Christian Petz: "Das langweiligste Produkt ist ein Filetsteak"

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Der einstige Badeschiff-Küchenchef Christian Petz über sein kulinarisches Jahr 2013, Pferdefleisch, Innereien und die zunehmende Belästigung der Gäste.

Wie sieht Ihr kulinarischer Rückblick 2013 aus? Mir sind die vielen Burger aufgefallen.

Christian Petz: Ja, das wurde so publiziert. Mir ist das nicht so aufgefallen, außer dass wir gegenüber das Meat Baby gehabt haben, das sehr Burger-lastig war. Ansonsten ist das nicht meine Abteilung. Ich finde es ein bisschen seltsam, vielleicht weil ich kein großer Freund des Burgers bin.

Aber beim Badeschiff gab es sie trotzdem.

Ja, das hat der Brian Patton gemacht. Das war eh lässig, war schon okay.

Wie sieht Ihr kulinarischer Rückblick aus?

Eine ganz lustige Sache war für mich, dass in den letzten Jahre von den Medien immer Regionalität gefordert wurde. Mir ist das auf die Nerven gegangen. Ich bin grundsätzlich dafür, aber das zu einem Diktat zu erheben, hat mich unrund gemacht. Heuer haben plötzlich alle geschrieben, das geht ihnen auf die Nerven.

Wir haben Sie selbst das gehandhabt?

Ich mag es nicht, wenn man das so nach außen trägt. Ich hab vielleicht auch Trends gesetzt, aber nie gesagt, das muss man jetzt so machen. Was ich auch nicht mag, ist, wenn auf den Speisekarten überall Herkunftsbezeichnungen stehen, die meist eh nicht stimmen. Das macht ja dann die Guten wieder schlecht.

Welches Produkt war Ihnen 2013 wichtig?

Lustig war, dass durch den Pferdefleischskandal sehr viele Leute gefragt haben, wann es endlich Pferd gibt. Das hab ich dann am Schiff öfter gemacht, das ist extrem gut angekommen.

Warum sind eigentlich Innereien beliebt?

Die sind ja nur bei Freaks, Foodies und Journalisten beliebt. Ich mache schon sehr lange Innereien. Das hat drei Gründe. Es gehört zum ganzheitlichen Kochen, da geht es auch um Respekt vor dem Tier, dass ich eben nicht nur die Filets und Edelteile verkoche. Der zweite ist, es gehört einfach zur Wiener Küche dazu. Das hat Tradition, die darf man nicht sterben lassen. Der dritte Grund ist, dass ich es interessant und spannend finde. Das langweiligste Produkt für mich ist ein Filetsteak, das ist ein Fleischlappen, das würde ich mir nie bestellen.+

Ist das Interesse an Innereien gestiegen?

Grundsätzlich ist es so: Wenn man jemanden fragt, was er nicht mag, antworten 90 Prozent: „Innereien.“

Warum eigentlich?

Weil sie Geschmack haben, manche sogar einen ausgeprägten Geschmack, speziell dann, wenn sie nicht von guter Qualität oder nicht gut zubereitet sind, das ist teilweise einfach nicht leiwand. Und es hat einen komischen Nimbus. Viele Leute sind auch nicht mehr damit groß geworden.

Sie haben einmal gesagt, sie wollen beim Gast Kindheitserinnerungen hervorrufen.

Das ist natürlich der Jackpot. Das hört sich positiv an, ich habe ja auch Kindheitserinnerungen beim Essen, die nicht so leiwand sind. Aber es gibt kaum etwas Lässigeres, als man sagt: „Boa, wie daheim bei Mama.“

Warum wollen beim Essen alle zurück zur Mama oder Oma?

Weil man sich behütet fühlt und sentimentale Erinnerungen hat. Vieles wird nicht mehr gekocht. Ich habe im Coburg manchmal gebackene Mäuse gemacht, das ist gut angekommen.

Wie beurteilen Sie die österreichische Gastronomie?

Die hat es derzeit ziemlich schwer, aufgrund der Wirtschaftslage und der hohen Lohnkosten. Das bremst in manchen Bereichen die Innovation und Kreativität. Es gibt ja nicht umsonst viele renommierte Küchenchefs, die keinen Job finden. Jeder weiß, dass speziell die Spitzengastronomie immer schwieriger wird, aufgrund des immer größer werdenden Aufwands.

Ist das auch international so?

Ich tu mir mit dem Vergleich schwer. Ich mag es nicht, wenn es heißt: „Wien ist eine Katastrophe, weil man die Preise nicht verlangen kann wie in Paris oder London.“ Da denk ich mir: „Geht's euch noch ganz gut?“ Wir reden von London, Paris, New York, wo es 20 Millionen Leute im Einzugsbereich gibt, und Zigtausende täglich hinfliegen, nur um essen zu gehen. Wenn man das mit Wien vergleicht, stehen wir extrem super da.

War die schlechte wirtschaftliche Lage der Grund, das Holy Moly zu verkleinern?

Nein. Es gab zwei Gründe: Zum einen, dass ich gesagt habe, ich höre auf. Das Zweite war, dass man versucht hat, ein anderes Publikum zu bekommen. Mehr trinken, mehr Bier, weniger serviceorientiert und das in Verbindung mit dem Laderaum, unserem Club.

Würden Sie eigentlich nochmal in der Spitzengastronomie arbeiten?

Nein. Es ist dort sehr schwer, Geld zu verdienen. Und ich mag diesen Aufwand nicht mehr betreiben, den ich als störend für den Gast empfinde. Luxusgastronomie muss immer eine Art Erlebnisgastronomie sein.

Das lenkt vom Wesentlichen ab?

Ja, mich interessiert viel mehr, wie ich das Optimum aus einem Produkt raushole. Der Gast wird beim Service zu oft gestört, das geht weiter zu den Gerichten, bei denen zu viele verschiedene Komponenten auf dem Teller sind und der Hauptbestandteil zu klein ist, damit ich ihn entsprechend genießen kann. Ich will kein Siebenerlei von irgendwas, bei dem ich ein Mokkalöfferl davon hab. Ich will lieber eines, das gut ist und davon mehr.

Wird das immer extremer?

Nein, ich glaub, mittlerweile ist eh der Zenit erreicht. Es gibt ja glücklicherweise schon eine Gegenbewegung.

Wie geht es bei Ihnen 2014 weiter?

Ich schaue mich nach Lokalen um, und spreche mit Leuten, die eine Idee haben. Alles ist möglich, aber ich möchte möglichst unabhängig sein.

Kommt im Badeschiff jemand Neuer?

Das ist noch nicht ganz durch, aber es wird ein Neuer kommen müssen.

Steckbrief

Christian Petz
wurde 1963 in Amstetten (NÖ) geboren und wuchs in einer Gastronomie-familie auf.

Seine Stationen: Restaurant Nösse(Jörg Müller) in Sylt, Königshof in München und Restaurant Aubergine bei Eckart Witzigmann. Als Küchenchef im Hotel Post in Lech am Arlberg, in Hotel im Palais Schwarzenberg (Wien), ab 1999 im Restaurant Meinl am Graben, bis 2009 im Palais Coburg.

Der mehrfach ausgezeichnete Koch wandte 2010 der Luxusgastronomie den Rücken zu, kochte im Holy Moly am Badeschiff Wien. Vor Kurzem trennte sich der Haubenkoch vom Badeschiff und will nun – anlässlich seines 50ers – etwas Neues beginnen.
Pauty

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.12.2013)

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