Conflictfood: Freekeh und Friedensfäden

Geduld. Die Safranfäden aus den Krokusblüten zu lösen braucht Zeit.
Geduld. Die Safranfäden aus den Krokusblüten zu lösen braucht Zeit.(c) Conflictfood
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Die Berliner Initiative Conflictfood bietet Agrarprodukte aus Krisengebieten an: Safran aus Afghanistan, Freekeh aus Palästina.

Früher aus finanziellen Gründen Talibankämpfer, jetzt Begleitschutz für Safranpflückerinnen: Der Mann mit dem weißen Turban und der Waffe, den Gernot Würtenberger vor die Linse bekam, ist ein beklemmendes Beispiel für den Zwiespalt im Wirkungsgebiet der Berliner Initiative Conflictfood. Der Kärntner und Wahl-Berliner Gernot Würtenberger, eigentlich Architekt, und Salem El-Mogaddedi, suchen in Konfliktregionen wie Afghanistan nach Lebensmitteln, die sie in Europa vertreiben können. Ziel der beiden ist es nicht nur, langfristige Handelsbeziehungen zu Kleinbauern und Kooperativen in krisengebeutelten Regionen aufzubauen, sondern auch, ein neues Bild vom Leben dort zu vermitteln. „Afghanistan ist nicht nur Terror. Afghanistan hat auch eine Esskultur, es herrscht eine unglaubliche Gastfreundschaft, die für uns fast schon beschämend war“, sagt El-Mogaddedi, Deutscher mit afghanischen Wurzeln und zuvor im Bereich Mode und Marketing tätig.

Autonom. Das afghanische Frauenkollektiv verwaltet sich selbst.
Autonom. Das afghanische Frauenkollektiv verwaltet sich selbst. (c) Conflictfood

Das Projekt Conflictfood startete über den Umweg eines Waisenhauses. „Im November 2015 waren wir das este Mal in Kabul, um dort Bilder zu machen“, erzählt Salem El-Mogaddedi, der lange für NGOs gearbeitet hat. Dort habe man von einem unabhängigen Frauenkollektiv erfahren, das den Umstieg von Mohnanbau zur Opiumgewinnung auf Safran geschafft hat. „Wir dachten, das schauen wir uns an. Wir standen an einem kühlen Novembermorgen auf diesem Feld, waren dann noch einmal da und noch einmal.“ Nach ein paar Tagen beschlossen die beiden, „diese ganz andere afghanische Geschichte als die, die man aus den Medien kennt“, nach Deutschland und Österreich zu bringen, und vereinbarten mit den Frauen den Wiederverkauf von deren Safran. Die Vorarbeit hatte übrigens eine deutsche NGO geleistet, mit Safrankrokusknollen und Erntegeräten. „Mittlerweile ist das Projekt aber komplett autonom“, sagt Gernot Würtenberger. Das Kollektiv, bestehend aus rund 50 Frauen, baut nicht nur Safran auf ehemaligen Mohnfeldern an, sondern verkauft auch Gemüse und Milchprodukte; Safran nimmt aber den größten Teil ein. Mittlerweile ist die Kooperative so weit, zu schauen, wie die Kapazitäten erweitert werden können, „mit neuen Feldern im Nachbardorf, um noch mehr Frauen eine Perspektive bieten zu können“.

Team. Salem El-Mogaddedi und Gernot Würtenberger.
Team. Salem El-Mogaddedi und Gernot Würtenberger. (c) Conflictfood

Freekeh im Aufwind. Das zweite Conflictfood-Produkt kommt dieser Tage auf den Markt, und es wird wie auch der Safran von einer Zeitung mit erläuternden Texten über Produkt, Region und Konflikt ergänzt: Der Freekeh, grün geernteter und gerösteter Weizen, stammt aus einem anderen ewigen Krisenherd: aus dem Norden Palästinas, aus Dschenin, der „Kornkammer Palästinas“. „Freekeh hat in Palästina, Syrien und Jordanien eine jahrtausendealte Tradition“, sagt Gernot Würtenberger.

Hierzulande ist Freekeh noch nahezu unbekannt, dank des Hypes rund um die arabischen Küchen – Stichwort Yotam Ottolenghi – ist er aber im Aufwind. „Für Conflictfood ist Freekeh das ideale Produkt“, meint Würtenberger. „Es erzählt einerseits über die Identität der Region, aber auch über die landwirtschaftliche Situation: Aufgrund der israelischen Besatzung kämpfen viele palästinensische Bauern mit bewusst herbeigeführter Wasserknappheit. Für Freekeh wird Weizen schon früh geerntet, muss daher nicht den ganzen Sommer bewässert werden.“ Sobald geerntet wurde, läuft die Nachnutzung der Felder an, „mit Sesam und Hülsenfrüchten“. Die Gründer von Conflictfood, die sich seit einem Jahr ausschließlich diesem Projekt widmen, reisten übrigens nicht mit dem Plan nach Palästina, konkret Freekeh zu finden. „Eigentlich hatten wir an Olivenprodukte und Datteln gedacht“, erzählt Würtenberger. „Aber Datteln gibt es in Palästina kaum, und schon gar nicht bio.“ Auf den Bio-Freekeh seien sie quasi via Teller gestoßen, „wir essen uns ja immer durch die Region“. Das nächste Mal tun das die beiden ab Ende Mai in Burma, „wir suchen wilden Tee oder Kräuter“. Vielleicht finden sie aber auch, siehe Freekeh, ganz anderes Conflictfood.

(c) Conflictfood

Tipp

Die Produkte von Conflictfood bekommt man auf conflictfood.com/shop. Den Safran von einem Frauenkollektiv in Afghanistan gibt es je nach Grammeinheit und Verpackung ab 19 Euro. Freekeh, gerösteter grüner Weizen aus Palästina, ist ab Anfang Mai erhältlich.

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