Chiliwerkstatt: Auf der Klaviatur der Schärfe

Klaus Postmann und Simone Taschée
Klaus Postmann und Simone Taschée(c) Stanislav Jenis
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Die Betreiber der Chiliwerkstatt zeigen, dass Schärfe im Geschäft mit der Scoville-Skala nicht alles ist: „Es geht auch um Aromenvielfalt. Die ist enorm.“

Der Taschentuchspender ist essentiell. Das ist in den wenigen Wochen, in denen die Chiliwerkstatt in der Pilgramgasse nun offen hat, schon klar geworden. Der unscheinbare Ersthelfer steht auf dem Verkostungstisch, auf dem auch Tabasco-Jellybeans, Chilisaucen und süße Gummichilischoten platziert sind. Die Gummichilis in zwei Größen dienen Simone Taschée und Klaus Postmann im Gespräch mit dem Kunden quasi als Einstiegsfrage. „Damit testen wir aus, wo die Kunden in Sachen Schärfe stehen. Die Kleinen sind echt gut verträglich, die Großen schon schärfer.“

Mexiko als Inspiration

Das Paar – beide haben viele Jahre Erfahrung in der Lebensmittelbranche, etwa bei Rewe oder Mautner-Markhof – hat sich 2007 mit Bottelini, einem Handel für essbare Geschenke, selbstständig gemacht; das letzte Geschäft wird im Juni geschlossen. In den vergangenen Jahren konnten Taschée und Postmann Kontakte zu internationalen Lieferanten knüpfen. Für die Chiliidee ausschlaggebend war schließlich eine Reise im Herbst 2015, die die beiden quer durch Mexiko führte. „Dort ist Schärfe unvermeidbar, ist an jeder Hausecke“, sagt Simone Taschée. Die Schärfetoleranzschwelle der beiden wurde auf dieser Reise jedenfalls ordentlich nach oben verlegt. Heute bespielen Taschée und Postmann „die Klaviatur der Schärfe“. In Wien sei das Thema Chili in dieser kompakten Form nicht vertreten gewesen, meinen sie eine Marktlücke erkannt zu haben.

Es geht den beiden nicht nur um Flaschen mit martialischen Etiketten für infantile Kräftemessaktionen nach dem Motto „Wer verträgt mehr?“, sondern auch um die Rolle als Heilpflanzen und um die vielfältigen Aromen von Chilis. Neben Saucen diverser Anbieter und den sortenreinen, hocharomatischen Chilipulvern des toskanischen Produzenten Peperita werden auch Gewürzmischungen aus eigener Produktion verkauft. Die Chilis liefert der Chilihof im 22. Bezirk. Auch eingelegte Schoten verschiedener Sorten im Glas stehen im Regal, beschriftet mit „Chili Roulette“. „Man weiß nie, wann man dran ist“, spielt Taschée auf die schärfste Schote im Glas an, die Habanero mit 250.000 Scoville auf der Schärfeskala. Zum Vergleich: Tabasco hat etwa 5000. Weitaus mehr Schärfe als die Habaneros im Glas liefert ein Fläschchen, das Postmann mit Taschentuchhandschutz aus einem versteckten Wandschränkchen holt: The Source hat 7,1 Millionen Scoville. „Es gibt auch ein Produkt mit zwölf Millionen Scoville. Ist aber auch schon egal.“

„Chiliheads“ wissen alles

Zur Linderung empfiehlt Klaus Postmann Joghurt „oder am besten Wodka“. Er hat sich als Weinfachmann zur Begleitung von Chiligerichten Gedanken gemacht. „Ganz trocken muss er sein. Traminersekt geht am besten, Shiraz ist auch gut, Muskateller funktioniert überhaupt nicht.“

Das Thema Chili ist niemandem egal, hat Taschée jedenfalls bemerkt. Es gebe Kunden, die nichts vertragen und nur ein Geschenk suchen, „die haben aber auch ihre eigene Geschichte zu Schärfe“, und es gebe „Chiliheads“, die viel kennen und genau wissen, was sie suchen. Das tut auch ein Bub, der hereinkommt und bittet, Chilis kosten zu dürfen. Er darf nicht: Chilis sind wie Alkohol erst ab 18 Jahren erlaubt.

AUF EINEN BLICK

Chiliwerkstatt. Simone Taschée und Klaus Postmann, beide mit vielen Jahren Erfahrung in der Lebensmittelbranche, haben im April die Chiliwerkstatt in der Pilgramgasse 16 eröffnet. Neben zahlreichen Saucen und Gewürzen ausländischer Anbieter sind auch Produkte aus eigener Herstellung im Sortiment, regionale Rohstoffe sind dabei wichtig. Setzlinge werden ebenso verkauft wie Jellybeans mit Tabasco-Schärfe.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.05.2016)

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