Ulrich Salamun: Latte-Art gegen Landflucht

Kostprobe. Das Lokal Kaffeefabrik in Wien ist ein Partner von Ulrich Salamun.
Kostprobe. Das Lokal Kaffeefabrik in Wien ist ein Partner von Ulrich Salamun.(c) Christine Pichler
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In Maschek-Karenz: Ulrich Salamun weilt meist in Nicaragua. Und kümmert sich um seinen neuen Nationalparkkaffee, Maultiere und Kaffeekirschenschnapspläne.

„Man glaubt immer, ein Jahr ist so lang. Aber in Ländern wie Nicaragua verwartet man von einem Jahr locker die Hälfte.“ Ulrich Salamun ist nun seit zwei Jahren in Maschek-Karenz, um sich zur Gänze seinem zentralamerikanischen Kaffeelabel Grandoro widmen zu können. „Das braucht einfach viel Zeit.“ Seine Kabarettkollegen Peter Hörmanseder und Robert Stachel – das Trio ist vor allem für seine Livesynchronisationen „Maschek redet drüber“ bekannt – treten derzeit zu zweit auf. Ulrich Salamun leistet ihnen in Gestalt seines „maschek.Bohnefiz“ Gesellschaft: Der Single-Origin-Hochland-Arabica aus der Provinz Jinotega wird auf der Maschek-Homepage und nach Auftritten verkauft. Für alle, die mit Details angeben wollen: eine Mischung aus den Arabica-Sorten Caturra und Catimor, bio und mit Quellwasser gewaschen.

Die Bohnen für alle Grandoro-Kaffees stammen aus dem Norden Nicaraguas, geröstet wird am Neusiedler See, Partnerin dafür ist Rösterin Mihaela Thiel. Soeben ist das jüngste Produkt auf den Markt gekommen: der Nationalpark-Biokaffee Kilambé, der auf 1750    Metern Seehöhe angebaut wird. Auf der grünen, illustrierten Packung sitzt eine Dame in nostalgischer Tropenmontur und schnuppert an ihrer Tasse Kaffee, umringt von einer freundlich gesinnten Spinne, einem neugierigen Affen und einer Wildkatze, die hoffnungsfroh auf die Tasse schielt. Der Nebelwald als Freund    – das soll auch für die Menschen gelten, mit denen Ulrich Salamun vor Ort zusammenarbeitet. Er sieht sein Projekt als Modell für ähnliche Initiativen: „Wir wollen mit Grandoro zeigen, was möglich ist, wie man so etwas durchexerzieren kann.“

Kaffee-Aficionado. Salamun ist seit fünfzehn Jahren immer wieder in Nicaragua, ursprünglich, um ein freies Radio aufzubauen. „Ein Kaffee-Aficionado war ich ja schon immer.“ Er lernte jemanden kennen, der lokale Kooperativen unterstützt, „er hat mich dort eingeführt, ich habe mir das alles sozusagen erwandert. Irgendwann hat es eine Eigendynamik bekommen. Wir bekommen auch viel Besuch, ich könnte fast ein Reisebüro aufsperren.“

Heute verkauft Salamun Rohkaffee, also grüne Kaffeebohnen, an Kleinröster in ganz Europa. Er kennt den zentralamerikanischen Amtsschimmel sowie die Namen diverser Pilzkrankheiten auf Spanisch, und statt österreichische Politiker und Halbpromis zu synchronisieren, hantiert er im Alltag derzeit mit Begriffen wie Sporationszyklus, Chlorogensäure und Temperaturverlaufskurve. Und er kennt mittlerweile die Mentalität, die Motivationen der Menschen hier. „Als das Gebiet Kilambé zum Nationalpark erklärt worden ist, hat das für die Leute dort natürlich zunächst Einschränkungen und Aufgaben bedeutet. Wenn der Kaffeeanbau gut geht, sind sie stolz und werden einen Teufel tun, dort wieder Rinder hinzustellen“, sagt Salamun. Rinderzucht war nämlich schon einmal eine Konkurrenz für den traditionellen Kaffeeanbau. „Als der Rindfleischpreis sehr hoch war, hatten viele Kaffeebauern Lust, auf Vieh umzustellen, weil das lukrativer ist. Das würde aber Abholzung bedeuten.“

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Mit Smartphone und Maultier. Im Anbau von hochqualitativem Kaffee sieht Ulrich Salamun große Chancen, vor allem für die junge Generation auf dem Land: „Wir wollen die Landflucht eindämmen.“ Anstatt in die Hauptstadt, Managua, auszuwandern und dort arbeitslos zu bleiben, können sie im Nebelwald, auf den hiesigen unverseuchten Böden, ein Produkt schaffen, auf das sie stolz sein können und für das man in Europa gern einen anständigen Preis zahle, meint er. Auf seiner Modellfinca Los Alpes, auf der viele junge Leute mitarbeiten, verzahnen sich die nicaraguanischen Erfahrungen und das Gefühl für die dortige Natur mit importierter Wissenschaft. „Die jungen Leute interessieren sich sehr für die Specialty-Coffee-Szene“, erzählt Salamun und erwähnt in diesem Zusammenhang einen großen Vorteil für seine Arbeit in diesem zentralamerikanischen Land: „Der Staat bemüht sich sehr, das Leben auf dem Land lebenswert zu machen. Nicaragua hat auch auf dem Land 4G-Internet, die Leute sitzen im Hochland auf ihrem Maultier, schauen Latte-Art-Videos und whatsappen.“

Salamun baut ausschließlich Arabica an, verschiedene Sorten. Aufbereitet werden die Kaffeekirschen „auf die nasse Art“, durch Waschen. „Das hat hier erstens Tradition, wir haben genügend Quellwasser, und es ergibt viel feinere Kaffees. Mit anderen Methoden werden gern Kaffeefehler zugedeckt.“ Das Rösten passiert wie erwähnt im Burgenland; soeben ist wieder ein Container angekommen, der mit der Hilfe von Freunden entladen wurde, darum auch der Wienbesuch Salamuns.

Tipp

Schnapskultur. „Und dann ist da noch die Idee mit dem Schnaps“, rückt er heraus. Beim Aufbereiten der Kaffeekirschen, quasi beim Isolieren der Bohnen, bleibt schließlich jede Menge Fruchtfleisch übrig. Dieses wird traditionell zum Aufgussgetränk Cascara verarbeitet, der Geschmack ähnelt Hagebuttentee. Es gibt bereits erste Initiativen, etwa das junge Start-up Selosoda in Berlin, das Cascara-Variationen für den hiesigen Markt abfüllt. Salamun möchte aus dem Fruchtfleisch Schnaps brennen. Einziges Problem: „Wir wissen nicht, wie wir unsere Schnapsbrennanlage nach Nicaragua bringen sollen.“ Im 19. Jahrhundert seien viele Deutsche nach Zentralamerika ausgewandert. „Ich hätte ja gedacht, dass sie auch die Kultur des Schnapsbrennens mitgenommen hätten, aber das ist nicht der Fall.“ Man höre im Norden Nicaraguas nur überall Polka und Umtata-Liedgut, erzählt Salamun. „Ü und Ö können die Nachfahren der Auswanderer aber schon nicht mehr aussprechen.“Grandoro heißt das Kaffeelabel von Ulrich Salamun, karenziertem Mitglied des Kabarett-Trios Maschek. Der Nationalparkkaffee Kilambé aus ­Nicaragua ist gerade auf den Markt gekommen. Bei Simon & Jakober, Taborstraße 35, 1020, Wheel, Siebensterngasse 16a, 1070 Wien, und bei Denn’s.

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