Spitzenpatissiers: Süße Einheit

Patissier Antonino Gullo
Patissier Antonino Gullo(c) Beigestellt
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Während manche Lokale Fertigdesserts servieren, trennen sie die Spreu vom Weizen: die aufwendigen Ideen der Spitzenpatissiers.

Kalt. Ein Gericht aus dem Restaurant Rosengarten: Pfirsich-Heumilch-Kamille mit weißer Schokolade.
Kalt. Ein Gericht aus dem Restaurant Rosengarten: Pfirsich-Heumilch-Kamille mit weißer Schokolade. (c) Beigestellt
Einheit. Dessertfavorit des Jahres: das Blüten-Pollen-Dessert aus dem Steirer­eck. Rechts: Patissier Antonino Gullo.
Einheit. Dessertfavorit des Jahres: das Blüten-Pollen-Dessert aus dem Steirer­eck. Rechts: Patissier Antonino Gullo. (c) Beigestellt
Zwetschke. Die Desserts aus dem Heimatliebe in Kitzbühel beeindruckten die „Gault Millau“-Tester ebenfalls.
Zwetschke. Die Desserts aus dem Heimatliebe in Kitzbühel beeindruckten die „Gault Millau“-Tester ebenfalls. (c) Beigestellt

Unsere Desserts soll man so essen können, wie man zu Hause ein Gericht isst“, sagt Heinz Reitbauer, Küchenchef des Steirerecks. Ein Dessert müsse logisch sein, ein Gast soll nicht überlegen müssen, ob er jetzt mit dem Teil anfangen sollte oder mit diesem und dann da und dort weitermacht. „Ich zerlege auch nicht Palatschinken und esse zuerst die Marmelade heraus und dann erst den Teig.“ Was Heinz Reitbauer da sagt, würde Martina Hohenlohe wohl blind unterschreiben. Die Herausgeberin des „Gault Millau“, dessen neue Ausgabe am 24. 10.
erscheint, zählt ein Steirereck-Dessert zu den besten, die sie im Vorjahr verkostet hat: Schlicht „Blüten mit Honig, Pollen und Passionsfrucht“ genannt, sind es Hippen mit Lindenblütenhonig und Pollen, die Steirereck-Patissier Antonino Gullo mit Passionsfruchtcreme schichtet, mit Blüten bestreut – „Bachblüten sozusagen, die kommen von der Eveline Bach“ – und samt Veilchengelee mit Bienenwabenstruktur anrichtet. Bitterorangenblüteneis und Geißblattessenz aus dem Flakon, die am Schluss darübergesprüht wird, ergänzen das Gericht. Jeder Löffel, den man vom diesem geschichteten Oval absticht, enthält alle Komponenten, man muss sich nichts auf dem Teller zusammenkratzen. Dieses Gericht von Reitbauer und Gullo entspricht somit dem, was das Team von Martina und Karl Hohenlohe beobachtet hat: „An der Spitze geht es wieder weg von der Dekonstruktion.“ Wenngleich sie auch Nachspeisen als beeindruckend anführen, die in das Schema des kompakten Gerichts nicht immer hineinpassen: etwa im Tian und bei Konstantin Filippou in Wien, bei Simon Taxacher oder im Heimatliebe in Tirol.

Mehr als geeister Kaiserschmarren. Im vergangenen Testjahr hat Hohenlohe das erste Mal einen deutlichen Schub bei den Desserts der besten Restaurants Österreichs festgestellt. „Da tut sich zum ersten Mal richtig etwas. Und es geht ja wirklich mehr als geeister Kaiserschmarren.“ Furchtloser müssten die Köche sein. Es sei doch nicht so schwer, Nachspeisen zu ersinnen, die über den innen flüssigen Schokokuchen und die x-te Version der Crème brûlée hinausgehen. (Schon im Vorjahr baten die Hohenlohes im Vorwort des Guides, sie in Zukunft damit zu verschonen. Das dürften allerdings längst nicht alle Köche gelesen haben)
Dass die Restaurantpatisserie ein schwieriges Feld ist, darüber herrscht Einvernehmen. Die Gäste sind satt oder weniger aufmerksam. Weniger Zutaten stehen zur Verfügung – Fleisch und Fisch haben es noch nicht wirklich in den letzten Abschnitt eines Menüs geschafft, selbst wenn es Tendenzen gibt: etwa die Kombination aus Leinsamen, Erdäpfeln, Schokolade und Shrimps, die Hohenlohe vom belgischen Patissier Dominique Persoone kennt.

„Ein Dessert anrichten dauert zehn Minuten, vieles wie ein Soufflé muss à la minute gemacht werden“, sagt Steirereck-Patissier Gullo. Kein Wunder, dass der Convenienceanteil gerade bei den Desserts groß ist: Hohenlohe berichtet von einem neuen Wiener Innenstadtlokal, das ungeniert ein GÜ-Dessert aus dem Supermarktkühlregal servierte, „sogar mit der typischen Druckstelle vom Aludeckel“.

Reduzierte Süße – diese Tendenz geht laut Reitbauer noch weiter, während Gemüsedesserts hingegen fast schon wieder von gestern sind (zumindest ganz an der Spitze). Reitbauer und Gullo, der im Steirereck für die Umsetzung der Desserts zuständig ist, wollen in Zukunft noch mehr auf Leichtigkeit, auf feine Strukturen und Blüten setzen. Oder, wie Reitbauer sagt: Weiblichkeit.  s

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