Paradoxon: Bart und Spiele

Team. Anita und Martin Kilga lernten sich im Tantris kennen. Heuer haben sie das Paradoxon übernommen.
Team. Anita und Martin Kilga lernten sich im Tantris kennen. Heuer haben sie das Paradoxon übernommen.(c) Beigestellt
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Neue Ideen für Salzburg: Anita und Martin Kilga im Paradoxon. Mit einem Barbier, Carte blanche und demnächst einer Bäckerei.

Am Anfang hatten wir als Personalessen dauernd nur Ripperln. Ripperln, Ripperln, Ripperln!“ Martin Kilga stöhnt und lacht auf. Er hat nicht damit gerechnet, dass 80 Prozent der Gäste des Restaurants Paradoxon, das er im Februar übernommen hat, sich auf seine Carte blanche einlassen würden. Also darauf, nicht zu wissen, was auf den Tisch kommt. Und die Ripperln, die auf jenem deftigeren Teil der Speisekarte standen, die der Barbier sich hier gewünscht hatte, blieben eben übrig. Wie, ein Barbier? Martin und Anita Kilga haben seit März mit Sebastian Pfister „The Barber“ zu Gast; im Nebenraum des Restaurants trimmt dieser Bärte. „Es gab nie einen Barbier in Salzburg“, sagt Kilga, „einen Türken, aber der schneidet anders. In München sind Barbiere gang und gäbe.“ Die Kilgas wollten mit dem Fremdbranchen-Gastspiel gleich einmal die Reaktionen ihrer Gäste testen, „schauen, was Salzburg verträgt“. Die Idee mit dem Barbier kam natürlich nicht von ungefähr, wenn man sich Martin Kilgas Gesicht ansieht – der freilich darauf besteht, kein Hipster zu sein, er sei schließlich schon „seit 17 Jahren tätowiert“ und nicht ganz so lang, aber doch schon einige Jahre Bartträger.

Kein Schubladendenken. Nicht nur für Salzburg ist ein Freigeistkonzept wie jenes des Paradoxon – „alles ist möglich, wir mögen kein Schubladendenken“ – etwas Neues. Gegründet wurde es freilich von jemand anderem, nämlich von Pop-up-Vorreiter Stefan Brandtner. Er hatte das Restaurant Plainlinde geführt, war nach dessen Aus auf den Geschmack der zeitlich begrenzten Gastronomie gekommen und hatte der Stadt mit dem Brandtner 63 (63 Tage offen) in einer ehemaligen Glockengießerei und dem Brandtner und seine Leit’ im ehemaligen Demel schon ordentlich Gesprächsstoff beschert. Im Salzburger Stadtteil Nonntal eröffnete er danach das Mithridat, das zum heutigen Paradoxon werden sollte. Dieser Name spielt auf den Plan an, an einem fixen Ort Pop-up-Gastronomie zu realisieren. Also ein Lokal mit wechselndem Konzept zu führen, ein Lokal mit größtmöglicher Offenheit, ohne Erwartungsdruck.

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Anita und Martin Kilga – die Patissière und der Koch hatten sich im legendären Münchner Tantris kennengelernt und danach im Hangar-7 gearbeitet – waren seit Beginn der Brandtner’schen Pop-up-Engagements in Salzburg im Team. „Im Paradoxon haben wir alle paar Monate Inventar und Konzept geändert“, erzählt Martin Kilga. „Wir haben Künstler dagehabt, die das Lokal mehr als Werkstatt genutzt haben denn als Galerie. Eine Galerie wäre uns zu langweilig gewesen.“ So mussten sich die Gäste wie auch die servierenden Köche und Köchinnen etwa zwischen den hölzernen Installationen von Clemens Hollerer durchmanövrieren. „Wir hatten untertags die Tische und Sessel herausgeräumt, er hat gearbeitet, und am Abend haben wir alles wieder hineingeräumt, gleichzeitig aber die Kunst so gelassen, wie sie war. Auch wenn das nicht immer bequem war. In diesem Fall ging es ja darum, dass wir uns unterordnen.“

Im Februar übernahmen Anita und Martin Kilga also das Paradoxon von Stefan Brandtner, der sich derzeit eine Auszeit von der Gastronomie nimmt und herumreist. Das Konzept der Carte blanche hat das Paradoxon nun mit jenem Lokal gemein, in dem er das beste Essen seit Langem hatte, wie Martin Kilga erzählt: dem Mühltalhof, wo Vater Helmut und Sohn Philip Rachinger kochen. „Philip Rachinger kenne ich ja, seit er mit 16 auf Stage bei uns im Tantris war.“ Die Sternegastronomie findet Kilga oft langweilig. Vorhersehbar. Und will es darum anders machen. „Unsere Küche ist auf dem Teller nicht so verspielt.“ Im Rahmen der Carte blanche im Paradoxon kann ein deftiger Pulpo á galega, wie im spanischen Galicien auf einem zusätzlich aromagebenden Holzbrett serviert, genauso auf den Tisch kommen wie Kalbstatar mit geräuchertem Teriyaki-Aal und Thunfischsauce oder mit Blutwurst gefüllte Calamaretti nebst Heidelbeergelee, Melanzani-Miso-Creme und gerösteten Artischocken. Die Desserts kommen meist in Form famoser Torten – etwa aus Hafermilch und Matcha – von der gelernten Konditorin Anita Kilga, die auch das Service leitet.

Sie ist es aus der Patisserie gewöhnt, genau abzuwiegen. Martin Kilga kann es hingegen nicht leiden, das Arbeiten mit der Waage: „Puh, das nervt mich . . .“ Und er wird es dennoch bald öfter tun müssen: Nämlich dann, wenn es im Nebenraum Brot statt Bärte heißt. Das Gastspiel des Barbiers Sebastian Pfister dauert in der Verlängerung noch bis Ende Juli, danach sieht der Plan von Martin und Anita Kilga einen kleinen Brotverkauf über die Gasse vor, natürlich neben dem Restaurantbetrieb. Der Bäcker, der sie bisher beliefert hat, geht bald in Pension. „Wir haben dann alle möglichen Alternativen überlegt. Ist Brot in Restaurants überhaupt noch zeitgemäß? Macht etwas ganz anderes Sinn, etwa, nur ein Brotmenü zu machen? Wir haben andere Bäcker ausprobiert und nichts gefunden. Dann haben wir gesagt: Schluss, fertig, aus – warum machen wir es nicht selbst?“

Tipp

Paradoxon, Zugallistraße 7, Salzburg. Carte blanche zwei Gänge (32 Euro) bis sieben Gänge (89 Euro). Bis Ende Juli ist „The Barber“ Sebastian Pfister im Haus. In Planung ist ein Brotverkauf über die Gasse mit hauseigenen Broten und Gebäck. restaurant-paradoxon.com.

Martin und Anita Kilga kochen am 31. 7. im Rahmen der Feldküche-Waldwerkstätte hoch über Hallstatt. Außerdem am Freiluftherd: Milena Broger (30. 7.) sowie Philip und Helmut Rachinger (2. 8.). Menü, Weinbegleitung und Übernachtung um 149 Euro. waldwerkstätte.at

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