Obauer: „Fühlen uns noch am Anfang“

Zum 20. Mal vier Hauben für Karl und Rudolf Obauer. Sie erhalten ein ganz eigenes System: mit Hahnenkämmen, Datteln, Sake – und Sport.

Die Brüder Obauer sehen auf Fotos stets gleich aus. Ihre inneren Gesichter aber sind so vielfältig wie vielleicht bei keinen anderen Köchen des Landes. Da wohnen etwa Pippi Langstrumpf, Rübezahl und Scheherazade in Karl und Rudolf Obauer, befanden zumindest die Tester des soeben erschienenen „Gault Millau 2015“. „Ich mach mir die Welt, wide wide, wie sie mir gefällt“, singen Pippi und Rudi Obauer im Chor. Der andere indes zieht sich als Karl in Werfen seine Wanderschuhe an, um sich in den geliebten Bergen in einen Waldschrat zu verwandeln und mit Flechten, Vogelbeeren und Meisterwurz im Gepäck zurückzukommen.

(c) HELGE KIRCHBERGER Photography

Das System Obauer kennen nur die Brüder selbst (und vielleicht ihr kongenialer Sommelier Alexander Kob-
linger, der mit seinen Weinempfehlungen – er kennt sich auch bei Sake aus – so punktgenau trifft). Der Gast muss die Geheimnisse dahinter nicht durchschauen, um immer wieder aufs Neue Zeuge wundersamer Esserlebnisse zu werden. Zwar klingen die Zutaten nicht so ungewöhnlich wie in anderen Spitzenrestaurants – das zeitintensive Aufspüren von Gemüsesorten mit lustigen Namen überlassen die Obauers ihren Kollegen an der Spitze. Manche Elemente scheinen beim Lesen der sehr ausführlichen Speisekarte gar simpel, die Zusammenstellung der Aromen mag bisweilen ungeordnet wirken. Auf dem Teller aber, da findet sich hier stets alles zu übernatürlicher Ordnung und Dichte zusammen: Kalbsniere, Datteln, Sardellen. Hahnenkämme, Kutteln, Paprika – ein Klassiker. Für diese Gabe und den Mut, sich „um nichts zu scheren“, wie „Gault Millau“-Herausgeberin Martina Hohenlohe es formuliert, haben Karl und Rudolf Obauer heuer zum 20. Mal vier Hauben bekommen, neben Heinz Reitbauer und Simon Taxacher. „Und wie sie die verdient haben!“, sagt Hohenlohe mit Nachdruck. „Zwanzig Jahre lang verteidigen die beiden die Spitze wie die Weltmeister.“ Eben mit relativ herkömmlichen Zutaten, die sie aber „alchimieren“. Schon in der ersten Vier-Hauben-Kritik von 1995 ist von einer unverkrampften Mischung aus bodenständiger und kreativer Kochkunst mit einem Touch fernöstlicher Exotik zu lesen. Genau das findet man heute noch. „Sie sind ihrer Linie also treu geblieben.“

(C) Beigestellt

Lebenswerk. Auf die Frage, wie man über eine Dauer von zwanzig Jahren (und mehr, die vierte Haube 1995 war schließlich nicht der Einstieg) die Qualität halten könne, ohne Einbrüche, stellt Rudolf Obauer gleich einmal klar: „Wir wollen auch noch nicht aufhören. Wir fühlen uns fast noch am Anfang.“ Es sei eben ein Lebenswerk. „Am Anfang hat man uns für verrückt erklärt“, sagt Rudi Obauer, der ursprünglich gar nicht das Ziel hatte, Koch zu werden, „dass wir in Werfen so etwas machen wollen.“ Geholfen habe beiden Brüdern eine Erziehung, die ihnen nahegelegt hat: „Wennst was machst, mach’s g’scheit.“ „Wir sind immer zum Arbeiten erzogen worden“, wirft Karl Obauer ein, „wir hatten das Glück, Kinderarbeit verrichten zu dürfen – das sage ich ganz bewusst so. Wir hatten Aufgaben.“ Etwa in der Metzgerei des Vaters, „Därme und Kühlräume putzen, Würstel aufhängen“, oder in der Frühstückspension, in der die jugendlichen Brüder in den Ferien für das Frühstücksgeschirr verantwortlich waren.
Als Karl und Rudolf Obauer in den Siebzigerjahren mitbekamen, dass in Frankreich Gäste ins hinterste Dorf fahren, wenn es dort gutes Essen gibt – „dank ,Gault Millau‘ und ,Guide Michelin‘“ –, setzte sich in ihnen der Gedanke fest, dass Ähnliches auch in Werfen machbar sein müsse. Für ein richtiges Wirtshaus, meint Rudi Obauer, „wären wir beide nicht die Typen. Wir können nicht Karten spielen, sind keine Nachtmenschen und wollen in der Früh aus den Federn, um Sport zu treiben.“ Gastronomie ja, aber so, dass noch Zeit für den Sport bleibt. „Es war jahrzehntelang undenkbar, dass ein Wirt nebenbei noch die Zeit hat, auf den Berg zu gehen, Skifahren zu gehen. Da wäre man als Wirt direkt ein Aussätziger gewesen.“ Karl Obauer erinnert sich an den ersten Sommer, in dem er zur Probe das Wirtshaus der Familie bekocht hat: „Da hab ich keinen Berg gesehen, kein Schwimmbad. Da war nur Wurstsalat machen, Apfelstrudel backen, Weißwürste für 50 Leute in der Früh, da warst noch nicht einmal ganz munter! Da hab ich gesehen, das ist sicher nicht das Lebensziel.“
Heute bestimmen sie die Regeln – von Ruhetagen bis zu küchenfreien Zeiten untertags. „Wir wollen da gegen den Strom der modernen Zeit schwimmen, dass es immer alles rund um die Uhr geben soll, dass der Wirt der Hund ist, der folgen muss“, sagt Rudi Obauer mit einigem Zorn in der Stimme. „Es hat die Natur ihre Gesetze, und es hat der Mensch seine Gesetze. Zum Glück haben wir eine Klientel, die sich nach unseren Regeln richtet.“ „Man muss es sich so herrichten, dass man Freude am Tun hat“, meint Karl Obauer, „nur dann kann man es so lange machen.“

Restaurant Obauer, Markt 46, 5450 Werfen. www.obauer.com

„Gault Millau 2015“ listet nur mehr drei Lokale mit vier Hauben, bei den Dreihaubern gibt es Neueinsteiger wie das Tian. 33 Euro.

Vom Berg. Das jüngste Obauer-Kochbuch widmet sich der Innergebirgsküche,
erschienen bei Servus.

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