Wagenparade mit Rambazamba

Fleisch. Das Grand Ferdinand zele­briert den Tafelspitzwagen.
Fleisch. Das Grand Ferdinand zele­briert den Tafelspitzwagen.(c) Beigestellt
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Tafelspitz, Crêpes Suzette oder Eis à la minute dank flüssigem Stickstoff: Wenn in Restaurants die Wagen-Retro-Welle rollt.

Sechs Tischbrenner aus Silber, dazu diverse kupferne Pfannen und Schüsseln im Keller, alles von Zeit und Flammen mit Spuren versehen. „Ich sag’s ja, hier war Rambazamba.“ Erich Freund ist im Hotel Plaza am Wiener Schottenring für die kulinarischen Belange zuständig – quasi als Rückkehrer. Er hat hier, im legendären Restaurant La Scala, beim ebenso legendären Werner Matt gelernt. Und möchte im jetzigen Restaurant Émile wieder das Kochen „am Gast“ etablieren. Einerseits, „weil es kaum mehr jemand macht“, andererseits, weil die Geschichte des Hauses es nahelegt. Demnächst sollen Crêpes Suzette am Tisch flambiert und finalisiert werden, worauf sich nicht zuletzt der junge Christian Wu freut, der das als stolzer Service-Vizestaatsmeister aus dem Effeff beherrscht. Sein Beispiel macht klar: Ohne gute Servicemitarbeiter funktionieren die nun aus der Versenkung auftauchenden Wägen bei Tisch nicht.

Willy-Wonka-Wagen. Manche Wägen haben in den letzten Jahren schon allein wegen ihres Designs Berühmtheit erlangt: Im Dinner by Heston Blumenthal in London fährt ein Corian-Wagen mit flüssigem Stickstoff vor, mit dem am Tisch aus Zutaten ­wie Vanillesauce oder Fruchtpüree Eis à la minute gefroren wird. Mit eisiger Rauchentwicklung ein spektakulärer Anblick. Im El Celler de Can Roca in Spanien kommt ein Petit-Fours-Wagen im Willy-Wonka-Stil mit Zuckerstangengriff zu den Gästen, und auch der flämische Dreisterner Hertog Jan setzt auf Nostalgie: mit einem schicken Fahrgestell, das dicht wie in einem Zuckerlgeschäft mit süßen Kleinigkeiten bestückt ist. Nicht zu vergessen natürlich das Steirer­eck, das das Thema Wagen für sich schon länger neu definiert, nicht nur mit dem Brotwagen. Hier rollte man schon hauchdünne kandierte Zitrusscheiben oder Vanillekipferln in spe heran, die erst vor den Augen der Gäste gewälzt wurden. Diverse Luxushotels wie das Kempinski High Tatras oder das Hamburger Vier Jahreszeiten lassen die Tradition des Crêpes-Suzette-Wagens samt Brenner wieder aufleben. Und manches Restaurant, wie der Tulbingerkogel, hat Traditionen wie den Rindfleisch­wagen mit Silberhaube nie aufgegeben.

Pianist und Zabaione. In Wien bereitete man im La Scala unter Werner Matts Ägide ab 1990 auch Zabaione am Tisch zu. Sie wurde auf einem Wagen in Achterschlingen geschlagen, der Pianist spielte dazu im Takt. Matt, der eine Armada an maßgeblichen Köchen ausgebildet hat, etwa Reinhard Gerer und Christian Petz, weiß außerdem von Café Diable zu erzählen, der ebenfalls auf einem Wagen am Tisch zubereitet wurde (was auch heutige Kaffeenerds interessieren dürfte, die ständig auf der Suche nach neuen kniffligen Zubereitungsarten sind): Über einer Kupferpfanne mit Kaffee wurde eine mit Cointreau übergossene Orangenspirale hochgehalten, die Flamme schlängelte sich spektakulär die Spirale entlang. „Das hat immer derselbe Kellner gemacht, dazu wurde das Licht abgedreht, und der Pianist hat gespielt“, erinnert sich Matt. Er vergisst auch nicht seinen ­Kollegen Ewald Plachutta zu erwähnen, der im Drei Husaren mit seinen berühmten Horsd’œuvre-Wägen für Gesprächsstoff gesorgt hat. Werner Matt wollte einst Ähnliches im Prinz Eugen umsetzen, allerdings: „Ein Kellner hat mich einmal gefragt, ob sie das, was übriggeblieben ist, spätabends selbst essen dürften. Ich hab Ja gesagt, und ab dem Zeitpunkt haben sie keine Hors­d’œuvre mehr verkauft“, erinnert sich Matt mit einem Lachen.
Heute jedenfalls fährt im Émile im Plaza wieder der Fleischwagen vor – mit Hochrippe, wie anno dazumal. Der Wagen mit dem ausklappbaren silbernen Tellerhalter stammt ebenfalls aus dem Hotelfundus, wurde von einem Kunstschmied auf Vordermann gebracht und wird heute von Küchenchef Erich Freund an Wochen­enden zu den Gästen gefahren.

Fleisch in mehreren Gängen. Auch das junge Hotel Grand Ferdinand am Schubert­ring, das von Beginn an mit Altwiener Küchenzitaten spielt, hat die Tradition des Tafelspitzwagens wiederbelebt, die in Wien lange brachgelegen war. Zwei Wägen wurden angeschafft und nach eigenen Wünschen adaptiert. Aus den mit dampfender Suppe (die man sich tunlichst ebenfalls servieren lassen sollte) gefüllten Becken werden bei Tisch mit der Braten­gabel eindrucksvolle Fleischstücke gehievt und auf dem Wagen tellergerecht geschnitten. Der Service empfiehlt, den Wagen mehrmals vorfahren zu lassen und sich (um 26 Euro) Knochenmark, Zunge, Beinfleisch, Tafelspitz und Schulterscherzl in mehreren Gängen servieren zu lassen. Dazu gibt es eine ehrfurchtgebietende Auswahl an klassischen Beilagen in silbernen Saucieren: Cremespinat, Semmelkren, Apfelkren, Schnittlauchsauce, Kochsalat, Erdäpfelschmarren. Man habe sich übrigens nicht nur an der Wiener Wagentradition orientiert, erzählt Küchenchef Siegfried Wolfram, sondern auch an der italienischen: an Bollito misto vom Wagen.

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