Tee: Lasst sie einfach ziehen

Atlantik. Tee folgte auf Orangen.
Atlantik. Tee folgte auf Orangen.(c) Beigestellt
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Mit dem Brexit verliert die EU auch ein Teeanbauland. Schottische und portugiesische Plantagen sorgen für Aufgussvielfalt.

Man muss zwei Mal hinschauen: Tatsächlich, bei Fortnum & Mason in London werden satte 200 Pfund aufgerufen – für gerade einmal 100 Gramm Tee. Die hochpreisigen Blätter stellen aber keinen per Flugzeug gelieferten First Flush aus Darjeeling oder raren chinesischen weißen Tee dar, sondern haben einen vergleichsweise kurzen Lieferweg: Sie stammen aus Schottland, von der Dalreoch Farm in Perthshire. Denn im Lande des Five o’Clock Tea wächst längst auch Tee. Begonnen hat die britische Teeanbaugeschichte, als die in Cornwall gelegene Plantage von Tregothnan 1999 ihre ersten Camellia-sinensis-Pflanzen auf dem Familiengut der Boscawens zum Blühen brachte.

Vor allem in Schottland hat sich seither eine eigene Szene entwickelt, nachdem Tam O’Braan vor zwei Jahren die erste Ernte seiner Wee Tea Company aus Amulree auf den Markt gebracht hatte. Mit mittlerweile zwölf Produzenten hat es die Scottish Tea Growers’ Association in die Hand genommen, mit Studienreisen ihre Mitglieder fit für den Teemarkt zu machen. Entscheidend sind die ersten Jahre, die die Pflanzen überstehen müssen, denn das Hochlandklima an sich hält der Strauch aus. Daneben arbeitet man an der Produktentwicklung. Matcha aus den Highlands gibt es bereits, aktuell will man auch einen Oolong-Tee erzeugen.

Blumig. Schwarztee von den Azoren, bei Haas & Haas, 100g, 13 €.
Blumig. Schwarztee von den Azoren, bei Haas & Haas, 100g, 13 €.(c) Beigestellt

Tee im Rieslinggebiet. Noch teilen sich die Briten die Ehre der einzigen Teepflanzungen innerhalb der EU mit der zu Portugal gehörenden Azoren-Insel São Miguel. Doch auch nach dem Brexit dürfte es europäischen Tee geben. Denn selbst inmitten des traditionellen Rie­sling­anbaugebiets am deutschen Kaiserstuhl wurden unlängst 20.000 Teesamen ausgepflanzt, berichtet Rainer Schmidt. Seit 1964 widmet sich der Deutsche – der als echter Hanseat „Beis-piel“ sagt – dem Teehandel. Seine 52-jährige Erfahrung hat er nun im „Kleinen Teebuch“ gebündelt, das die wichtigsten Anbaugebiete auflistet. Doch was ist von der Teeleidenschaft in Gegenden zu halten, die eher mit Whisky oder Wein assoziiert werden? „Tee braucht tropische und subtropische Bedingungen“, ist er von den „nordischen“ Anbauversuchen wenig überzeugt. Dass die Teewelt aber bunter wird, unterstreicht er in seinem Buch, das auch weniger prominente Herkünfte abseits Asiens vorstellt.

Im schottischen Dalreoch ist die Wee Tea Company ansässig, weeteacompany.com
Im schottischen Dalreoch ist die Wee Tea Company ansässig, weeteacompany.com (c) Beigestellt

Geschmack im Moor versenkt. Die größten Qualitätssprünge traut Rainer Schmidt etwa den afrikanischen Plantagen zu. Zumindest dort, wo man die maschinelle Erntemethode CTC (vom englischen „crush, tear, curl“, also: „brechen, reißen, rollen“) zugunsten „orthodoxer Tees“ aufgibt, wie es Schmidt nennt. Er selbst hat einen Tee aus Ruanda im Angebot, „auch wenn ich bei dem nicht vor Begeisterung ausflippe“. Doch es gibt noch ein weiteres Problem: „Momentan sind das meist Tees, die im großen Maßstab gehandelt werden.“ Mit einer Mindestabnahme-Menge von zehn Tonnen finden sie kaum den Weg zu kleinen Importeuren. Beziehungsweise sie werden wie der Kamerun-Tee – „das könnte der beste Afrikas sein“ – in den Nachbarstaaten Tschad und Niger konsumiert und gelangen erst wieder nicht in die Tassen Europas.

Und selbst wenn, kommt Schmidt nun in Fahrt, könne es immer noch zu einem Effekt kommen, der dem deutschen Teetrinker-Land Nummer eins – „ein Drittel der jährlich in Deutschland konsumierten 19.000 Tonnen Tee wird in Friesland getrunken“ – den Afrika-Import vergällt. Das Moorwasser der Nordlichter sorgt für einen „unangenehmen metallischen Geschmack“. Kein leichter Stand also, den der afrikanische Tee hat, verweist der Einkäufer auch auf das tendenziell konservative Käuferpublikum seines Heimatlandes. Zudem bedarf es immer einer stabilen Politsituation; aktuell schicke sich etwa Mozambique an, mit Tee auf sich aufmerksam zu machen.

Tregothnan war der Vorreiter unter den britischen Teeanbaugebieten.  tregothnan.co.uk
Tregothnan war der Vorreiter unter den britischen Teeanbaugebieten. tregothnan.co.uk(c) Beigestellt

Das einst bedeutende Anbaugebiet Indonesien hätte für Schmidt ebenfalls die Chance, ähnlich wie Korea in den nächsten Jahren wieder Weltgeltung zu erlangen. Wobei es Newcomer-Länder mit überzogenen Preisen für die ersten Ernten schwer haben, hier nennt er Ecuador als Beispiel. Letzten Endes, seufzt Schmidt zwischen zwei Schlucken Milky Oolong aus China, gehe es aber immer auch um die Verfügbarkeit. „Die Qualitäten aus dem persischen Elbrus-Gebirge schmecken phantastisch – aber die trinken sie gleich im Inland.“

Miguels Matrosen-Mitbringsel. Tatsächlich dauert es lang, bis man als Händler seinen „Wunschtee“ auch erhält. „Ich habe einige Jahre probiert, Tee von den Azoren zu bekommen“, erinnert sich etwa Eva Haas vom Teehaus Haas & Haas an ihre Versuche, den ersten europäischen Tee in ihrem Geschäft am Wiener Stephansplatz anzubieten. Denn der wird um gut hundertdreißig Jahre länger kultiviert als die Varianten auf den Britischen Inseln. Seeleute sollen die chinesischen Sträucher aus der Kolonie Macao auf die portugiesische Inselgruppe der Azoren mitgebracht haben. Nach ersten Versuchen im 18. Jahrhundert sorgte erst der Verfall der Orangenpreise dafür, dass man sich hier ab 1880 im großen Maßstab dem Anbau widmete.

„Das kleine Teebuch“ von Rainer Schmidt. Braumüller, 15 Euro.
„Das kleine Teebuch“ von Rainer Schmidt. Braumüller, 15 Euro. (c) Beigestellt

„Unsere Kunden fragen immer nach Neuheiten“, sieht Haas den Teekonsumenten deutlich weniger konservativ als Rainer Schmidt. Doch erst eine Präsentation der portugiesischen Botschaft konnte den Kontakt zu Cha Gorreana herstellen. Die Plantage ist eine von zwei verbliebenen Erzeugern auf der Azoren-Insel São Miguel. In der Blütezeit des portugiesischen Teehandels waren es auf den Azoren mehrere Dutzend. Die Eleganz der Schwarztees, die auf der meerumtosten Insel in einer vom Blütenduft der wild wachsenden Hortensien umwehten Atmosphäre gedeihen, hat es Haas angetan. „Der Azoren-Tee schmeckt wie eine neue Art Darjeeling; er ist blumig und bittert auch nicht nach.“ Auch Nepal, heute eine der gesuchtesten Herkünfte, habe einst klein im Verkauf begonnen, sagt Eva Haas. Für den südkoreanischen Grüntee, der über eine charakteristische Kastaniennote im Abgang verfügt, fungiert sie nach zarten Erstgesprächen heute sogar als offizielle Botschafterin. Vielleicht ist nun doch öfter mit einem „Azoren-Hoch“ in der Teetasse zu rechnen.

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