Heinz Beck: "Ich bin kein Diätkoch"

Die Insulinkurve eines Neun-Gänge-Menüs und der perfekte Pasta-Zeitpunkt: Heinz Beck forscht mit Wissenschaftlern, wie man Dreisterneküche möglichst verträglich macht.

Kaum ein Spitzenkoch, der beim Thema Unverträglichkeiten nicht die Augen verdreht. Es scheint kaum mehr möglich, an einem Fünfertisch einfach ein Menü zu servieren – von fünf Gästen haben zwei einen Sonderwunsch. Auch Heinz Beck, Chef des mit drei Michelin-Sternen ausgezeichneten La Pergola in Rom, ist damit konfrontiert. Der Deutsche, der 1994 nach Rom gegangen ist und mittlerweile dort so heimisch ist, dass er manchmal Probleme mit der deutschen Sprache hat, kann darauf freilich besser reagieren als viele Kollegen: Heinz Beck geht immer wieder unter die Forscher. Er interessiert sich für die Insulinkurve eines Neun-Gänge-Menüs sowie die perfekte Dreisternepasta bei Glutenproblemen und hat zu Forschungszwecken im Restaurant ein Labor errichtet. Er veröffentlichte Kochbücher zu Kinderfettleibigkeit, Bluthochdruck und Zöliakie, die er gemeinsam mit Wissenschaftlern erarbeitet hatte. Gerade hat Beck zwei neue Projekte begonnen: eines mit der Universität Tor Vergata über Heilkräuter und eines über Ernährung bei Alzheimer mit einem renommierten Alzheimerarzt. „Das ist ein jahrelanges Heranarbeiten. Wenn man heute kochen lernt, lernt man nichts über Gesundheit. Mittlerweile kann ich behaupten, ein sehr großes Wissen zu haben.“ Das er unter anderem in Fernsehshows demonstriert. Manche der vielen Kochbücher, die sich einer bestimmten Krankheit widmen, seien sehr oberflächlich gemacht: Man vermeide einfach ein paar Zutaten, die ungeeignet sind, beschreibt Beck das Konzept. „Oder es wird Lachs als gut für Omega-3-Fettsäuren angeführt, aber nicht erwähnt, dass es Wildlachs sein muss.“

Vorreiter. Seit zehn Jahren kocht der Tantris-Schüler Heinz Beck nun schon mit deutlichem Gesundheitsschwerpunkt. Mittlerweile hat er mit dieser Linie in Italien Nachahmer gefunden. Kann sich seine Wahlheimat, deren Küche zwar weltweit präsent, aber in Sachen Avantgarde kaum  im Gespräch ist, hier als Vorreiter positionieren? „Es gibt jedenfalls weltweit nichts Vergleichbares.“ Heinz Beck möchte eines nicht: als Diätkoch wahrgenommen werden. Er spricht noch eher von Wellness. Auf seiner Speisekarte findet man keine Kennzeichnungen zur Laktose- oder Glutenfreiheit. Das scheint Beck nicht zu drei Michelin-Sternen zu passen. „Alle meine wissenschaftlichen Arbeiten gehen natürlich positiv in mein Essen über. Aber es ist nicht wichtig, dass der Gast weiß, dass in diesem oder jenem Gericht kein Mehl ist.“ Die Gerichte sehen auf den ersten Blick nicht anders aus als andere in vergleichbaren Lokalen. Man merke einfach nur im Nachhinein, sagt Beck, dass sie nicht belasten. Die Maillard-Reaktion beim Anbraten etwa kann Zellgifte zeitigen und hat daher in seiner Küche kein Leiberl. „Bei unseren Menüs hat man auch keine Insulinschübe.“ Heinz Becks berühmteste Pasta, Fagottelli mit flüssiger Carbonarafüllung, entspricht diesem Anliegen: hauchdünner Teig auf viel Fülle. Und, Stichwort Insulinkurve, sie werden in der Mitte des Menüs serviert. „Wir haben seit Jahren keine schwer verdaulichen Sachen mehr in den Menüs. Bei Erbsen etwa kommt es darauf an, wie sie gekocht sind. Bei uns gibt es keine gekochten Fette, wir haben die Garmethoden ganz umgestellt.“

Haglichkeit. Das alles nütze freilich nichts, wenn der Gast sieben Stück Brot isst, appelliert er an die Mündigkeit. „Ich bin aber kein Taliban. Die Leute kommen ja her, um zu genießen. Ich versuche einfach, das Genießen mit der Gesundheit übereinzustimmen.“
Wenn Intoleranzen vorgetäuscht werden, um „Haglichkeiten“ zu vertuschen, ärgert sich Heinz Beck genauso wie andere Köche. Er erzählt von einem Gast mit schwerer Laktoseintoleranz, der sich das Menü dementsprechend verändern ließ, angesichts des Käsewagens die angebliche Allergie dann aber plötzlich vergaß. Solche Leute, mutmaßt Beck, hätten schlicht Angst vor zu viel Obers- oder Butterkalorien und würden aus diesem Grund eine Milchallergie vorgeben. „Die Gastronomen werden aber dann auch skeptisch – und irgendwann ein bisschen weniger präzis.“  

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