Wiens erstes Fenster-Café

Ein kleiner Lagerraum, ein Fenster: So verkauft Sasha Iamkovyi seinen mit größter Leidenschaft gebrauten Kaffee.
Ein kleiner Lagerraum, ein Fenster: So verkauft Sasha Iamkovyi seinen mit größter Leidenschaft gebrauten Kaffee.(c) Florens Kosicek
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Sasha Iamkovyi ist Ukrainer, sieht aber Wien als sein wahres Zuhause. Am Fleischmarkt verkauft er Third-Wave-Kaffee zum Mitnehmen, auch für Laien.

"Was trinkst du?", fragt Sasha, und weil man ja schon mit Third-Wave-Kaffee-Leuten zu tun hatte, antwortet man vorsichtig mit einer Gegenfrage: Was er denn so habe? Seinen Cornettoccino, in der Waffel serviert, bietet er an, oder einfach einen Macchiato oder Cappuccino, heißt oder kalt.

Das wiederum ist zunächst verblüffend simpel, entspricht aber offenbar Sasha Iamkovyis Philosophie. Denn er ist zwar Kaffeefreak, will aber niemanden verschrecken. „Die Idee ist, Third-Wave-Kaffee auf einen größeren Markt zu bringen“, sagt er, also auch zu Menschen, die keine Ahnung von der „dritten Welle“ der Kaffeezubereitung haben. „Und wenn sie ihn gut finden, kann ich ihnen immer noch erklären, warum.“ Aus dem gleichen Grund hat er auch keine Scheu vor „touristischen Getränken“ – und wirft schon einmal einen Marshmallow in den sortenreinen Kaffee.

Touristen kommen viele bei ihm vorbei: Am Fleischmarkt 9, am Beginn der winzigen Griechengasse, gegenüber vom Eingang zum Griechenbeisl, hat Sasha Iamkovyi Mitte Mai Wiens erstes „Fenster-Café“ aufgemacht: Aus einem kleinen Lagerraum heraus verkauft er durch sein malerisches Fenster (samt Vorhang) Kaffee zum Mitnehmen auf die Straße. Ganz gezielt hatte er nach einem solchen „Fenster“ gesucht, in dem fast 600 Jahre alten Haus in Wiens ältestem Innenstadtgrätzel ist er fündig geworden. „Gott sei Dank haben es mir Eigentümer und Mieter erlaubt“, sagt er. So stoppen hier nun Urlauber und Anrainer, der Israeli, der am Fleischmarkt ein Kosmetikgeschäft hat, die Kirgisin, mit der er Russisch plaudert, der Deutsche, der längst weiß, was Cascara ist (ein Aufguss, der aus Schalen der Kaffeekirsche bereitet wird).

Plan ist eine kleine Kette

Ansonsten liegt das Café für Wiener eher nicht auf einer der üblichen Routen, „aber es spricht sich herum“, und ohnehin: Er habe eh schon ein paar Ideen, daraus eine kleine Kette zu machen. Genau genommen ist das Fenster-Café auch schon Iamkovyis zweiter Standort, in Margareten betreibt er schon seit ein paar Jahren mit „Kaffee von Sascha“ ein richtiges kleines Kaffeehaus mit Sitzmöglichkeit. Dabei ist der freundliche, gesprächige Ukrainer eigentlich gelernter Jurist. Ein Jahr lang hat er als solcher gearbeitet, als Assistent des ukrainischen Ministers für regionale Entwicklung. Ursprünglich hatte er Rechtsanwalt werden wollen, habe sich angesichts eines mitunter durchaus korrupten Systems aber doch dagegen entschieden.

So wurde er Journalist, Schwerpunkt Sozialpolitik, „ich stand immer zwischen den Demonstranten und der Polizei“. Ein lohnendes Thema und ein regelmäßiger Adrenalinkick, den er in Wien fast ein wenig vermisst, nur beim Beobachten des Akademikerballs kämen Erinnerungen auf, scherzt er.

In die Stadt hat sich Iamkovyi vor ein paar Jahren bei einem Besuch gemeinsam mit seiner Frau verliebt. Eine plötzliche, „unkontrollierbare“ Emotion sei das gewesen, ein Gefühl von „endlich sind wir zu Hause“. Er gab seinen Job auf, verkaufte sein Haus, zog nach Wien, ohne einen Plan zu haben. Als Erstes lernte er Deutsch, daneben machte er sich auf die Suche nach richtig gutem Kaffee – die neue Qualitätswelle mit ihren Filterkaffees, Cold Brews und Herkunfts-, Reife- und Röstungsangaben hatte die Stadt da noch nicht wirklich erreicht.

Dann kamen die Coffee Pirates – und teilten mit ihm großzügig ihr Wissen. Eine Haltung, die der Ukrainer weitergibt: Auf seine Rechnungen druckt er einen Link zu allen (mittlerweile 26) gleichgesinnten Coffeeshops.

ZUR PERSON

Sasha Iamkovyi stammt aus der Ukraine und lebt seit fünf Jahren in Wien. In der Pilgramgasse betreibt er „Kaffee von Sascha“, zudem seit Mai am Fleischmarkt 9 das Fenster-Café. Auf seiner per Tablet gesteuerten, hochpräzisen Maschine braut er „Single Region“-Kaffee (in Mischungen würden oft „Nachteile versteckt“). Für Fans gibt es einen zweimal pro Woche wechselnden Speciality Coffee. Den Espresso gibt es um in Wien ungewöhnliche 95 Cent, die Becher sind biologisch abbaubar.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.07.2017)

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