Vom Strizzi, der in einem Wiener Keller gebraut wird

Kurt Tojner braut in seinem Keller in Rodaun Biere, denen er typisch wienerische Namen gibt.
Kurt Tojner braut in seinem Keller in Rodaun Biere, denen er typisch wienerische Namen gibt.(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Hobbybrauer Kurt Tojner will Alltagsbiere machen, die auch dem Nachbarn schmecken. Mit dem Rodauner Strizzi, einem fruchtigen, kaum bitteren Wiener Lager, ist das gelungen.

Immer der Nase nach, da riecht es eh schon nach Kakao“, sagt Kurt Tojner und führt in seinen Keller im 23. Wiener Bezirk. Kurt Tojner ist hauptberuflich Country Manager Austria bei Visa Europe. Als Ausgleich dazu röstet er keine Kakaobohnen, wie der Geruch in seinem Keller vermuten lassen mag. Kurt Tojner ist vielmehr Heimbrauer und gerade dabei, einen Sud Stout – also dunkles, obergäriges Bier – zu brauen.

Tojner ist vielleicht nicht gerade der typische Vertreter der jungen, Vollbart und Hornbrille tragenden Craft-Beer-Szene. Immerhin sind das auch keine Voraussetzungen, um gutes Bier zu brauen. Er hat auch wesentlich früher angefangen, Bier zu brauen, als so manch junger Vertreter der kreativen Szene (zu der Tojner – das verrät sein Bier – allemal gehört). Ein Freund ist „schuld“ daran, dass der gebürtige Oberösterreicher mit dem Brauen begonnen hat. Dieser schenkte dem Biertrinker nämlich ein dünnes Heft mit dem Titel „Bier selbst gebraut“. Das war 1994. „Das hab ich gelesen, und dann wollte ich mit dem Brauen gleich anfangen. Das Problem war nur, dass man das Equipment nirgends kaufen konnte“, sagt Tojner. Heute hingegen werden ganze Sets für Heimbrauer nicht nur via Internet, sondern auch in eigenen Fachgeschäften verkauft.

Akribischer Putzfimmel. Aber zurück zum Bier, das gerade in Tojners Keller entsteht. „Der Treber ist gerade dabei, sich von der Flüssigkeit zu trennen. Das nennt man Abläutern“, sagt er und steigt auf ein blaues Holzstockerl, um in den rund 20 Liter fassenden Tank zu blicken. „In großen Brauereien haben sie auch immer Leitern, ich hab halt mein Stockerl.“ Die ersten Brauversuche hat er in einem einfachen Topf in der Küche des Wohnhauses unternommen. Einmal ist ihm das Ganze übergegangen, und er war Stunden damit beschäftigt, jede einzelne Lade unter und neben dem Herd zu putzen, in die das noch nicht fertige Bier geronnen ist. Überhaupt merke man schnell, dass es als Heimbrauer nicht schaden kann, einen „akribischen Putzfimmel“ zu haben. „70 bis 80 Prozent des Brauens besteht aus Waschen. Hygiene ist natürlich sehr wichtig.“

Mittlerweile braut er sein Bier im Keller, das er allerdings nur für den Eigengebrauch verwenden darf. Da Tojner aber schon eine Stufe weiter als der klassische Heimbrauer ist, hat er auch schon so manches Bier als Gastbrauer in der Brauerei Ried gebraut. „Das ist auch ein bisschen wie nach Hause kommen, weil ich ja aus Ried stamme.“ Das dort gebraute Bier war etwa unlängst bei dem Bierspezialitätengeschäft Beer Lovers auf der Gumpendorfer Straße erhältlich. „Das war für mich eine Sensation, wie ein Ritterschlag.“ Oder auch bei Verkostungen kredenzt der diplomierte Biersommelier seine eigenen Kreationen.

(c) Die Presse (Clemens Fabry)

Derzeit zählen zwei Biere zu seinem Standardsortiment: ein Stout und ein Wiener Lager, denen er die Namen Schwoarza und Strizzi gegeben hat. Er wolle ein Alltagsbier machen, das auch dem Nachbar schmecke, erklärt er. Und weil er in Rodaun lebt und braut, nennt er seine Hausbrauerei auch Rodauner Manufaktur. „Bei den Bieren wollte ich typische Wiener Ausdrücke, wie den Strizzi.“ Derzeit sei er auf der Suche nach einem weiblichen Begriff, der „typisch wienerisch, aber nicht despektierlich“ sei. Immerhin experimentiere er stets mit neuen Bierstilen. Das Wiener Lager dürfte es ihm dabei besonders angetan haben. „Es gibt eine Renaissance des Wiener Lagers, die eigentlich aus dem Ausland zu uns gekommen ist. Amerikaner und Italiener haben den Stil schon länger wiederentdeckt, der ja 1841 von Anton Dreher in Schwechat erfunden wurde“, sagt Tojner.

Sein Rodauner Strizzi hat – im Gegensatz zu manch anderen Wiener-Lager-Bieren – eine leichte Bitternote, dafür viel Aroma, eine leicht fruchtige Säure und einen geringen Alkoholgehalt. „Meine Freunde in der Bierszene rümpfen da manchmal die Nase, warum ich so leichte Biere mache. Aber die Kunst ist es ja, ein leichtes Bier zu machen, das nicht gewassert schmeckt. Das ist bei untergärigen Bieren extrem schwierig“, sagt Tojner, der mittlerweile auf der Gartenbank Platz genommen. Immerhin ist der Brauvorgang bei der nächsten Stufe, dem Kochen, angekommen. Alle zehn Minuten muss er aber in den Keller gehen, um nach dem Rechten zu sehen.

Generell funktioniert Tojners Heimbrauerei nicht anders als eine große Brauerei, nur dass er eben vieles händisch machen muss und nur einen Behälter zur Verfügung hat. Tojners Brauvorgang beginnt damit, dass er das Malz in einer kleinen Schrotmaschine selbst schrotet. Eine gute Stunde braucht er dafür. Danach wird eingemaischt, also vier bis sechs Kilogramm Malz mit 20 Litern Wasser versetzt und langsam (und mit Pausen) auf 78 Grad erhitzt und bewegt, damit das Extrakt aus dem Malz gewaschen wird. Dann wird abgeläutert, also der Treber von der Flüssigkeit (der „Würze“) getrennt. Tojner muss mehrmals Wasser nachgießen, damit noch Restextrakte herausgeholt werden. „Das ist Home-Brew-Style advanced“, sagt er über seinen Wasserkocher mit Temperaturanzeige. „Der ist eigentlich für Teefreaks.“ Jetzt kommt das Kochen (90 Minuten bei 100 Grad), danach die erste Hopfenzugabe. „Er gibt Aromaelemente hinzu, steht für das Bittere und ist wichtig für die Haltbarkeit.“

Danach würde das Bier in einer professionellen Brauanlage in das sogenannte Whirlpool kommen. Bei Tojner bedeutet das einfach: umrühren, bis sich ein Strudel bildet. Dadurch setzt sich in der Mitte ein Heißtrub an, der Eiweiß und Hopfenrückstände enthält. Danach wird die Würze mit einem Wärmetauscher gekühlt, in ein Gärfass geleitet und gekühlt mit Hefe versetzt. Je nach Sorte dauert die Hauptgärung fünf bis sieben Tage. Die Nachgärung erfolgt in der Flasche und braucht noch einmal zehn Tage. Trinkfertig ist das Bier dann aber immer noch nicht, es folgt die Reifelagerung von mindestens drei Wochen (bei einem bis zwei Grad). Tojner lässt seine Biere aber lieber mehrere Monate lagern, da sich dann der Geschmack verfeinert. Derzeit arbeitet er an einer neuen Sorte, einem Golden Ale mit dem Arbeitstitel „Fisch“. Ein Freund habe von einem leichten Bier mit Zitrushopfen geschwärmt, das er in Italien zu gegrilltem Fisch kredenzt bekommen habe. Herr Tojner tüftelt noch daran.

Auf einen Blick

Rodauner Manufaktur
Kurt Tojner braut in seiner Heimbrauerei oder als Gastbrauer in der Brauerei Ried Biere (Kontakt: info@rodauner-biermanufaktur.at). Der diplomierte Biersommelier hält auch Verkostungen ab.

Nächster Termin: 6. 9., 19–22 Uhr, Die Verkosterei (Walzengasse 5, 2380 Perchtoldsdorf), 30 Euro, Anmeldung: ✆ 0720/11 52 22 oder per E-Mail an office@verkosterei.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.08.2016)

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