Abfütterung auf dem Planeten Expo

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Die Weltausstellung zum Thema „Feeding the Planet“: Widersprüche, Themenverfehlung und ein paar kulinarische Visionen.

Wie oft essen Sie Mais? Einmal pro Jahr? Einmal pro Monat? Einmal pro Woche? Falsch. Wo auch immer Sie leben, Sie essen mehrmals am Tag Mais. Wenn Sie Amerikaner sind, essen Sie fast ausschließlich Mais.“ Oder, wie es der US-amerikanische Autor und nimmermüde Lebensmittelkritiker Michael Pollan ausdrückt: „Wenn Sie sind, was Sie essen, sind Sie Mais.“

Der Slow-Food-Pavillon, in dem man dies erfährt, ist indes nicht aus Mais. Das luftige Holzgebäude der Schweizer Architekten Herzog & de Meuron, die den Pavillon einem alten lombardischen Landhaus nachempfunden haben wollen, liegt ganz am Ende des Decumano, der eineinhalb Kilometer langen Hauptschlagader der Mailänder Expo. Also da, wo die meisten Besucher vollkommen übersättigt und auf der Suche nach dem Ausgang nur mehr müde dahintrotten – kein Wunder, dass der McDonald‘s gleich daneben weitaus mehr Besucher anzieht als das Slow-Food-Areal. Aber allein für die im Vergleich zu anderen Pavillons äußerst schmucklos und technikfrei, dafür aber umso inhaltsschwerer präsentierten Einblicke in das fragwürdige Weltnahrungsmittel Mais, für dieses Wachrütteln, zahlt sich der Expo-Eintritt aus.

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Das Motto der Weltausstellung, „Feeding the Planet – Energy for Life“ haben sich längst nicht alle teilnehmenden Länder zu Herzen genommen. Viele Pavillons sind eine bloße Länderklischee-Hochleistungsschau, für die sich neben den Architekten offenbar auch der eine oder andere Touristiker auf dem Reißbrett austoben durfte. Im irischen Pavillon etwa, nahe dem Eingang gelegen und somit auch nahe dem höchsten Punkt der Besucher-Aufmerksamkeitskurve, geht es zwar schon ein bisschen um das Thema Ernährung; allerdings nur insofern, als es dem touristischen Image des übergrünen Landes dienlich ist. Da werden eben ein paar Schafbauern abgebildet – und, unvermeidlich, ein paar Takte Fiddle gespielt. Im tschechischen Pavillon, der vor allem dank des kindertauglichen Pools davor ein Anziehungspunkt sein dürfte, kann man sich selbst ein Pilsner zapfen – das wird doch auch irgendwie als „Energy for Life“ gelten dürfen, dachte man sich wohl im Konzeptteam. Im litauischen Pavillon erfährt man zumindest etwas über die Spezialitäten des kleinen Landes, und ein bisschen Aufklärung kann auch Weißrussland daneben brauchen: „Belarus, ist das Sri Lanka“?, fragt eine Besucherin, als sie den Pavillon betritt.

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Tatsächliche Ernährungskonzepte der Zu­kunft werden eher am Rande gestreift. Als Verfechter von Aquaponik, einem Kreislaufzuchtsystem für Fische und Nutzpflanzen, und Meerwasser-Gewächshäusern, die das Salz durch Verdunstung herausfiltern, präsentiert sich etwa der Oman. Auch Belgien hat das Thema Aquaponik in großem Stil aufbereitet – man darf sich nur nicht von der Schokolade-, Pommes-frites- und Diamantenflut beim Eingang davon abhalten lassen, das Untergeschoß aufzusuchen.

Schieflage. Barack Obama begrüßt die Besucher des US-Pavillons mittels Videobotschaft, und nachdem sich seine Frau Michelle schon öffentlichkeitswirksam dem Gemüseanbau gewidmet hat, wird der hier fortgesetzt – senkrecht, an der Außenmauer. Auch Israel, wo Platzmangel drängender ist als in den USA, setzt auf vertikalen Anbau und präsentiert sich mit braun und grün bepflanzter Flanke. Südkorea legt den Besuchern die selbst seit Ewigkeiten praktizierte Fermentation ans Herz: Sie ist ressourcenschonend, weil ohne Zufuhr von Heiz- oder Kühlenergie, die Produkte sind hochgradig gesund. Südkorea wäre nicht Südkorea, wenn die Präsentation nicht ein Monstrum an Hightech wäre – ein Potpourri an rohen und fermentierten Lebensmitteln leuchtet auf zwei spektakulär bewegten Roboterarmen auf. Warum auch immer, geklatscht wird danach jedenfalls laut und im Takt – der koreanische Animateur macht’s vor, die Besuchermeute stimmt reflexhaft ein.

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Die Verpflegung auf der Mailänder Expo ist ein eigenes Thema: Italien ist mit seinen Restaurantbereichen, die nach Regionen aufgeteilt sind, ein Lichtblick, und etwa auch die Craftbierbrauerei Birra Baladin darf mit einem kleinen Wagen vorfahren. Ansonsten dominieren genau jene globalen Nahrungsmittelriesen, die Ressourcen, Landschaften und Artenvielfalt zerstören. Aber vielleicht läuft diese Schieflage ja unter dem Motto Sensibilisierung.

Tipp

Expo 2015. „Feeding the Planet – Energy for Life“. Bis 31. Oktober in Mailand. expo2015.org Als Rahmenprogramm zum österreichischen Beitrag wurde ein ständig aktualisiertes Onlinemagazin konzipiert: breathe-aut.com

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