Kaviar: Perlen mit Biss

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Ein Lebensmittel, das man eher nicht als saisonales Produkt sieht: Kaviar. Dabei gehört er in die kalte Jahreszeit.

Mehr als jede andere Delikatesse war Kaviar im vergangenen Jahrhundert der Inbegriff für Luxus und Dekadenz. Die Nachfrage war so groß, dass die Störe im Kaspischen Meer fast ausgerottet wurden. Der Handel mit wild gefangenem Stör und seinem Kaviar wurde, viel zu spät, 1998 weltweit verboten. Die hohen Preise, die für Kaviar bezahlt werden, haben dazu geführt, dass sich Unternehmer auf der ganzen Welt, auch in Österreich, mit dem Thema Zuchtkaviar beschäftigten. Doch dessen Qualität ließ anfangs sehr zu wünschen übrig.

„Alle Züchter mussten anfangs Lehrgeld bezahlen. Die richtige Wassertemperatur, das richtige Futter und der richtige Erntezeitpunkt sind entscheidend. Aber auch bei der Reinigung, der Einsalzung und der Verpackung kann viel schiefgehen“, erklärt Frank Brömmelhaus von Prunier, einem der größten Hersteller von Premium-Kaviar, der in Südwestfrankreich eigene Aquakulturen betreibt.
„Außerdem sollte Kaviar nie zu lang gelagert werden. Leider ist das Wissen um das Produkt und das Bewusstsein über die unterschiedlichen Qualitäten bei den Konsumenten kaum ausgeprägt. Kaviar sollte so frisch wie möglich genossen werden. Schon nach einigen Monaten verliert Kaviar seinen Biss und fängt an, tranig zu schmecken.“ Die Prunier-Zuchtbecken befinden sich im Freien und nicht in Hallen. Das Wasser ist kalt. Deshalb dauert es auch acht bis zehn Jahre, bis die Störe geschlachtet und der Kaviar entnommen werden kann. Das passiert im Spätherbst, ab November kommen die Dosen dann in den Handel.

Ein saisonales Produkt. Kaviar wird in heimischen Supermärkten das ganze Jahr über angeboten. Wie ist das möglich? Zum einen gibt es heute auf der ganzen Welt Aquakulturen, auch auf der südlichen Hemisphäre. So ist etwa Kaviar aus Chile in den Sommermonaten frisch. Zum anderen kann man Kaviar durch eine höhere Beigabe von Salz länger haltbar machen. Der von Genießern besonders geschätzte Malossol („wenig Salz“) hält indes nur einige Monate. Durch die Beigabe von Borax und/oder durch Pasteurisierung kann man die Haltbarkeit zwar verlängern, beides wirkt sich jedoch negativ auf den Geschmack aus.

Außerdem gibt es auch Zuchtbetriebe mit Indoor-Anlagen mit intensiver Fütterung, hoher Besatzdichte und wärmerem Wasser. So lässt sich die Natur zumindest scheinbar überlisten, die Störe sind bereits nach fünf Jahren geschlechtsreif und produzieren Rogen. Weil die Tiere keine Jahreszeit kennen, streut sich die Ernte über das ganze Jahr. Derartige Produkte dürfen sich zwar auch Kaviar nennen, doch sind sie, sowohl was Geschmack als auch Biss betrifft, fast immer enttäuschend. Das Um und Auf beim Kauf von Kaviar ist also das Vertrauen sowohl zum Hersteller wie auch zum Händler. Kaviar online zu bestellen (unter anderem bietet das auch Amazon an), bleibt immer ein riskantes Unterfangen, weil dort fast nie Produktions- und Ablaufdatum angeführt sind. Und auch über die Produktionsbedingungen hüllen sich „Billiganbieter“ zumeist in Schweigen.

Mit Nelkenöl betäubt. Prinzipiell produziert jede Fischart Rogen, sonst würde die Fortpflanzung nicht funktionieren. Bei kleineren Tieren wurden die Eier zumeist mit anderen „Abfallprodukten“ wie Innereien, Gräten und Kopf zu Fischmehl verarbeitet, weil der Aufwand einfach zu hoch ist. Und selbst dort, wo es sich von der Ausbeute her lohnt, wie etwa beim Lachs, steht die Produktion von teuren Filets im Vordergrund, der Kaviar ist vielfach nur ein Nebenprodukt.

„Das schmeckt man auch. Die meisten im Handel erhältlichen Lachskaviars haben kaum Biss und schmecken tranig. Guten Kaviar zu produzieren, erfordert viel Know-how und ist eine Knochenarbeit“, weiß Drei-Hauben-Koch Michael Sicher aus dem kärntnerischen Tainach. Im November steht er gemeinsam mit seinem Bruder Wolfgang stundenlang im kalten Wasser, um Saiblinge zu „melken“. Die Fische werden zuerst mit Nelkenöl leicht betäubt, damit sie sich beim Abstreifen des Kaviars nicht so sträuben, und anschließend wieder ins Wasser gesetzt. Was dann bis zur Abfüllung passiert, ist ihr Betriebsgeheimnis. „Es sind 20 unterschiedliche Arbeitsschritte, die es uns ermöglichen, unseren Kaviar ohne Konservierungsstoffe für ein knappes Jahr haltbar zu machen “, erklärt Wolfgang Sicher.

Vom Beispiel der Sicher-Brüder motiviert, versuchen sich in den letzten Jahren immer mehr Fischzüchter daran, Saiblings- oder Forellenkaviar zu produzieren. Trotz eines Marktpreises von über 300 Euro pro Kilo ist die Herstellung von Saiblingskaviar allerdings kein übermäßig lukratives, weil sehr zeit- und arbeitsintensives Geschäft. Seit Kurzem kommt aus dem Waldviertel geräucherter Karpfenkaviar, der zwar weniger mit knackigem Biss, dafür jedoch mit einer Extraportion Geschmack aufwarten kann. „In der Vergangenheit wurde der intensiv schmeckende Rogen fast ausschließlich an die Fische verfüttert, weil die olivgrüne Farbe die meisten Konsumenten abgeschreckt hat“, erklärt die experimentierfreudige Karpfenzüchterin Birgit Hofbauer aus Heidenreichstein. „Wenn man den Karpfenrogen zu einer Fischsuppe beigibt, verfärbt er sich zwar zu einem schönen Orange, aber die Nachfrage war verschwindend gering. Wir haben es also mit dem Räuchern probiert, wodurch sich Farbe und Geschmack verbessern und der Rogen gleichzeitig haltbar gemacht wird.“ Seit vergangenem Herbst ist der Karpfenkaviar jetzt fix im Programm.

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