Honig: Süße Lügen

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
  • Drucken

Seit „Sumsi-Gate“ ist der Bienenschutz zum Volkssport geworden. Honig gilt als ebenso gesund wie natürlich. Fälschungen bedrohen diesen Nimbus aktuell aber massiv.

Am Ende der Jahrestagung drohte der Präsident sogar mit „Watschen“. Denn bei einem Thema sieht Stefan Mandl, Erwerbsimkerbund-Chef Österreichs, rot: wenn Honig gefälscht wird. Das mag sich absurd anhören, hat im globalen Maßstab aber Dimensionen angenommen, die man nicht ignorieren kann. Beim Imkertreffen „Beecome“ in Graz wurden diese von einem Gast aus Argentinien drastisch geschildert. Norberto Garcia kämpft für die „International Honey Exporters Organization“ für eine korrekte Ursprungsbezeichnung. Denn oftmals wird zwar nicht der Honig selbst verfälscht, wohl aber seine Herkunft. Die aktuellen „Top Ten“ der Honigexporte seien ein Abbild dieser umgelenkten Nektarströme: 2020 werde die Ukraine weltweit die Nummer zwei im Honigexport sein, allerdings war das Land zu keiner Zeit besonders aktiv in der Produktion. Gleiches gelte für Thailand.

Diese Stellung verdanke sich, so Garcia, zum großen Teil chinesischem Honig, der via Thailand verschifft wird. „90 Prozent der Exporte Thailands können nur so erklärt werden“, sagt der Honigexperte. Dabei wird vor allem der chinesische Honig gern mit Reissirup gestreckt. Während etwa Großbritannien mit 25.000 Tonnen Import pro Jahr weiterhin Europas größter Bezieher von chinesischem Honig ist, brachen die offiziellen China-Importe in die EU 2016 um 40 Prozent ein. Der naheliegende Grund in den Augen des argentinischen „True origin“-Aktivisten: Der Einsatz von Kernspinresonanz als Testmethode deckt seither unreinen Honig auf, davor konnte man Reissirup nicht erkennen.

Andere Zuckeranteile. Nun werden 36 Komponenten erfasst, vor allem aber ihr molekulares Verhältnis zuei­nander. Gepanschter Honig mit Sirup zeigt andere Zuckeranteile, erklärt Garcia dem „Schaufenster“. Grund für Optimismus sei das aber keiner: „Wir können den Kampf gegen Fälscher nicht gewinnen, lediglich eine einzelne Schlacht. Aber wir müssen versuchen, ihnen um einen Schritt voraus zu sein.“ In Europa zählt dabei die „Food Fraud“-Taskforce der EU zu den wichtigsten Mitstreitern von Norberto Garcia. Javier Ruiz-Santaella Moreno hat in seiner Statistik 314 Fälle seit 1999 dokumentiert. Der Großteil (187 Anzeigen) bestand in Verstößen gegen die Etikettierungsvorschriften, aber auch zwölf definitiv gesundheitsgefährdende Proben gab es. Bei der bislang größten Probenziehung der Lebensmittelfälschungsexperten entsprach eine von fünf Proben europäischen Honigs nicht den Standards.

Pervertierung der Herkunft. Verschleierte Herkunftsregionen sind aber gerade beim Honig eine Umkehrung seines Entstehungsprozesses. Johannes Gruber, der unter der Marke „Rainbauer“ als echter Wanderimker zwischen Semmering und der Südsteiermark unterwegs ist, sieht den Honig geradezu als „Abbild seiner Landschaft“. Kein anderes Lebensmittel stehe in so enger Beziehung zur Landschaft seiner Herkunft wie Honig, der aus den sogenannten Trachtpflanzen im Bienenflugradius von nur vier Kilometern entsteht. „Guter Honig zeichnet sich, ähnlich wie guter Wein, durch eine Harmonie von Süße, Säure, Bittertönen und vielschichtigen Aromen aus“, zieht Gruber eine Parallele. Sein Buch „Die Reise des Wanderimkers“ widmet sich genau diesen feinen Unterschieden. „Honig erzählt für den, der aufmerksam zuhört, von der Landschaft seiner Entstehung.“

Allerdings trifft dies nur zu, wenn auch die Bienen selbst alle Arbeitsschritte übernehmen. Das Schreckgespenst der Imker heißt „unreifer Honig“. Er wird entnommen, bevor die natürliche Wasserabnahme im Bienenstock erfolgt. Industrielle Verfahren sorgen durch Entzug von Wasser dafür, dass der Honig schneller auf den Markt kommt. Deklariert wird dieser massive Eingriff in das Naturprodukt aber oft nicht. Noch schwieriger zu erkennen sind Fälschungen der Bienenwaben, wie sie sich gern auf Frühstücksbuffets oder in Honiggläsern – als Ausweis von Natürlichkeit – finden. Sie werden mit Kerzenwachs „gestreckt“, dessen Kilopreis bei der Hälfte jenes von echten Bienenwaben liegt, so EU-Experte Javier Ruiz-Santaella Moreno.

Immerhin: Dass Österreichs Anstrengungen um die Honigqualität im internationalen Vergleich hoch sind, wurde von den Panscher-Jägern explizit anerkannt. „Dem Konsumenten muss klar sein, „dass man unter einem gewissen Preis kein hochwertiges Naturprodukt erzeugen kann: nicht in China, nicht in Rumänien, schon gar nicht bei uns“, so „Rainbauer“ Gruber. Der Preis allein sei aber kein Kriterium, „wenn der Gaumen des Konsumenten nicht imstande ist, Urteile über die Güte eines Honigs zu treffen“. Die genaue Herkunft und Herstellungsweise gehöre daher auf das Etikett, „anstelle von Beschriftungsmüll wie dem Haltbarkeitsdatum für Honig“, regt der Wanderimker an. Gefordert seien neben den Konsumenten aber auch die Supermarktketten, die man an ihre Verantwortung erinnern müsse. Zum Betrug gehörten immer zwei: „Einer, der verkauft, aber auch einer, der kauft“, so Norberto Garcia. „Das gilt auch beim Honig.“

(c) Beigestellt

Regionaler Honig. Wie sich „Terroir“ beim Honig äußert, hängt von den ­Trachtpflanzen einer Region ab. Das Buch „Die Reise des Wanderimkers“ von
Nina Wessely und Johannes Gruber arbeitet die Unterschiede anhand heimischer Regionen und ihrer Imker heraus. 29,90 Euro, Löwenzahn-Verlag.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.