Aromatisierter Tee: Eine Welt, zwei Welten

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Aromatisierter Tee ist eine Glaubensfrage. Wie man es macht, wenn man es gut macht, und was dagegen spricht.

Sie hegen dieselbe Leidenschaft und haben dennoch grundverschiedene Einstellungen: Henrietta Lovell alias Rare Tea Lady und Aline Guglielmino Taillefer leben für Tee. Die eine spürt auf Reisen Raritäten auf, berät Spitzenrestaurants und hasst aromatisierten Tee, die andere ist als „Aromaticienne“ beim Pariser Teehaus Dammann für die vielleicht besten parfumierten Tees zuständig, die man finden kann. Eines aber haben die beiden Frauen gemeinsam: Das Öl aus den Schalen kalabrischer Bergamotten ist die Lieblingszutat von Aline Guglielmino Taillefer, und es ist die einzige Aromazugabe in Nicht-Blüten-Form, die Henrietta Lovell für ihr Label Rare Tea zulässt ( Jasminblüten setzt sie sehr wohl ein, sie lagert Tee mit diesen). „Earl Grey ist einfach so ein britischer Klassiker, ohne diesen geht es nicht. Und dieses Öl ist wirklich ein hundertprozentig natürliches Aroma.“

Jahreszeiten. Ob man aromatisierte Tees trinkt, ist eine Glaubensfrage. Denn manchen Teefreaks kommt nur das reine Teeblatt oder etwa Rooibos in die Tasse, aber niemals eine Komposition wie Pomme d’amour, Touareg, Rooibos Oriental oder Yuzu Sencha. Andere wiederum sind verrückt nach jahreszeitlich inspirierten Dufttees, nach den Assoziationen und Sehnsüchten, die ein guter parfümierter Tee auslösen kann. Und zwar im Idealfall in Nase und Mund möglichst ähnlich.

Was die Subtilität des Duftes, die Eleganz von parfümierten Tees betrifft, hat das, was man in Deutschland und Österreich gern trinkt, bei den Franzosen noch immer keinen guten Ruf, wie Dammann-Chefin Flora Jumeau Lafond sagt, auch wenn es deutliche Entwicklungen gebe. „Viele Tees in Deutschland und Österreich, die fast alle im Hamburger Hafen entstehen, wirken zugedröhnt, aufdringlich, billig. Welcher Grundtee für die Kompositionen verwendet wird, ist oft egal, weil das Aroma ohnehin darüberfährt und alles zudeckt. In Frankreich macht man sich – ob das jetzt wir sind oder etwa Mariage frères (ein weiteres berühmtes Pariser Teehaus, Anm.) – traditionell mehr Gedanken über den Grundtee: Soll es für einen Rosentee eine duftige Darjeelingmischung sein oder eine kräftigere mit Ceylon oder Assam?“ Durchschimmern solle der Grundtee, stets auch präsent sein, das sei genau die Kunst. „Ein guter parfümierter Tee ist wie ein Chor, mit mehreren ausgewogenen Stimmen.“

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Um Teeparfumeurin zu werden, hat Aline Guglielmino Taillefer eine Ausbildung an der Ipsica in Versailles abgeschlossen, der Schule für Flavoristen für die Parfum- und die Kosmetikbranche sowie für die Lebensmittelsbranche. Seit dem Jahr 2000 ist sie nun bei Dammann. Die natürlichen und synthetischen Aromen bezieht sie von „europäischen Herstellern“ – mehr Informationen rückt man weder bei Dammann noch bei Tee-Großhändlern im Hamburger Hafen heraus. Die Pariser Teeparfumeurin hat auch international einen Überblick über die Dufttrends bei Tee. „Nach dem Trend der üppigen, quasi kalorienreichen Mischungen mit Anklängen an Kuchen, Macarons oder Muffins haben wir nun den Trend der besonders hochwertigen Grundtees mit rein natürlichen Aromen, also etwa einen Oolong mit ätherischem Rosenblütenöl oder einen junger Frühlings-Grüntee mit Bergamottöl.“

Signature-Mischungen. Henrietta Lovell hingegen wird richtig wütend, wenn man sie auf aromatisierten Tee anspricht. Als Schatzsucherin ist die Britin mehrmals im Jahr in Teeanbaugebieten unterwegs, in Japan, China oder Afrika, von dem man in Sachen Tee noch mehr hören wird – bisher waren die dortigen Plantagen kaum für hochwertigen Tee bekannt, sondern erzeugten für große Sackerlfirmen überoxidierte Brösel. Lovell trägt seltene Tees zusammen und verkauft diese unter dem Label Rare Tea – pur oder gemischt. Sie kreiert für Restaurants wie das Noma in Kopenhagen – derzeit auf Popup- Besuch in Tokio –, das Mugaritz im baskischen San Sebastian oder das Momofuku in New York Signature-Mischungen. Mit dem Noma arbeitet sie auch an einem Tee- Pairing-Menü, „aber das wird noch dauernd, das ist sehr knifflig“, im Mugaritz gibt es schon ein solches. Auch für einen „sehr, sehr berühmten englischen Fußballer“ hat die Rare Tea Lady einen eigenen Tee, einen Bespoke- Blend, aus verschiedenen Anbaugebieten gemischt. Ab mehreren tausend Euro für ihre Dienste ist man dabei; gesondert zu bezahlen sind der Tee selbst sowie das jährliche ernte- und wetterbedingt notwendige Nachjustieren, damit das Geschmacksprofil der Mischung gleich bleibt.

„Pervers.“ Synthetische Aromen oder auch natürliche Öle kommen ihr – mit Ausnahme von Bergamottöl – nicht in die Mischungen. Sie finde die Aromatisierung in Deutschland, in den USA, in Frankreich pervers. „Tee hat so unglaublich viele eigene Aromen, mancher schmeckt nach Maroni, ein anderer nach getrockneten Marillen, nach Malz oder Schokolade. Und was mich wirklich aufregt: Wenn Zucker in Form von kandierten Früchten zugegeben wird, aber nicht auf der Zutatenliste aufscheint, sondern nur als Frucht angegeben wird. In manchen Mischungen ist Zucker die zweitbestimmende Zutat, nach Tee. Das ist absurd. Und dann: chemisches Erdbeeraroma, chemisches Vanillearoma. Lauter Aromen, die nichts mit Tee zu tun haben! Niemand würde Wein mit Erdbeeraroma mischen!“ Ebenfalls auf die Palme bringen Henrietta Lovell die vor allem in Earl Grey omnipräsenten Kornblumenblüten. „Die tragen nichts zum Geschmack bei, wofür sind sie dann gut?“ Und weiters: die in den letzten Jahren aufgekommenen Pyramidenteebeutel. „Die Leute lassen diesen Nylonbeutel im heißen Wasser ziehen und trinken dann eine Nylon-Infusion.“

Tipp

Dammann-Tees: Fast das ganze Sortiment des Pariser Teehauses findet man in Wien bei Selection Neubauer/Epicerie Fine, Porzellangasse 49 a, 1090 Wien.

Rare Tea: Die nicht aromatisierten Raritäten von Henrietta Lovell gibt es auf rareteacompany.com

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