Harald Irka: Wortkarg, aromenüppig

(c) Marion Luttenberger
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Harald Irka in vier Jahreszeiten: Haarweibchen, Johannisbeere, Kalbsbries, Sanddorn. Jetzt erscheint sein Kochbuch.

Er war halt der Erste, der angerufen hat.“ So einfach ist das. Und viel mehr Worte wird Harald Irka zur Geschichte seines Engagements bei Albert Neumeister in Straden auch nicht verlieren. Irka, Jahrgang 1991, es muss ein schweigsamer gewesen sein, hat sich nach der Hotelfachschule in Bad Leonfelden an zig Adressen beworben, da und dort. Unter anderem in den südsteirischen Saziani Stub’n. Anna und Albert Neumeister nahmen den Rookie, und sie können sich heute des Neids vieler Gastronomen sicher sein. „Wir wissen einfach, was wir aneinander haben“, meint Albert Neumeister. Ein Talent wie Harald Irka ist genauso selten wie die überzeugte Laisser-faire-Großzügigkeit der Saziani-Gastgeber. Das Ergebnis dieser einem Zufallszeitpunkt zu verdankenden Liaison: in drei Jahren drei „Gault Millau“-Hauben und zahlreiche andere Auszeichnungen. Anfangs hat man dem heute 23-jährigen Koch noch vorgeworfen, sich bei aller Begabung doch allzu deutlich am skandinavischen Küchenwunder zu orientieren. Irka kommentiert die Ausrichtung der ersten Zeit heute gewohnt knapp, und es ist angesichts des uneingestandenen Kopierwahns anderswo ein erstaunlich freimütiges Bekenntnis: „Ich hab mir viel vom Noma abgeschaut, ganz klar. Ich hatte eben das Noma-Kochbuch. Und viel mehr als das Noma hatte ich damals nicht gesehen.“

(c) Marion Luttenberger

Inspirationen. Mittlerweile hat er viele Michelin-Sterne-Lokale in ganz Europa abgehakt. Und heute ist wohl auch den anfänglichen Skeptikern klar: Harald Irka hat die nordische rau-elegante Regionaldogma-Kochweise immer schon nicht nur nachgeahmt, sondern im Unterschied zu vielen Köchen regelrecht durchdrungen. Und sie bald für sich gültig gemacht. Indem er — knappe Begründung: „Es wurde mir einfach zu langweilig“ – sich nicht auf die Zutaten der Nachbarschaft reduziert, sondern exotische Aromen wie Ananas zulässt. „Gewürze entdecken wir jetzt langsam“, sagt Irka. „Welche Vielfalt es da gibt. Wir haben zehn verschiedene Currys.“ Außerdem eingeflochten in seine Gerichte: seit diesem Jahr Zitrusfrüchte aus Kärnten sowie Raki, Miso, grüner Tee. Japanische Aromen nun noch einmal mehr, nachdem Irka heuer im Winter im Japan war. „Ich war dort, weil ich Sushi essen wollte. Ich hab mein ganzes Leben noch nie Sushi gegessen und hab gesagt, wenn, dann.“ Dass das Noma, Irkas erster prägender Bezugspunkt, zu dieser Zeit gerade sein Tokio-Gastspiel gab, kam motivierend hinzu. Was er von der japanischen Küche mitgenommen habe? „Die Schlichtheit, die Reduziertheit ist unglaublich. Ich kenne niemanden in Europa, der so reduziert kocht, wie es dort gang und gäbe ist.“ Und ein paar Ideen. Wie jene, Rettich in hauchdünne Matten zu schneiden und aus diesen makiartige Rollen zu formen, mit rohen Jungstierfiletscheiben gefüllt, von Sardellenbutterklecksen, die an japanische Mayonnaise erinnern, begleitet.

Trotz der Einsprengsel aus fremden Küchen liest sich Irkas Karte heute extrem regional; vielleicht, weil allein Wildkräuter wie Gundelrebe, Sauerampfer und Vogelmiere, derer man sich zu Fuß den Saziani Stub’n nähernd gewahr wird, die Verwurzelung des Linzers in der neuen Heimat spüren lassen. Gundelrebe, dieses unmissverständlich „viecherlnd“ schmeckende Wiesenkraut, kombiniert Harald Irka bei einem Topinamburgericht mit Lammnierenpopcorn. Logischer, aromenparalleler geht es kaum. Solche Kunstgriffe sind typisch für Irkas Gabe. Das aberhunderte Kästchen umfassende Aromenarchiv in seinem schwarzlockigen Kopf scheint punktgenau Türchen mit der logischen fehlenden Ingredienz aufspringen zu lassen, wenn es gilt, ein Gericht zu komplettieren.

Eigenverlag. Einblicke in den Irka’schen Kochmodus gibt nun sein Kochbuch. „Ich wollte es eigentlich überhaupt nicht machen, aber nachdem es grad so gut läuft bei uns . . .“ Eine Anfrage war da, die Zusammenarbeit mit einem großen Verlag ließ sich aber zu mühsam an, die Vorstellungen passten nicht zueinander. Darum investieren Harald Irka, Anna und Albert Neumeister nun umso mehr Arbeit in das Projekt „Im Eigenverlag“. Anfang Mai wird das Buch mit dem Titel „Terroir“ erscheinen. Terroir deshalb, weil man einen Begriff suchte, der für den Neumeister’schen Weinbau und die Irka’sche Küche steht, „und für die Menschen hier, das Klima, die Produkte“. In vier Jahreszeiten gegliedert, zeigt Irka in seinem Buch 60 Gerichte, mit gewohnt knappen Namen. „Haarweibchen“ (ein anderer Name für die winzige Melothria-Gurke), „Lammbries“ oder „Mieze Schindler“ heißt es etwa im Kapitel Frühling. Die Aufteilung in Jahreszeiten war logisch, „weil wir ja auch in der Küche so arbeiten“. Viel Aufwand war das Niederschreiben der Rezepte. „Wir kochen ja ohne, wir haben da bei null angefangen.“ Das Grazer Studio Bruch, das das Buch gestaltete, hatte für die Fotos mit Marion Luttenberger keine der üblichen Food-Fotografie-Verdächtigen ausgewählt. Was den Neumeisters nur recht ist. „Ich kann diese glatten, manipulierten, ewig gleichen Fotos schon nicht mehr sehen“, spielt Anna Neumeister auf diverse Tricks in der Food-Fotografie mit Lacken etc. an. „Bei uns hat die Fotografin nach dem Arbeiten alles gegessen.“

(c) Beigestellt

Tipp


Buchtipp. Das Kochbuch von Harald Irka, herausgegeben von Anna und Albert Neumeister, enthält 60 Rezepte in vier Jahreszeiten, heißt „Terroir“ und ist im Eigenverlag erschienen. 200 Seiten, 34 Euro.

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