Wiener Störkaviar: Feine Körnung

Wertvoll. Jede Dose wird um ein Prozent überfüllt. Lufträume sind zu vermeiden.
Wertvoll. Jede Dose wird um ein Prozent überfüllt. Lufträume sind zu vermeiden.(c) Beigestellt
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In einer tannenbeschatteten Fischzucht, die schon unter Maria Theresia bestand, schwimmen laichreife sibirische Störe. Und liefern eine Novität: den „1. Wiener Störkaviar“.

Da hängt das Mädel.“ Jan Klecka schaut die Stördame über dem Waschbecken fast verliebt an. Sieben Jahre alt ist sie, etwa sieben Kilo wiegt sie. Ein nicht unbeträchtlicher Teil dieses Gewichts wird später in Dosen gefüllt werden – als „1. Wiener Störkaviar“. Für den Störzüchter und Neo-Kaviarproduzenten Jan Klecka ist das Abfüllen der schönste Arbeitsschritt. Ein Schritt, dem viele andere Schritte vorangehen. Und Jahre.

Der Stör, diese uralte, richtiggehend gepanzerte Gattung, hat es nämlich durchaus nicht eilig. Erst nach vier bis fünf Jahren Lebenszeit bequemen sich die Fische, bekannt zu geben, ob sie gewillt sind, dereinst für Kaviar zu sorgen oder nicht: Erst dann erkennt man das Geschlecht. Und von gefinkelten Wassertemperaturtricks, die etwa bei Forellen das Geschlecht mitbestimmen können sollen, zeigen sich Störe unbeeindruckt. „Leider“, sagt Klecka. Wenn feststeht, ob ein Stör ein Weibchen oder ein Männchen ist, wird auch klar, ob er sein Leben lang versorgt wird oder aber verhätschelt. „Den Mädels geht’s wirklich gut“, sagt Jan Klecka und muss ob seiner fürsorglichen, wiewohl nicht uneigennützigen, Liebe zu den Stördamen lachen.

Laichreif. Die sibirischen Störe stammen aus der eigenen Zucht in Tschechien.
Laichreif. Die sibirischen Störe stammen aus der eigenen Zucht in Tschechien.(c) Beigestellt

Geheime Adresse. Für Fische hatte der Salzburger und Wahlwiener mit tschechischen Wurzeln immer schon ein Faible. „Als Kind habe ich Karpfen in der Badewanne wiederbelebt, mit Duschkopf und kaltem Wasser“, erzählt er in seinem kleinen, eiskalten Produktionsraum, den man nur mit unkleidsamem Schuh-, Hand- und Haarschutz betreten darf. Klecka hat sich für die Störhaltung und die Kaviarproduktion in einer Fischzucht mit jahrhundertealter Geschichte nahe Wiener Neustadt eingepachtet. Die von Nadelbäumen beschatteten Becken, aus deren Kiesboden immer wieder das hiesige, sehr mineralienreiche Quellwasser blubbert und für eine konstante Wassertemperatur von elf Grad sorgt – „auch im Sommer“ – gab es schon unter Maria Theresia, erzählt Jan Klecka. Das „Schaufenster“ ist das erste Magazin, das Zutritt zur geheimgehaltenen Adresse erhält. Die Zucht wird gut bewacht, geht es bei laichreifen Störweibchen doch um einige Nullen.

Jan Klecka hatte zehn Jahre beim Salzburger Kaviarproduzenten Walter Grüll gearbeitet, bevor er sich 2014 selbständig machte – was freilich jahrelang vorbereitet werden musste: Gemeinsam mit einem Veterinär betreibt Klecka in Tschechien einen Aufzuchtbetrieb für sibirische Störe. Hier wachsen die Stördamen sieben bis neun Jahre heran – wobei es trotz Absonderung keine reine Damenveranstaltung sein darf: „Ein paar Männchen braucht es im Wasser, in Tschechien haben wir drei oder vier auf hundert Weibchen.“ Die Herren geben Knurrlaute von sich und regen die Damen an, Kaviar zu produzieren. Wenn sie sieben bis neun Jahre alt sind und laichreif, übersiedeln die Störweibchen jeweils im Herbst ins Wiener Becken.

Den Kaviar produziert Jan Klecka jeweils auf Anfrage. Nach einem präzisen Schnitt holt er die mächtige Plazenta mitsamt unzähligen grauschwarzen Körnern aus dem Bauch des Fisches. Er legt ein flaches Sieb – „meines ist eigentlich fürs Pizzabacken gedacht, damit der Teig nicht anliegt, ein spezielles gibt es da nicht“ – auf eine große Schüssel und stellt diese unter fließendes Wasser. Vorsichtig streicht er die wertvollen Körner mittels Sieb aus der Plazenta. Die Schüssel füllt sich schnell. Etwaige Plazentastückchen zieht Klecka mit der Pinzette heraus und spült die Körner mehrmals durch. Der Konzentrationsgrad ist spürbar hoch. Der Rohkaviar, der anders als später noch komplett opak ist, wird traditionell vom Handrücken verkostet: der Geschmack nussig, das Mundgefühl leicht mehlig, was sich später völlig auflöst. Jan Klecka wiegt die Körner ab. Und grinst. Ein Gramm um einen Euro, das ist der Ab-Hof-Preis des „1. Wiener Störkaviars“. Das Fischfleisch wird übrigens auch verkauft; der beeindruckende Kopf, die Bauchlappen und die Karkassen der Störe ergeben einen Fond von ungeahnter Aromadichte, besonders dafür sucht Jan Klecka Abnehmer aus der Gastronomie.

„Manche lieben  Kaviar frisch  abgefüllt, andere  erst nach zwei  Monaten Reife.“
„Manche lieben Kaviar frisch abgefüllt, andere erst nach zwei Monaten Reife.“(c) Anna Burghardt

Nun werden 3,3 Prozent sehr feines Salz unter den Kaviar gemischt. „Das Salz ist fast das größte Betriebsgeheimnis.“ Und es kostet Klecka selbst im Einkauf nicht wenig. Unmittelbar nach dem Vermischen schmeckt der Kaviar nur nach Salz und den ganz frisch entnommenen Fischeiern. Nach der nötigen knappen halben Stunde Einwirkzeit hingegen, während der das Salz in die Eihülle einzudringen beginnt und ein wenig abzugießende Flüssigkeit entsteht, ahnt man schon den späteren runden Umami-Geschmack, der von einiger Reifezeit profitiert. „Die Geschmäcker sind da recht unterschiedlich. Manche lieben Kaviar ganz frisch abgefüllt, andere essen ihn erst, wenn er zwei Monate in der Dose war.“ Die Farbe hat sich schon nach dem Salzen verändert, „das ist wie bei den Menschen die Augen: Die einzelnen Fische haben Eier in unterschiedlichen Farben.“ Und er diktiert: „Olivschwarz, golden, graugold.“

Überfüllung. Die Dosen mit dem typischen blauen Aufdruck und dem rosa Gummiband, die fast alle Hersteller verwenden, sind nicht irgendwelche. „Europaweit gibt es nur zwei Hersteller für Kaviardosen, da gibt es viele Auflagen.“ Ihm ist die 250-Gramm-Dose am liebsten, „da entwickelt sich der Geschmack am besten“. Die leeren Dosen stellt Jan Klecka einzeln auf die Waage und füllt geübt den Kaviar ein. „Ich überfülle immer um ein Prozent, da kann sich niemand beschweren.“ Erstaunlich, wie viel in so eine kleine Dose hineinpasst: Solange die Dose noch offen ist, ist das Häufchen ganz schön üppig. Durch das Aufsetzen des Deckels rutschen die Körner an ihre Stelle, Lufträume werden beseitigt und aus den paar beabsichtigt angeknacksten Körnern wird das sogenannte Kaviaröl. Noch schnell das Gummiband über die Dose gezogen, und ab damit in die Kühlung. Wo nebenbei Champagner lagert. Was – der Neo-Kaviarproduzent Jan Klecka konnte nicht widerstehen – auch der dritte Vorname seiner kleinen Tochter ist.

Tipp

Kaviar kaufen. Den „1. Wiener Störkaviar“ von Jan Klecka bekommt man derzeit quasi ab Hof bei Gutfleisch (1 Gramm um 1 Euro, Dosen zu 50 g, 125 g und 250 g), Sonnbergplatz 18–19, 1190 Wien, außerdem bei Das G’schäft, Neubaugasse 71, 1070 Wien, und bei Hedwig Fak, Johann-Foissner-Straße 1, 2514 Traiskirchen (Preise auf Anfrage). www.klecka-caviar.at

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