Barcelona: Prickelnde Stadt

(c) Gerd Kressl
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Cava und Barcelona – das ist trotz des dortigen Wermuttrends noch immer die stärkste Liaison. Ein Streifzug durch versteckte kulinarische Fleckchen.

Ach, lass mich doch in Ruhe mit deinem spanischen Sekt.“ Das hört der Weinhändler Erich Wagner oft. Der Barcelona- Aficionado trinkt Cava lieber als Champagner. In Sachen Cava herrsche hierzulande viel Unwissenheit, ist seine Erfahrung. Dass Cava wie Champagner strengen Auflagen unterliegt, was die erlaubten Rebsorten oder die Flaschengärung betrifft, wissen wenige, und auch, wie gut verträglich er ist. „Man kann davon schön viel trinken, ohne auch nur annähernd Kopfweh zu bekommen. Es gibt prinzipiell weltweit wenige wirklich trockene Schaumweine, Cava ist einer von ihnen. Viele Leute sagen, er sei nahe am Kork; das ist aber nur, weil er gar so trocken ist.“ Das stärkste Argument, das in Wagners Augen für Cava als Lebensbegleiter spricht, hat freilich mehr mit einer Sehnsucht zu tun: der Sehnsucht nach Barcelona, die in seinem Fall viele Wochen im Jahr gestillt werden will. „Wer einen Bezug zu Barcelona hat, trinkt Cava.“ Und wer Cava trinkt, will auch essen.

Fischtapete und Woody Allen. Zum Beispiel bei den Zwillingen Max und Stefano Colombo, die in ihrem unprätentiösen Lokal Xemei in einem ruhigen Wohnviertel eine venezianisch-katalanische Küche bieten, die jene, die hierherfinden, mit unglaublicher Lässigkeit und dennoch absolut schlafwandlerischer Beherrschung des Handwerks in ihren Bann zieht. Ursprünglich eher eine Spelunke, präsentiert sich das Xemei heute unter anderem dank einer auffallenden Fischtapete schon aufgemaschelter. Vollbärtige New Yorker Bohemiens und Grätzelbewohner an den Nebentischen, Cava und diverse Nischenweine darauf, beste Stimmung. Dem Vernehmen nach sollen die Zwillinge einmal schon Woody Allens Tisch ungerührt weitervergeben haben – der Regisseur war deutlich zu spät, man hatte keine Lust auf Extrawürste. Den Zwillingen (auf Katalanisch Xemei) gehört auch die Naturweinbar Bar Brutal in einer engen Gasse im Altstadtviertel El Born. Die Bar gilt als hiesige Keimzelle für die Verbreitung polarisierender Weine wie jener von Porcellánic, die unter Wasser in Tonflaschen reifen. Weine, die für manche schon in Richtung Craft-Bier gehen. In der Bar Brutal wird souverän aufgekocht wie selten in Weinbars. Die Karte listet naheliegenderweise Naturweine aus den nahen Weinbauregionen Penedés und Priorat, etwa jene des deutschen Winzers Dominik Huber und seinem Weingut Terroir al Limít, aber auch österreichische, französische, italienische.

Aha-Erlebnisse. In manche Lokale im Hafenviertel würde man nie hineingehen, weil sie umzingelt sind von touristischen Sangria-Buden. Hat man sie aber einmal besucht, möchte man sie am liebsten in die eigene Heimatstadt verpflanzen, um sie jede Woche aufsuchen zu können. Lokale wie das Suquet de L’Almirall an der Touristenflaniermeile Passeig Joan de Borbó. Die eigentümlichsten Meerestiere stehen hier auf der Karte und die hiesige Version der Oktopus-Paprika-Spezialität Pulpo a la gallegha sieht daraufgestreute gehackte Bitterschokolade vor – eine Idee, die man sich tunlichst merken sollte – und zu trinken gibt es allerbesten Cava: etwa den Gran Reserva Barrica von Agustí Torelló Mata.

Weniger um Cava als vielmehr um Bier aus der Flasche, Wein aus dem Fass mit Plastikschlauch und Espresso mit schwefelgelbem Likör – und das für das hiesige Publikum, Marktstandler, Müllmänner, gern schon ziemlich zeitig in der Früh – geht es in einer der wohl besten Tapasbars der Stadt: dem von außen völlig unscheinbaren Cova fumada im Stadtteil Barceloneta. Ein Familienbetrieb seit Jahrzehnten, dem die Erfindung der sogenannten Bomba zugeschrieben wird, einem Erdäpfelbällchen mit Fleischfülle, Aioli und scharfer Sauce. Fotografiert werden darf die Herstellung dieser Tapaslegende nicht. Als Beleuchtungdienen Neonröhren, an der Wand hängen Messi-Devotionalien, und die Rechnung wird auch einmal auf die steinerne Budel geschrieben. Die Großmutter schält im Gastraum Knoblauch, ein kontemplatives Bild; wenn der Tisch für einen Gast gebraucht wird, wird die alte Dame in die Küche verfrachtet, später kommt sie wieder heraus und schält seelenruhig weiter.

Der Vinothek-Platzhirsch, die Vila Viniteca, ist in Gehweite der besten Schaumweinbar, La Vinya del Senyor. Letztere liegt auf der Plaza Santa Maria im Viertel El Born, eine altmodische und enge Stahlwendeltreppe führt ins Obergeschoß, wo man auf den Platz blickt. La Vinya del Senyor ist auf Schaumweine spezialisiert. Allein die Liste mit „Escumosos Catalunya“ ist schier endlos und reicht von Einsteigercavas, freilich schon auf sehr hohem Niveau, bis zu Flaschen wie dem Gran Reserva 1998 von Raventós i Blanc. Hier trinkt ein internationales Publikum, aber keine Klischeetouristen, die Bar ist sangria- und wermutfreie Zone.

Cava-Stadt. Auch das Aussichtslokal Mirablau am Fuß des Tibidabo, des Hausbergs von Barcelona, hält die Cava-Kultur hoch. Hier trinkt man bei prachtvoller Aussicht etwa den überaus trockenen Reserva de la Familia von Juve y Camps. An der Glaskultur sollte man in diesem Lokal jedoch noch arbeiten, bevor zu Silvester halb Barcelona hier oben feiert. Wenn man das nicht in der fabulösen Dry Martini Bar tut, einem gewitzt-altmodischen Hort klassischer Barkultur: Barchef Paco, ein eleganter älterer Herr, mixt nicht nur seine legendären starken Martinis – eine Leuchtanzeige weist bisher weit über eine Million aus –, sondern hält auch Cava als das Traditionsgetränk Barcelonas hoch: Der Kir Royal wird hier statt mit Champagner mit Cava gemacht.

Die Autorin reiste auf Einladung von Wagners Weinshop nach Barcelona.

Tipp

Xemei, Venezianisch-katalanisches Restaurant, Paseo de la Exposicion, 85.

Suquet de L’Almirall, Fischlokal in Hafennähe, Passeig Don Joan Borbó Comte Barce lona, 65.

La Vinya del Senyor, Schaumweinbar, Plaza Santa Maria, 5.

La Cova fumada, Tapasbar, Carrer del Baluart, 56.

Bar Brutal, Carrer de la Princesa, 14.

Dry Martini Bar, Aribau, 166.

Mirablau, Restaurant und Bar mit Aussicht, am Fuß des Tibidabo, Plaça Doctor Andre.

Vila Viniteca, Weinhandlung, Carrer dels Agul lers, 7.

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