Seenküche: Nah am Wasser gekocht

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Asiatischer Einfluss, ein Faible für den ganzen Fisch und enger Kontakt mit den örtlichen Fischern: die neue österreichische Seenküche.

Über Hongkong, Sansibar und Tokio zurück zum Salzburger Wallersee, zum Traunsee, zum Wolfgangsee. Mit Saiblings-Dim-Sum im Gepäck, mit fermentierter Fischsauce, mit Matcha und Sake als Untermalung des Seeblicks. In fernen Großstädten und auf exotischen Inseln Inspirationen zu tanken hat noch keinem Koch geschadet, gerade dann nicht, wenn es um Fisch geht. Und die jüngste Phase des ganz strengen Regionaldogmas, also die Einschränkung auf Zutaten aus einem viel zitierten „Radius“, der engsten Umgebung, die ist mittlerweile auch passé.

Gespickt mit Einflüssen. So präsentiert sich die zeitgenössische heimische Seenküche, etwa jene im Salzburger und im Salzkammergut-Raum, erstaunlich deutlich gespickt mit chinesischen, mit japanischen oder ostafrikanischen Einflüssen. Regionaldogmata gibt es für Köche wie Emanuel Weyringer vom Wallersee, Lukas Nagl vom Boothaus am Traunsee oder Max Aichinger vom Delmor am Wolfgangsee, dessen Mutter übrigens aus Japan stammt, nur mehr wenige. Zitronengras zum Bachsaibling – gern, wenn’s denn passt, Matcha darf neben Rhabarber einen Zander begleiten, während Ingwer und Enokipilze die Forellensuppe aufmischen. Der Fisch stammt natürlich meistens aus dem See direkt vor der Nase, aber nicht immer – wenn es die Kreativität erfordert, dürfen auch einmal Hummer und Kabeljau die Seeküche ergänzen. Scheinbar exotische Zutaten wie Physalis oder Pak Choi kommen hingegen bisweilen aus Österreich, berichtet etwa Lukas Nagl, engagierten Bauern wie der Familie Stockenhuber sei Dank.

Kopf bis Schwanzflosse. Was die Speisekarten rund um österreichische Seen derzeit ausmacht, ist neben den überraschend präsenten Inspirationen aus fernen Küchen vor allem die Liebe zum Konzept „Von Kopf bis Schwanzflosse“. Max Aichinger vom Wolfgangssee setzt gebackene Wallerleber nebst gerösteten Kokosflocken in eine Wallerschaumsuppe, Emanuel Weyringer, der unter anderem in Hongkong gearbeitet hat, bereitet Hechtleber nach Teriyaki-Manier mit Hibiskus und Bonitoflocken zu, füllt Dim Sum mit Saibling. Es wird also nicht nur die klassische Fischbeuschelsuppe wiederbelebt – in den teils handgeschriebenen alten Kochbüchern der Region finden sich dazu Rezepte sonder Zahl – sondern auch kreativ mit Fischteilen wie Flossen, Leber, Magen, Rogen oder Milchner, dem Samen des männlichen Tiers, hantiert. „Im Salzkammergut gibt es eine große Tradition mit Fischinnereien“, sagt Lukas Nagl, kürzlich mit der Trophée Gourmet A la Carte für die eigenständige Boothaus-Küche ausgezeichnet. Er plädiert beim Fisch für mehr Vielfalt abseits des bloßen Filetbratens, schwärmt etwa vom Karpfenmilchner. „Der ist ein Highlight, ist quasi wie Kalbsbries. Wichtig ist, ihn erst zum Schluss zu salzen, damit er nicht bröckelig wird.“ Der Karpfen werde, meint Nagl, generell unterschätzt, „der Wildfang hat eine Qualität wie Thunfisch.“ Sein absoluter Favorit ist neben seinen jüngsten Funden, Süßwassermuscheln aus dem Traunsee, aber die fette, schmelzende Aalruttenleber. „Wie Foie gras.“ Und nicht zuletzt dürfen die Süßwasserfische am Traunsee samt ihren Eingeweiden wohlgeordnet vergammeln: mit Salz in Fässern aufeinandergeschlichtet, zu einer hocharomatischen Fischwürzsauce. Lukas Nagl hat sein Faible für Fischsauce aus Sansibar mitgebracht, wo er, neben Stationen wie dem Steirereck, auch schon gekocht hat. Mit der koreanisch-österreichischen Köchin Sohyi Kim sei er dort einmal auf dem Markt unterwegs gewesen, erzählt er, sie habe ihm diesen Floh ins Ohr gesetzt. Für die Traunsee-Fischsauce, die mit ihrem eindeutigen Süßwassercharakter das aromatische Rückgrat so einiger seiner Gerichte bildet, verarbeitet er den Beifang der hiesigen Berufsfischer. Fische also, die zu klein und uninteressant für die üblichen Verarbeitungsarten sind und früher als Katzenfische bezeichnet wurde, weil sie an Haustiere verfüttert wurden. Wichtig für die Fischsauce ist es, die Fische nicht auszunehmen, „es braucht die Enzyme aus dem Bauchraum“, sagt Lukas Nagl, der „altes heimisches Wissen und neue Techniken aus Asien“ als Motto für seine hochinteressante Fischküche ausgerufen hat.

Den Beifang bekommt Nagl ebenfalls von seinem Fischer. Köche, deren Wirkungsstätte nahe am Wasser gebaut ist, tun generell gut daran, sich mit den Lieferanten der Zutaten aus dem See gutzustellen. Sei es, um einzigartig große Tiere zu bekommen (die dann etwa auch besonders große Backerl haben, eine Delikatesse), sei es wegen speziellen Zuschnitten. Die meisten Fische werden freilich von den Köchen selbst zerlegt. Emanuel Weyringer aus Henndorf am Wallersee etwa kauft Reinanken, Seeforellen, Hechte oder Karpfen beim letzten Berufsfischer am Wallersee, Christoph Kapeller. Schon filetiert? „Nein, das machen wir alles selbst.“ Den Hechten entnimmt Weyringer also in seiner Küche etwa die länglichen Lebern, serviert sie fast roh, zum Beispiel mit Okrasud, Avocado, Amaranth und Hollerblüten. Crossoverküche, wenig hirnlastig, dafür umso intuitiver. Wie ein Köpfler in den See.

Die Recherche erfolgte zum Teil auf Einladung des Salzburgerlands.

Tipp

Restaurant Weyringer, Fenning 7a, 5302 Henndorf am Wallersee

Bootshaus, Klosterplatz 4, 4801 Traunkirchen am Traunsee

Delmor, Au 18, 5360 St. Wolfgang

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