Der Karpfen und sein fetter Ruf

Die Presse
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Seit 1635 schwimmen in den Teichen des Gut Dornau Karpfen und Co. Ferdinand Trauttmansdorff beliefert auch zu Weihnachten die Gastronomie – etwa das Steirereck .

Ganz verstehen kann Ferdinand Trauttmansdorff das nicht. Zu Weihnachten, gut, da darf es ein Karpfen sein. Aber den Rest des Jahres wird der Fisch aufgrund seines schlechten Rufs allzuoft verschmäht. Zu fett, zu schlammig – diese Vorurteile halten sich fest in den Köpfen fleischverliebter Österreicher. „Das ist wirklich schade um den Karpfen. Die Fütterung hat sich ja komplett geändert. Der Fettgehalt des Karpfens hat sich in den letzten zehn, 15 Jahren halbiert“, sagt Trauttmanssdorff, der die Fischerei im niederösterreichischen Gut Dornau betreibt. „Man bringt ihn nicht weg vom Fleck. Der Karpfen wird immer noch mit der Sau in Verbindung gebracht, die alles frisst.“

Überhaupt gehe ihm nicht ein, dass Schlamm, die natürliche Umgebung für den Fisch, als schlecht empfunden werde, während ein „betoniertes Becken mit glasklarem Wasser okay ist“. Ein Karpfen komme, bevor er geschlachtet wird, ja ohnehin in ein „Absetzbecken“, in dem er den Schlamm absetzt, der wiederum als Humus für die eigene Landwirtschaft verwendet wird. Wobei sich Trauttmansdorff über seine Kunden eigentlich nicht beschweren kann – zumindest die Stammkunden. Die zählen nämlich zu den Spitzenköchen des Landes – von Heinz Reitbauer abwärts – und wissen durchaus zu schätzen, dass hier möglichst naturnah gearbeitet wird.

„Das Steirereck und den Schnattl hab ich als einer der ersten beliefert, als Süßwasserfische bei uns wieder geschätzt wurden.“ In den 90er-Jahren war das. Um aber die Geschichte des Gut Dornau im niederösterreichischen Leobersdorf zu erzählen, muss ein bisschen weiter ausgeholt werden. 1635 wurden hier, entlang der Triesting, die ersten Teiche gebaut. Von dem einstigen Schloss ist nur noch eine Mauer zu sehen.

Trauttmansdorffs Großeltern haben sich später hier im Gut Dornau angesiedelt. „Meine Großeltern kommen ja aus Tschechien, nachdem sie von den Kommunisten enteignet wurden, sind sie hier hergekommen. Sie haben das komplett zerbombte Dornau aufgebaut. Die Russen-Besatzung hat hier relativ gewütet.“ Damals wurden ein paar Karpfen verkauft und eine Landwirtschaft betrieben. „Mein Großvater hat versucht die 25, 30 Leute zu erhalten, die am Gut waren. Es gab ja keine Versicherung, man wurde bis zum Tode von der Gutsverwaltung versorgt. Er hat sich in christlicher Weise um sie gekümmert.“ Einen Fischereibetrieb wie heute gab es noch nicht, das Hauptaugenmerk lag auf den Besatzfischen für den Angelsport. „Zu Weihnachten hat man ein paar Karpfen verkauft, und das war's.“

Vom Karpfen bis zum Krebs

Sein Vater hat dann begonnen, die Teiche auszubauen – „den letzten Teich haben wir gemeinsam ausgebaut“ – und vermehrt Karpfen angesiedelt. Heute bewirtschaftet Trauttmansdorff 70 Hektar Wasserfläche für Fried- und Raubfische (wie Karpfen). Dazu kommt ein 1,5 Hektar großes Areal, in dem die Fließwasseranlage für Forellen und Saiblinge untergebracht ist. „Das kann man aber nicht vergleichen, weil da ja viel mehr Fische drinnen sind. Der Anteil an karpfenartigen Fischen und Salmonidaen ist heute ausgeglichen.“ Rund 200 Tonnen Fische – vom Karpfen über Forelle und Saibling bis zu Wels, Huchen, Äsche und Stör – werden pro Jahr im Gut Dornau verkauft. Mittlerweile laufe das Geschäft gut. Als er vor knapp 30 Jahren das Gut von seinem Vater übernommen hat, war es noch schwierig, der Gastronomie den Süßwasserfisch schmackhaft zu machen. „Damals haben die Wirte gesagt, sie haben eh ihren Tiefkühlfisch.“ Heute meint Trauttmansdorff: „Meine Intention war nicht so dumm, ich habe auch Rückenwind durch die Öffentlichkeit, man isst wieder gesünder und schätzt das Regionale.“

Ein Schlag auf den Kopf

Täglich werden ein paar hundert Kilogramm Fisch verarbeitet, zwei Mal pro Tag werden die Kunden beliefert, erklärt er und führt in die Verarbeitungshalle, in der fünf Mitarbeiter in Windeseile Fische schlachten, von den Schuppen befreien, ausnehmen und filetieren. „Das passiert alles händisch. Die Fische kommen lebend rein. Sie werden mit einem ordentlichen Schlag auf den Kopf getötet, der Fisch ist klinisch tot, auch wenn er zappelt, das ist nur der Nerv.“ Wie auf sein Kommando bringen zwei Mitarbeiter eine neue Ladung Fische herein. Die Tiere werden in eine große Wanne gekippt, und drei Männer beenden das Fischleben, indem sie den Tieren mit einer Art Knüppel blitzschnell auf den Kopf schlagen. Einen Moment später ist es ruhig in der Wanne.

Daneben ist ein Mitarbeiter damit beschäftigt, eine Regenbogenforelle zu filetieren. Nach wenigen Handgriffen liegen zwei wunderschöne Filets auf dem Tisch. Wie lange er dafür brauche? „Zwei Fische pro Minute“, sagt er. Danach werden die Karpfenfilets mit einer Schröpfmaschine von den Gräten befreit. „Seit wir schröpfen, verkaufen wir kaum noch ganze Fische“, sagt Trauttmansdorff.

Die Filets werden verpackt und Teile davon in die Steiermark zu einem Spezialisten geführt, der sie räuchert. Die Abfälle der Tiere nimmt ein Produzent für Katzen- und Hundefutter ab. „Das ist sehr eiweißreiche Nahrung.“ Apropos Futter: Trauttmansdorff füttert seine Fische teils mit Futter aus der eigenen Landwirtschaft, wie Getreide oder Soja. „Das Wasser muss sowieso passen, sonst geht es nicht. Die ganze Philosophie des Teichbaus ist auf die Vergangenheit aufgebaut. Die Mönche und unsere Familie haben schon gewusst wie das geht. Natürlich modernisieren wir die Arbeitsabwicklung. Aber es ist viel Erfahrung da, und wir wachsen mit“, sagt Trauttmansdorff.

Bei ihm selbst kommt zu Weihnachten übrigens auch Karpfen auf den Tisch. „Am 25. und am 26. gibt es Huchen, aber am liebsten ist mir ein Truthahn zu Weihnachten.“ Ob er noch einen Küchentipp parat habe? „Um Gottes willen, ich bin Fischzüchter“, meint er, um dann doch noch ein paar Tipps zu geben: „Die meisten machen den Fehler und braten den Fisch zu lange. Der ist aber so frisch, ein paar Minuten, bis er glasig ist, reichen aus.“ Wobei: Es sei schade, dass keiner mehr einen Fisch im Ganzen esse. „Durch den Knochen bleibt er viel saftiger. Ich mag ihn am liebsten in der Alufolie im Rohr, da erhält er sein Aroma.“

Auf einen Blick

Ferdinand Trauttmansdorff betreibt im niederösterreichischen Leobersdorf die Fischzucht Gut Dornau. Er beliefert nicht nur die Gastronomie, sondern verkauft die Fische auch ab Hof.

Gut Dornau: Gutsverwaltung Dornau, 2544 Leobersdorf, Weihnachtsverkauf: Mo 22., Di 23. 12. (8–12, 13–17 Uhr), ✆ 02256/626 66, gutdornau.at
Fabry

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.12.2014)

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