Insekten: Was kreucht, das schmeckt

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Von der Utopie zur Realität: Einige Pioniere wollen Insekten tatsächlich bald auf unseren Speiseplan bringen.­

Vanilleeis mit Mehlwurmkrokant und Matcha. Wachsmottenmousse mit geräucherter Haselnusscreme und Morchelchips. Grillen-Consommé. Maikäferbutter mit Kräuterchips. So kommen Insekten auf den Teller, wenn es nach Saziani-Stub’n-Küchenchef Harald Irka, dem Nordic Food Lab oder der französischen Kochschule Le Cordon Bleu geht. Dass Insekten das „Fleisch“ der Zukunft sein könnten – schnell und ressourcenschonend wachsend, mit anderem Schmerzempfinden als Säugetiere und Abfall in Protein verwandelnd – ist schon länger bekannt. In den letzten Jahren sind aber die Anstrengungen der furchtlosen Entomophagie-Vorreiter konkreter geworden, aus Utopie scheint ganz langsam Realität zu werden.

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Neuer Mut. Dass die 120 Jahre alte traditionelle Institution Le Cordon Bleu Anfang des Jahres Insekten auf den Kochkurslehrplan setzte (zwar in der Filiale Bangkok, aber immerhin), findet man dort selbst bemerkenswert. „Wir wollten aber nicht einfach einen Käfer auf einen Salat setzen und sagen, voilà! Wir wollten wissen, ob wir interessante Aromen und Texturen extrahieren können, um Insekten in etwas Köstliches verwandeln zu können“, sagt ein Koch von Le Cordon Bleu. Bei den Insektenkochversuchen in Bangkok waren auch Vertreter von „Deliciousness of Insects“ zugegen, einem Projekt des Nordic Food Lab in Kopenhagen, das 2012 damit begonnen hatte, die Tauglichkeit von Insekten für die feine Küche zu untersuchen.

Auf die Hilfe eines Spitzenkochs setzt auch das junge Team des Vereins Speiseplan in Wien. Paul Machat, Georg Rubicko und Christoph Thomann arbeiten seit einiger Zeit intensiv daran, Insekten in nicht allzu ferner Zukunft auf unseren Alltagsspeiseplan zu setzen. Der ebenso junge Harald Irka hat im Jänner dieses Jahres mit mehreren Gängen bewiesen, dass Insektengerichte nicht unbedingt Ekel und Mutprobenthrill hervorrufen müssen, sondern auch für Genuss sorgen können. Für den Verein Speiseplan wird er noch öfter Menüs mit Heuschrecken, Mehlwürmern und Heimchen kochen. Der Verein möchte schließlich Gleichgesinnte zusammenbringen, will für Österreich die Anlaufstelle in Sachen Insekten als Nahrungsmittel sein. Mit den Designerinnen Katharina Unger und Julia Kaisinger von Livin Studio ist man ebenso in Kontakt wie mit Schneckenzüchter Andreas Gugumuck, der einen Thinktank zur Landwirtschaft der Zukunft ins Leben gerufen hat und hierfür seinerseits Mitstreiter sucht. Auch mit Politikern spricht man, denn ob Insekten auf unserem Speiseplan stehen oder nicht, hängt nicht nur vom Ekel beziehungsweise der Offenheit jedes Einzelnen ab, sondern auch von Gesetzen, die Insekten als Nahrungs- und Futtermittel zulassen.

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Insekten im Supermarkt. Dass das alles nicht von heute auf morgen geht, ist den drei jungen Männern klar. Sie wollen zuerst das Bewusstsein für Insekten als Nahrungsmittel schaffen, dann die entsprechenden Gesetze herbeiführen – „im Moment darf Insektenprotein als Folge der BSE-Krise nicht einmal an Tiere verfüttert werden, dabei wäre das ziemlich ressourcenschonend“, sagt Christoph Thomann – und dann konkrete Produkte aus Insekten realisieren, die man irgendwann auch bei uns im Supermarkt kaufen können soll. „In den holländischen Jumbo-Supermärkten gibt es Insekten schon.“ Ende 2014 hat man in zwei Filialen Artikel wie Mehlwurm-Burger, Mottenlarvenchips oder Käferknödel platziert. Heuer sollen 400 weitere Filialen diese Produkte anbieten. Das ist nur eine von vielen Tatsachen, die Machat, Rubicko und Thomann schon recherchiert haben. Außerdem zeigt etwa ein Diagramm auf www.speiseplan.wien, dass es 1900 essbare Insektenarten gibt. Von Insekten werden 80 Prozent des Körpers verzehrt, vom Rind sind es gerade einmal 40. In Sachen Platzbedarf, Wasser, Futter und Emissionen sind Insekten Rindern ohnehin haushoch überlegen. Ein Kilo Insekten verbrauchen im Vergleich zu Rind nur etwa ein Tausendstel an Wasser.

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Müsli mit Larven. Auch für die Designerinnen Katharina Unger, die den Insektenbrutkasten Farm 432 entwickelt hat, und Julia Kaisinger vom Livin Studio steht außer Zweifel, dass Insekten die Zukunft gehört. Die Farm 432, in der man innerhalb von 432 Stunden essbare Larven der unkomplizierten schwarzen Soldatenfliege großziehen kann, ist ein international viel beachtetes Projekt. „Eine Fliege legt über 1000 Eier. Ein Gramm Eier produziert 2,4 Kilo Larven!“, sagt Unger. Die beiden Designerinnen haben sehr viel über Insekten recherchiert. Über deren Nervensystem etwa, das für das Schmerzempfinden, also in weiterer Folge auch für Tierschutzfragen, relevant ist. „Natürlich gibt es auch in der Insektenzucht ethische Fragen“, sagt Julia Kaisinger. „Es ist umstritten, wie stark Insekten Schmerz verspüren können.“ Katharina Unger meint: „Insekten haben eine deutlich kürzere Lebensdauer als Säugetiere. Schmerz ist oft eine Folge von Erfahrungen, dieser Aspekt fällt hier weg. Insekten spüren, dass etwas passiert, ordnen es aber nicht ein.“ Für ihr Grubnola, ein Knuspermüsli mit Larven der schwarzen Soldatenfliege, wurden die Tiere durch Einfrieren getötet. „Sie fahren dann einfach den Stoffwechsel herunter.“

Was den drei Betreibern des Projekts Speiseplan indes besonders wichtig ist: schon bei Kindern anzusetzen. In Zukunft wollen sie daher auch auf Kinderkochkurse und Verkostungen in Schulen setzen, um Vorbehalten schon früh zu begegnen. Dass wir Insekten nicht essen, ist schließlich ein Ergebnis kultureller Prägung. Für andere Kulturen, etwa in Asien oder Afrika, ist der Verzehr von Larven oder Grillen völlig normal. Georg Rubicko vom Verein Speiseplan umreißt das Ziel daher so: die „Evolution der westlichen Ernährungsgewohnheiten.“

Tipp

Insekten kosten. Die nächsten Termine des Vereins Speiseplan. 27. 3.: Insektenverkostung im Isaac’s International Pub. 9. 4.: Insektenkochkurs, Futurefoodstudio. Insektenmenüs am 24. 3. und am 4. 5. (110 € inkl. Wein). Infos: speiseplan.wien.

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