Topinambur: Vor dem Frost

(c) Ulrike Korntheuer
  • Drucken

Im November endet für Uwe Machreich die Ausgrabungssaison. Solange der Topinambur-Acker noch nicht gefroren ist, wühlt der Triad-Chef in der Erde.

(c) Ulrike Korntheuer

Ortsnamen können einen ziemlich in die Irre führen. Ödhöfen zum Beispiel. Was hier in der Buckligen Welt Mitte November noch so alles wächst, ist keineswegs langweilig: Rote Paprika, schwarzer Rettich, Kresse und Zucchini, ja sogar (mehr grüne als rote) Erdbeeren recken sich nach der Sonne. Mittendrin steht Uwe Machreich und schiebt sich hie und da ein Blatt Ysop oder Kresse in den Mund.
Der Zweihaubenkoch aus Bad Schönau hat sich nicht einmal eine Jacke für die Gartenarbeit übergeworfen: „Das ist ja das Lässige: Ich bin gleich wieder in der Küche damit.“ Doch wo andere einen Schaugarten haben und allenfalls Würzkräuter und ein paar dekorative Blüten pflücken, führt Machreich immer eine Schaufel mit sich.

Denn die meiste Freude machen ihm momentan seine Topinambur-Flächen. „500 bis 600 Kilo werden es schon sein“, rechnet er die Jahresernte hoch, „solange der Boden nicht durchgefroren ist, kann geerntet werden.“ Selbst angefrosteten Schaufelaushub lässt Machreich einfach liegen und auftauen. Auf die danebenwachsenden Kartoffelraritäten La Ratte, Bamberger Hörnchen oder Rosa Tannenzapfen sollte man ihn heuer allerdings nicht ansprechen.

Wie ein alter Gemüsebauer schimpft der Koch dann über die Krautfäule, den Kartoffelkäfer und die roten Schnecken („Leider kann man die nicht verkochen“). Der verregnete Sommer hat seinen insgesamt elf unterirdischen Kulturen sehr zugesetzt. Die Topinambur hingegen sei da robuster, zumal sich das mit der Sonnenblume verwandte Gemüse auch vermehrt, wo man das gar nicht so will: „Den Weg dort haben die Stauden schon übersprungen.“ Auch rechts von der Begrenzung seines Knollenhangs wuchert es.

(c) Ulrike Korntheuer

Erdige Selbstversorgung. Von fünf Sorten, die ursprünglich ausgesetzt wurden, erntet Machreich heute nur mehr zwei: die Gute Gelbe und Rozo. „Das waren aromatisch die überzeugendsten.“ Auf die meist im Handel erhältliche Viola hat er zugunsten der Rozo verzichtet, beide Sorten haben eine rötliche Färbung. Apropos Farbe: Wer die Knollen nur aus blässlichen Suppen kennt, wird überrascht sein. Machreich serviert seine Feldfrüchte geschmort und in Scheiben geschnitten, als Chips oder roh mariniert (mit Einkorn-Vinaigrette). Etwa zum Saiblingsfilet, das im Restaurant Triad auf einem nussig-süßen Bett aus dem Beet ruht. Selbst aus den Topinambur-Blättern wird noch ein Gewürzöl bzw. ein Blütensalz produziert. „Für Diabetiker sollte man eigentlich noch mehr machen damit“, sinniert der Bad Schönauer über weitere Einsatzmöglichkeiten der mit dem Polysaccharid Inulin praktisch voll gestopften Knollen.

Überhaupt, die Blüten! Machreich lässt Gemüsepflanzen grundsätzlich auswachsen, „da siehst du plötzlich Sachen, die man nicht kennt, geschweige denn im Handel erhältlich sind“. Samen, Blüten und Blätter, die sich in seiner Küche dann wiederfinden, entdeckt Machreich nebenbei auf seinen Touren in den Garten. Ausgegraben werden schließlich im November auch Süßkartoffeln, die kleinen Crosne oder Knollenziest, die er später knackig wie Chips frittiert, oder die aus Südamerika stammenden runden Melloco (Knollen-Baselle), die wie rosa gesprenkelte Murmeln aussehen.

Einer von Machreichs zwei Ruhetagen gehe schon drauf für die Gartenarbeit. Lediglich zum intensiven Aussetzen und dem Unkrautjäten – Pestizide sind rund um die geomantischen Kraftplätze Ödhöfens strikt verboten – holt sich der Koch Hilfe aus dem Rehabilitationsprogramm des Grünen Kreises. Den Gärtner, der noch im Vorjahr nach dem Rechten schaute, hat Machreich kurzerhand durch sich selbst ersetzt. Warum tut sich ein Spitzenkoch diese Arbeit an? Für ein Hobby ist es zu aufwendig, Ideologie möchte der Triad-Chef keine daraus machen.

„Die Gäste bekommen einen anderen Bezug zum Essen, wenn man draußen sieht, wie alles wächst.“ Auch der wirtschaftliche Aspekt sei nicht zu verachten, auch wenn es nicht darum gehe, komplett autark zu wirtschaften und nur Eigenbauprodukte zu verkochen. Und nicht zuletzt schätzt Machreich die Bewegung an der frischen Luft. „Das schadet sicher nicht, wenn du gestern wieder erst heute heimgekommen bist“, wie er lachend erklärt, während er die Erde von den Topinambur schüttelt. Schließlich kommen gleich die ersten Gäste.

Tipp

Einkaufen. Die Topinambur-Produkte gibt es bei Veronika und Uwe Machreich jeden Samstag und Sonntag (12–18 Uhr) im Hofladen zu kaufen. Ein Kilo der Eigenanbauknollen kostet 4,50 Euro. Ödhöfen 25, 2853 Bad Schönau. triad-machreich.at

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.