Autogrill in nichts nachsteht, mit einem „Michelin“-Stern aufwarten. Man wähle etwa eines der Tim-Ho-Wan-Lokale oder, auch der Anfahrt wegen, das Din Tai Fung auf Hong Kong Island, setze sich am Knotenpunkt Central in die alte Doppeldecker-Straßenbahn und gondle gen Osten. Der Tatsache, dass Tom Cruise schon hier war, entkommt man im schmucklosen Gebäudekomplex genauso wenig wie der hohen Auszeichnung: Fotos des Filmstars überall, große Banner mit der Sterne-Information an der Fassade. Spezialität hier sind die Xiaolongbao, mit heißer Suppe gefüllte Täschchen aus unfassbar seidigem Teig. Den Anfängern zeigt eine plastikverschweißte, deppensichere Bildanleitung, wie man sie zu essen hat: Löffel darunterhalten, Teig mit einem Stäbchen anstechen, ausrinnende Suppe aus Löffel schlürfen, Rest essen. Grandios.

Vielfalt. Kunstvoller und ungleich luxuriöser sind die Dim Sum im Lung King Heen im Four Seasons, dem ersten chinesischen Dreisternlokal, in dem man tunlichst reservieren sollte, oder im Spring Moon, einer Konstante der hiesigen Lokalszene. Das kantonesische Lokal in der Hotel­legende Peninsula ist zu Mittag brechend voll mit Einheimischen – siehe „Hongkong ist anders“. Ein gutes Zeichen. Zwar bekommt man auch Vogelnester in verschiedenen Versionen zu essen – ab etwa 60 Euro pro Portion ist man dabei –, man konzentriere sich aber besser auf die Dim-Sum-Vielfalt. Etwa die filigranen, frittierten Teig-Chrysanthemen oder jene aus rosa Rote-Rüben-Teig, Hummer und grasgrünem Spargel. Der Spargel wird, wie so ziemlich alles hier, eingeflogen. In Hongkong darf man sich, sagt Executive-Chef Florian Trento, in Sachen Nachhaltigkeit keine Illusionen machen. „Hier wächst nichts, zu wenig Raum. Es wird alles importiert.“ Zwar gibt es erste, kleine Projekte mit lokalen Bauern, die Trento auch unterstützt, die lieferbaren Mengen sind aber marginal. Im Peninsula versucht man daher, Vorreiter in Sachen Abfallwirtschaft zu sein. „In Asien hat man es nicht so mit Recycling. In Hongkong haben wir zusätzlich ein Deponie-Platzproblem, und Müllverbrennung gibt es nicht.“ Man hat also eine Maschine angeschafft, die auf wundersame enzymatische Weise die Lebensmittelabfälle des Luxushotels zu einer klaren Flüssigkeit zerlegt. Diese rinnt einfach in den Abfluss. 

Kurzlebig. „Hongkong ist nicht so groß. Deshalb ist es bei uns schon ein Trend, wenn zwei, drei Lokale das Gleiche machen“, meint die Weinjournalistin Sarah Heller. „Zurzeit sind Yakitori-Lokale wie das Yardbird oder das Three Monkeys und spanische Lokale wie das Catalunya der letzte Schrei.“ Der Boom der spanischen Lokale hat auch mit der Krise in Spanien zu tun, bestätigt Florian Trento. In diesen Restaurants geht es weniger um Molekularküche, wie man vielleicht auch glauben könnte, als um Schinken, Tortilla und Sherry. Molekular kocht hingegen ein anderer Koch, der für 2014 erstmals mit drei „Michelin“-Sternen (allerdings: siehe eingangs) bewertet wurde: Alvin Leung vom Bo Innovation. Er zerlegt traditionelle kantonesische Gerichte in ihre Zutaten und serviert sie in neuer Gestalt, unter anderem mithilfe von Molekulartechnik. Das Ergebnis kann etwa ein gelierter Soup Dumpling sein (der abgedroschene Innen-flüssig-Effekt ist in diesem Fall sogar sinnvoll, weil durch die originalen Xiaolongbao bestimmt). Das Bo Innovation bietet zwar nicht unbedingt große Küche, ist aber hinsichtlich kantonesischer Zutaten aufschlussreich. Vor allem, wenn man am Chef’s Table sitzt und der medienerfahrene Alvin Leung alles kommentiert.    

Eine völlig andere Küche zeigt Richard Ekkebus im Amber im The Landmark Mandarin Oriental: französisch mit neuen Aromen, unglaublich exakt, fantastische Produktqualität (auch hier: alles eingeflogen). Das Amber ist kürzlich in der 50-Best-Liste zwölf Plätze nach vorn gesprungen, auf Rang 24, als bestes Restaurant der Stadt. 

Die Restaurantszene Hongkongs dreht sich unglaublich schnell, sagte der Berliner Tim Raue, der drei Mal pro Jahr hinfliegt, zum „Schaufenster“: „Diese neuen Tapas-Bars sperren ganz schnell wieder zu.“ Der „Guide Michelin“ habe in Hongkong auch einen völlig anderen Erfolgsdruck. „Die Vergabe dort können wir nicht nachvollziehen. Unfassbar, dass das Bo Innovation drei Sterne hat und das Amber nur zwei. Aber der ,Michelin‘ muss dort jedes Jahr etwas ändern – in Hongkong ist ein Jahr genauso wie zehn Jahre in Berlin.“ Das Schlimme an Hongkong sei, ähnlich wie an New York: „Du hast 24 Monate. Dann kannst du mit einem durchschnittlichen Restaurant wieder zusperren. Das ist brutal.“

Tipp

Dim-Sum-Lokale mit „Michelin“-Stern: Tim Ho Wan, 2–20 Kwong Wa Street. Din Tai Fung, 68 Yee Wo St, Causeway Bay.
Dim Sum Fine Dining:Spring Moon im The Peninsula, Salisbury Road, Tsim Sha Tsui.Lung King Heen im Four Seasons, 8 Finance Street. Congee (Reisbrei): Sang Kee Congee Shop, 7–9 Burd St., Sheung Wan.
Große französische Küche: Amber und L’atelier de Joël Robuchon, The Landmark Mandarin Oriental, 15 Queen’s Rd Central. Molekular kantonesisch: Bo Innovation, 60 Johnston Road. Spanisch: Ham & Sherry, 1–7 Ship Street. 22 Ships, 22 Ship St. Catalunya, 32 Oi Kwan Rd. Yakitori: Yardbird, 33–35 Bridges Street. Three Monkeys, 151–155 Hollywood Road. Nicht versäumen: „Dried Seafood Street“, Des Voeux Road West, und Lei Yu Mun Fish Market, Wung Tong. Art Basel Hong Kong: noch bis 18. Mai mit Fokus auf den chinesischen Kunstmarkt, siehe www.artbasel.com

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.