Kulinarische DNA

Völkerverständigung via Pinienkerne, Melanzani und Kichererbsen: Yotam Ottolenghi und Sami Tamimi auf der Suche nach der Küche Jerusalems.

Der eine wuchs im jüdischen Westen auf, der andere im arabischen Osten: Yotam Ottolenghi und Sami Tamimi aus Jerusalem fanden erst in London zusammen, wo sie 2002 das mittlerweile berühmte Lokal Ottolenghi gründeten. Der Rest ist Geschichte, drängt sich hier als Formulierung auf: vier Filialen, eine Kolumne im Guardian, Fernsehauftritte, Bücher. Die Ottolenghi-Küche, sehr gemüselastig und von aromatischer Lässigkeit, hat so viele Anhänger gefunden, dass mittlerweile auch hierzulande jeder halbwegs kulinarisch Interessierte etwas über sie sagen kann. Für das dritte Kochbuch, das demnächst in den Handel kommt, haben sich die beiden Männer in ihre Geburtsstadt begeben, die sie vor über zwanzig Jahren verlassen haben und die dennoch die Ottolenghi-Küche geprägt hat. Es war wohl auch eine sentimentale Aufgabe, die Küche der Stadt zu porträtieren und ihre eigene kulinarische DNA zu entschlüsseln, wie Ottolenghi und Tamimi es nennen. Hilfe bekamen sie dabei von Nomi Abeliovich, die in Jerusalem Interviews führte und Rezepte sammelte. Von Couscous-Gerichten der Mütter ist da zu lesen, die im jüdischen Stadtteil quasi gleich waren wie im muslimischen, aber auch von Gerichten, die völlig gegensätzlich sind – als ob man es mit „zwei vollkommen verschiedenen kulinarischen Welten“ zu tun hätte. Von Erinnerungen an gehackte Leber und siruptriefende Kuchen wird geschrieben und die große Frage gestellt, ob es in einer Stadt, die derart viele Völker beherbergt – sephardische, chassidische oder südindische Juden, christliche Araber, orthodoxe Griechen, Georgier – überhaupt „die eine“ Küche geben kann.

Etwas Pathos. Die kulinarischen Eigentumsrechte sind mitunter schwer zu ermitteln. Was die Küchen der Völker hier verbindet, sind die typischen Zutaten, die in Jerusalem für alle gleich sind: Okraschoten, Melanzani, Granatäpfel, Marillen, Nüsse, Kräuter, Lamm, Bohnen. Daraus entstehen Gerichte, die in diesem Buch nicht nur gewohnt gut fotografiert sind, sondern die man sofort, aber wirklich sofort nachkochen möchte: gebackene Aubergine mit frittierten Zwiebeln und Zitrone, Mangold mit Tahini-Joghurt-Sauce und Pinienkernen oder Brunnenkressesuppe mit Kichererbsen, Rosenwasser und Ras el Hanout. Klar, dass es in einem solchen Buch, das sich dezidiert der Völkerverständigung annehmen möchte, nicht ohne etwas träumerisches Pathos geht: „Vielleicht wird ja eines Tages das Hummus die Menschen in Jerusalem zusammenbringen.“

TIPP

Völkerverständigung Yotam Ottolenghi und Sami Tamimi: Jerusalem. Dorling Kindersley, 320 Seiten, 25,70 Euro.

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