Fasanhaxl als Nachtrag

Oliver Lucas kochte im Wiener Lokal Grace von ­Anfang an zweiteilige Hauptgänge. Hier: Fasan.
Oliver Lucas kochte im Wiener Lokal Grace von ­Anfang an zweiteilige Hauptgänge. Hier: Fasan.(c) Beigestellt
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Für ambitionierte Weihnachtsmenüs: Ideen für Fleischgerichte in zwei Gängen.

Nach den ersten zwei Wochen habe ich mir schon gedacht, warum tu ich mir das an.“ Oliver Lucas, langjähriger Souschef im Steirereck, hat im Juni dieses Jahres ein altes Wirtshaus im vierten Wiener Bezirk zu seinem eigenen Restaurant namens Grace umgebaut. Und serviert hier von Anfang an den Hauptgang in zwei Tranchen. Inspiriert dazu wurde der gebürtige Londoner von einem Esserlebnis im Ausland, das mit einer großen Enttäuschung anfing und sich so steigern sollte, dass seine Frau Petra, die gemeinsam mit ihm das Grace führt, im Rückblick sagt: „Ich habe ihn noch nie so glücklich gesehen.“ Serviert wurde nur ein winziges Stück Hummer. „Ich war total traurig. Dann hat der Kellner einen Teil des Tellers weggehoben, und darunter war ein weiteres Hummergericht“, erinnert sich Oliver Lucas. Das Konzept des Hauptgerichts in zwei Gängen wurde im Grace im Juni frühlingshaft mit Reh, Spargel und Maiwipferln begonnen – das Reh aus des Schwiegervaters Jagd einmal rosa gebraten und im Nachtrag als Butterschnitzel – und wird seither konsequent mit jedem Wechsel der Speisekarte fortgesetzt.

Philip und Helmut  Rachinger servieren im Mühltalhof Fleisch gern in zwei Etappen.
Philip und Helmut Rachinger servieren im Mühltalhof Fleisch gern in zwei Etappen. (c) Beigestellt

Unangekündigt. Der zweite Gang kommt dabei stets als (mittlerweile hier natürlich zu erwartende) Überraschung. Auf der Karte angekündigt wird er nicht, diese fasst sich denkbar knapp und kündigt wie derzeit so oft nur die Hauptzutaten an. Lamm etwa kam zunächst als kurz gebratenes Filet zu den Gästen, später in Form von geschmorten Milchlammrippen. „Die Leute sind abgegangen!“, sagt Lucas. Ebenso sei es bei den selbstgemachten Bratwürsteln vom Duroc-Schwein gewesen, die auf ein Filet gefolgt sind. Der zweite Gang (derzeit ein knusprig gebackenes Fasanhaxl, die sanft gegarte Brust mit Karotten, Latschen und Gewürzbrioche ergänzend) ist fast immer der derbere und somit ein ironiegetränkter Beitrag zum Vorurteil, dass man in Fine-Dining-Lokalen nicht satt wird. Vielleicht offenbart er aber auch die Sehnsucht vieler Köche nach Hausmannskost.

„Man kann durch die Zweiteiligkeit mehr von einer Idee zeigen, mehr von der Identität eines Fleisches“, sagt Oliver Lucas. Das Nose-to-tail-Konzept klingt an, wenn er erzählt, dass im Grace derzeit der Nachtrag zum Rehgang ein Rehherz ist, die Duroc-Würste gehen ebenfalls in diese Richtung. Aus Nose-to-tail wird demnächst auch Kopf-bis-Schwanzflosse: Oliver Lucas möchte nach der Weihnachtspause auch Fisch als Hauptgericht in zwei Tranchen anbieten: „mit Fischlebern zum Beispiel im zweiten Teil“.

Auch im Mühltalhof setzt man schon länger auf das Prinzip Fleischgang in zwei Teilen. Helmut und Philip Rachinger nehmen dabei die Dramaturgie, den Haususancen entsprechend, eher locker. Manchmal kommen beide Teile des Hauptgangs gleichzeitig auf den Tisch, manchmal nacheinander. Das Prinzip „einmal kurzgebraten, einmal geschmort oder gebacken“ zieht sich auch hier meistens durch.

Vitus Winkler kocht im Genießerhotel Sonnhof in St. Veit nicht nur Tauernlamm mal zwei.
Vitus Winkler kocht im Genießerhotel Sonnhof in St. Veit nicht nur Tauernlamm mal zwei. (c) Beigestellt

Fleisch in Facetten. Vitus Winkler, der im jüngst erweiterten Sonnhof in St. Veit im Pongau bei zwei Hauben hält, verfolgt die Idee des überraschenden Fleischnachtrags seit mehreren Jahren. Und zwar sowohl in seinem Gourmetrestaurant Vitus Cooking als auch in der Halbpension für die Hotelgäste. Tauernlamm kommt zuerst als rosa gebratene Krone zu Tisch, später als geschmorte Schulter. Die Beilagenzutaten, Sellerie, Buchweizen und Zwetschke, bleiben bei beiden Gerichten gleich, werden nur variiert. Bei Winklers Gericht „Maisfeld“ kommt zunächst ein in Ingweröl konfiertes Filet mit dreierlei Mais zu den Gästen, und nachgereicht wird, in einer kleinen Schüssel, ein Coq au Vin blanc mit Estragon. „Ich möchte Fleisch in mehreren Facetten zeigen, man kann nicht immer nur Filet und Backerl machen.“

Was für Vitus Winkler, einem Freund des so genannten „Kochens am Gast“, auch wichtig ist: „Es passiert am Tisch mehr. Und wir verlängern durch den nachgereichten Überraschungsfleischgang den Kontakt zwischen Küche und Gästen.“ Der große Aufwand in der Küche und bei der Beschaffung der regionalen Zutaten könne so noch besser vermittelt werden. „Und zwar ohne dass es gleich ein Vortrag wird.“

Tipp

Grace, Danhausergasse 3, 1040 Wien www.grace-restaurant.at

Mühltalhof, Unternberg 6, 4120 Neufelden www.muehltalhof.at

Vitus Cooking im Sonnhof, Kirchweg 2, 5621 St. Veit im Pongau www.verwoehnhotel.at

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