Festivalessen: Keine kalte Pizza mehr

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Topköche und Food-Kuratoren sind auf internationalen Rockfestivals keine Seltenheit mehr. Auch in Österreich wird kulinarisch aufgerüstet.

Wo sich zwei Abende zuvor Zigtausende drängten, um die Rolling Stones zu sehen, sitzen an diesem Samstagmittag drei Dutzend Festivalbesucher an einer langen Tafel. Von der Decke des Pop-up-Restaurants mitten auf dem Gelände des dänischen Roskilde-Festivals hängen Äpfel und Limonadeflaschen. Der Tisch ist mit Rasenziegeln bedeckt, darin stecken Erdbeerspieße. Das Motto: „Picknick im Grünen“. „Das Essen bei Picknicks ist meistens langweilig“, sagt Johanne Broennum. „Ich wollte ihm einen spannenden Twist geben.“ Broennum ist eine jener Köchinnen und Köche, die letzten Sommer für exklusive – und allesamt ausverkaufte – Pop-up-Events am Roskilde-Festival engagiert wurden. Streng geometrisch angeordnet werden ihre Speisen – das Highlight sind die geräucherten Würste mit Cherrytomaten und Pesto – in einer Picknickbox serviert. Katja Zincuk wirft einen Blick in ihre Box. „So viel Gemüse habe ich das ganze Wochenende noch nicht gesehen“, sagt die 23-jährige Medizinstudentin, grinst und beißt in eine Karotte. „Sonst haben wir immer nur Burger oder Konserven auf dem Campingplatz gegessen“, ergänzt ihr Studienkollege Lasse Mohr. 

Food-Kuratoren. Lange Zeit war das Essen auf großen Rockfestivals ein notwendiges Übel, um den Konzertmarathon durchzustehen. Kulinarischer Genuss war es selten. Das hat sich in den letzten Jahren geändert. Festivals wie Coachella oder Lollapalooza in den USA und Roskilde in Dänemark tragen dem gesteigerten kulinarischen Bewusstsein unserer Zeit Rechnung. Sie laden Topköche ein, engagieren Food-Kuratoren und verpassen ihrem Essenssortiment ein deutliches Upgrade – bisweilen auf Gourmetniveau. Beim Big Feastival in England ist das Line-up der teilnehmenden Köche (angeführt von Mitveranstalter Jamie Oliver) länger als jenes der auftretenden Bands. Angesichts solcher Entwicklungen rief die „New York Times“ schon 2012 einen „gastronomischen Summer of Love“ aus. Nur konsequent, dass Festivals wie Lollapalooza oder Roskilde längst eigene „Food“-Plakate aufhängen.

Die Dänen belassen es nicht bei der Werbung. Sie wollen den Anteil an biologischen Zutaten in allen Essensständen bis 2017 auf 90 Prozent steigern. Im Vorjahr lag er bei 30 Prozent. Erlaubt sind nur Zutaten lokaler Hersteller, jeder Stand muss zumindest ein vegetarisches Gericht anbieten, am besten auch ein veganes. „Das Erlebnis muss vergleichbar sein mit jenem der Musik“, steht im entsprechenden Strategiepapier. Oder, wie es Mikkel Sander, verantwortlicher Projektmanager, formuliert: „Unser Essensangebot soll uns von anderen Festivals unterscheiden. Und für die Besucher ein Grund sein wiederzukommen.“

Im Food Court verursacht es jedenfalls lange Warteschlangen. Festivalbesucher stehen für das köstliche Barley-Otto an, das Signature Dish des Kopenhagener Restaurants Grød, ein Gerstenrisotto mit frischen Erbsen und dänischem Käse. Oder für das Rote Hühnercurry des mit einem Michelin-Stern prämierten Thai-Restaurants Kiin Kiin. Gut ein Dutzend etablierter Kopenhagener Restaurants betreiben hier Stände: das Foodie-Herzstück des Festivals. Draußen auf dem Campingplatz will man jungen Menschen das Kochen schmackhaft machen: In der „Food Jam“-Küche können sie, unterstützt von Tutoren mit schwarzen Schürzen, ihre eigenen Gerichte zubereiten. Die Festivalbesucher wählen ihre Zutaten und scharen sich um die Kochnischen. Wo nur wenige Stunden zuvor die Headliner Major Lazer Zigtausende zum kollektiven Ausrasten brachten, wird nun in kleinen Kollektiven gekocht.

Craft-Bier am Nova Rock. Österreichs größtes Rockfestival, das Nova Rock bei Nickelsdorf, rüstet ebenfalls kulinarisch auf. „Wir wollen die Leute nicht dazu nötigen“, sagt Nova-Rock-Veranstalter Ewald Tatar. Wer aber eine Alternative zum üblichen Festival-Fast-Food sucht, soll diese am Nova Rock finden. Etwa in der im Vorjahr ins Leben gerufenen „Genuss Arena Burgenland“, wo auf regionale Spezialitäten burgenländischer Hersteller gesetzt wird. Auf der Speisekarte stehen heuer (12. bis 14. Juni) gebratenes Spanferkel, Moorochsenwürste oder vegane Krautfleckerl. Durch das positive Feedback im Vorjahr habe er realisiert, wie groß das Bedürfnis nach hochwertigen Angeboten sei, sagt Tatar. Ihm war klar: „Da müssen wir mehr machen.“ Etwa mit einem neuen Restaurantbereich, in dem man à la carte essen kann. Oder einem „Winzer des Tages“, der seine Weine vorstellt (Weingüter Tinhof, Salzl und Zehetbauer). Ein deutlich erweitertes Bierangebot ist nicht nur die Antwort auf die langjährige Forderung nach mehr Auswahl, sondern man reagiert auch auf den Craft-Bier-Boom: mit offenen Bieren von acht heimischen Brauereien wie Brauschneider, Bierol oder der Salzburger Brauerei Gusswerk.

Teuflisch scharf. Und wie sieht es bei den Festivalneuheiten der Saison aus? Beim Rock in Vienna (4. bis 6. Juni) auf der Donauinsel verspricht man „neben üblichen Verdächtigen auch ein paar österreichische Schmankerln“, vegetarische und vegane Gerichte, einen Biergarten und ein „teuflisch scharfes Wettessen“. Näher an internationalen Trends ist man beim wiederbelebten Nuke in Graz (29. August): Gemeinsam mit dem Artisan Food Collective, einem Verein, der von den hiesigen Pionieren HY-Kitchen und Wrapstars gegründet wurde, setzt man auf hochwertiges Street-Food. Dass sich auch Gerichte abseits aller Trends ins kollektive Bewusstsein vieler Festivalbesucher einbrennen können, zeigt sich im burgenländischen Wiesen. Nicht wenige verbinden die Festivals dort automatisch mit einer Art burgenländischem Soul-Food aus der Prä-Foodie-Ära: den seit 1990 gereichten Feuerflecken.

Die Reise zum Roskilde-Festival erfolgte auf Einladung der Food Organisation of Denmark.

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